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Bundeswirtschaftsministerin zu US-Schutzzöllen
"Noch Diplomatie und noch kein Krieg"

Der US-Präsident müsse erst einmal seine eigene Wirtschaft in Ordnung bringen, dann könne er auch besser exportieren und verkaufen, rät Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries im Dlf. Die europäische Wirtschaft müsse angesichts der drohenden Strafzölle zusammenstehen - und dürfe sich nicht auseinander dividieren lassen.

Brigitte Zypries im Gespräch mit Stephanie Rohde |
    Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) stellt bei einer Pressekonferenz den Jahreswirtschaftsbericht 2018 und die aktuelle Prognose der Bundesregierung für die deutsche Wirtschaft vor.
    Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) (picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Stephanie Rohde: Die Freude war groß, als Donald Trump Strafzölle auf Stahl und Aluminium angeordnet hat: Freude bei den Stahlarbeiterinnen und Stahlarbeitern, die der amerikanische Präsident extra ins Weiße Haus eingeladen hatte. Sie feierten ihren Präsidenten, der die Entscheidung so begründet: Also Amerika wurde von fast allen Staaten der Welt ausgenutzt, egal ob von Freund oder Feind, sagt Trump. Regierungen und Unternehmen weltweit schreien auf. Sie wollen nicht akzeptieren, dass schon in zwei Wochen 25 Prozent Zoll auf Stahlimporte in die USA und auf Aluminiumeinfuhren zehn Prozent gelten. Die USA hat gedroht, ihrerseits Strafzölle zu verhängen. Trump wiederum droht dann, die Autoindustrie mit Zöllen zu bestrafen.
    Die EU will eine Beschwerde bei der WTO einreichen, das allerdings könnte lange dauern. Heute versucht die EU-Kommission aber erst einmal die amerikanische Regierung von Ausnahmeregelungen zu überzeugen. Ist ein Handelskrieg jetzt noch zu stoppen – darüber möchte ich jetzt sprechen mit Brigitte Zypries, sie ist derzeit noch geschäftsführende Bundeswirtschaftsministerin der SPD. Guten Morgen!
    Brigitte Zypries: Guten Morgen, Frau Rohde!
    Rohde: Sind wir eigentlich schon im Handelskrieg mit den USA?
    Zypries: Nein, aber wir sind in einem doch sehr ernsten Vorgeplänkel von einer Eskalation.
    "Da ist noch Bewegung drin"
    Rohde: Wann fängt denn ein Krieg an?
    Zypries: Na ja, also das mit dieser Kriegsrhetorik, das ist immer so eine Sache, aber sie wird im Moment so gebraucht, dass ich sagen würde, wenn dann tatsächlich mal die ersten Zahlen oder die ersten Strafzölle so verhängt sind, dass sie auch eingefordert werden, das ist ja bei dem Strafzoll auf Aluminium und auf Stahl im Moment noch nicht der Fall, denn Trump hat ja die 15-Tage-Frist gesetzt, innerhalb derer er jetzt mit allen redet. Die EU redet am Wochenende, andere reden mit ihm, Australien lief heute Morgen über die Ticker, da gibt es Erwägungen, die auszunehmen. Also es finden jetzt schon Gespräche statt, da ist noch Bewegung, es ist noch, wenn Sie so wollen, noch Diplomatie und noch kein Krieg.
    Rohde: Sie sagen, es wird geredet, es wird aber auch gedroht. Die EU droht, und Trump weiß, dass die EU eigentlich überhaupt kein Interesse hat an einem Handelskrieg. Machen sich Deutschland und die EU da nicht ein bisschen lächerlich, wenn sie mit Vergeltungszöllen drohen?
    Zypries: Nein, das glaube ich nicht. Ich meine, nicht nur die EU würde sich lächerlich machen, lächerlich macht sich ja mal vor allem zuerst Herr Trump, der solche Zölle auf einmal erhebt und damit gegen geltendes WTO-Recht verstößt, obwohl er ja weiß, dass er der größte Stahlimporteur der Welt ist. Also er muss ja von außen Stahl importieren, sonst kann er ja mit seiner Wirtschaft gar nicht mehr weiterkommen. Da muss man sich fragen, wie rational das eigentlich ist, und ich glaube, es ist richtig, dass die EU jetzt sagt, solche Art von Handelsbegrenzungen nützen keinem, die nützen weder uns noch nützen die euch, und darüber wollen wir gerne mit euch reden.
    Rohde: Aber wenn die EU es wirklich ernst meinen würde, dann sollte sie nicht nur symbolische Produkte, wie jetzt Whiskey oder Harley Davidson, da fokussieren, oder?
    Zypries: Na ja, das ist ja, glaube ich, nur mal … Also es deutlich mehr noch drauf auf der Liste, und es sind vor allen Dingen Produkte, aus den Ländern oder aus den Staaten der Vereinigten Staaten, in denen Trump besonders stark ist und wo sie glauben jetzt, es würde ihm eben besonders wehtun, dass man das so dezidiert zurückspiegelt.
    WTO-Verfahren könnte Jahre dauern
    Rohde: Die EU droht auch mit der Welthandelsorganisation, allerdings könnte so ein Verfahren Jahre dauern, und am Ende könnten die USA auch recht bekommen, außerdem muss man auch sagen, die WTO hat an Einfluss verloren bei vielen Staaten. Glauben Sie denn ernsthaft, dass ein nationalistischer Bilateralist wie Trump von einer halbtoten multilateralen Organisation eingeschüchtert wird?
    Zypries: Also ich würde erst mal nicht sagen, dass die EU halb tot ist.
    Rohde: Die WTO meine ich, die Welthandelsorganisation.
    Zypries: Ach so, okay! Ja, das weiß ich nicht, aber es gibt auf alle Fälle stehende Klageverfahren, die funktionieren und die auch beschieden werden und wo man wenigstens mit Hilfe dieser multilateralen Vereinigung und ihrer Streitschlichtungsmechanismen darauf hinweisen kann, das, was du hier machst, das ist nicht in Ordnung, und deswegen habe ich immer gesagt, wir müssen beides tun: Wir müssen natürlich ihn vor der WTO verklagen, das empfiehlt auch ein vernünftiges rechtsstaatliches Verhalten, und wir müssen dann darüber hinaus über Gegenmaßnahmen nachdenken. Ich meine, ich denke nicht, dass das eine das andere ausschließt.
    Rohde: Aber das Verfahren, das könnte ja tatsächlich sehr, sehr lange dauern. Wäre es jetzt in dieser Situation nicht klüger, die Strafzölle einfach kontrolliert hinzunehmen, statt eine unkontrollierbare Spirale eines Handelskriegs mit weiteren Drohungen von Strafzöllen in Gang zu bringen?
    "Wehret den Anfängen hat seine Berechtigung"
    Zypries: Also ich persönlich halte das für schwierig, sage ich Ihnen ganz ehrlich, weil was heißt hier kontrolliertes Hinnehmen. Das heißt ja nichts anderes, als dass ich sage, Herr Trump macht, was er will, vergeht sich gegen vereinbarte Rechtsnormen, wie er will, und wir nehmen es dann mal kontrolliert hin.
    Rohde: Na ja, Experten sagen, dass die Stahlbranche zum Beispiel in Deutschland nur wenig betroffen sein wird, und man sollte sich doch lieber dem Diktat der Amerikaner fügen, um zum Beispiel schlimmere Zölle gegen die deutsche Autoindustrie zu verhindern.
    Zypries: Ja, aber ich persönlich finde eben, der Spruch "wehret den Anfängen" hat seine große Berechtigung, und ich finde nicht, dass wir Herrn Trump durchgehen lassen dürfen, dass er, aus welchen Gründen auch immer, meint, dass er damit eine funktionierende, gute wirtschaftliche Maßnahme für sein Land getroffen hat. Ich glaube nicht, dass das so ist. Wir haben ja auch das Beispiel von den 2000er-Jahren mit Bush, wo das Ergebnis für die USA sehr negativ ausging und mit einem großen Arbeitsplatzverlust. Insofern denke ich, es macht schon noch mal Sinn, mit Trump darüber zu reden, und ich bin auch froh, dass Frau Malmström das am Wochenende macht, um ihm deutlich zu machen, was das für Folgerungen hat, und nur zu sagen, es trifft einige wenige und könnte ja noch viel mehr treffen, das ist … Also ich habe da Probleme mit, sage ich ganz ehrlich.
    Rohde: Aber die deutsche Autoindustrie, die läuft doch bestimmt Sturm, oder?
    Zypries: Na ja, gut, die deutsche Autoindustrie hat natürlich jetzt eigene Interessen. Das ist ja völlig klar. Also so unter dem Motto, lasst uns den Stahl treffen, –
    Rohde: Die sind Ihnen egal als Wirtschaftsministerin?
    Zypries: – aber nicht uns, und das ist auch eine Haltung, die ich für problematisch halte. Ich finde, wir müssen dann als deutsche und als europäische Wirtschaft auch zusammenstehen und müssen die Sachen gemeinsam vorantreiben und dürfen uns da nicht auch auseinanderdividieren lassen, so unter dem Motto, Hauptsache ich habe mein Jäckchen ins Trockene gebracht. Das finde ich höchstgradig unsolidarisch.
    "Wir haben die USA nicht unfair behandelt"
    Rohde: Bekommt Deutschland eigentlich jetzt nach vielen Jahren zu Recht die Quittung dafür, dass es die USA jahrelang unfair behandelt hat, wie Trump gesagt hat, und so viel exportiert hat?
    Zypries: Na ja, wir haben die USA ja nicht unfair behandelt. Das ist ja einfach falsch, was Herr Trump sagt. Es gibt ein bestehendes System, in dem vereinbart wurde, welche Zölle werden auf was bezahlt, und das richtet sich nach den Interessen der Länder. Also es ist beispielsweise so, dass es niedrige Zölle gibt in Teilen auf Autos, die wir in die USA liefern. Die sind in der Tat ziemlich niedrig.
    Rohde: Genau, 2,5 Prozent.
    Zypries: 2,5 Prozent, aber auf der anderen Seite haben wir Zölle auf Pickup-Trucks, die liegen bei 25 Prozent, weil die Amerikaner ganz klar gesagt haben, Pickup-Trucks, das ist unser Auto in den USA, da wollen wir nicht die anderen.
    Rohde: Aber man muss auch sagen, wenn die USA an Deutschland Autos verkaufen, dann zahlen sie zehn Prozent, also 2,5 gegen zehn Prozent. Inwiefern ist das fair?
    Zypries: Ja, weil das eben ein Gesamtkonglomerat ist. Es geht ja nicht nur so, dass da nur die Zölle, der Stahl und die Autos geregelt sind, sondern es geht auch auf Kleidung. Bei Kleidung beispielsweise, da erhebt die USA 32 Prozent Zoll, in der EU erheben wir nur 12 Prozent Zoll. Das heißt, es ist für die USA sehr viel einfacher, Kleidung nach Europa zu exportieren. Bei Baumwolle, da wollen die USA 18 Prozent, die EU hat überhaupt gar keinen Zoll auf Baumwolle, und so ist das ein austariertes System, wo die jeweiligen Interessen an dem Schutz der Waren zugrunde gelegen haben, und wenn da eben jetzt eins rausbricht, dann kommt das ganze System ins Wanken. Das geht ja auch nicht anders, dann fragt man sich natürlich, warum soll ich denn das da noch machen dann.
    Rohde: Es ist ja nicht nur Trump, der den Exportüberschuss von Deutschland als unfair bezeichnet, es gibt auch Kritik zum Beispiel vom Internationalen Währungsfonds und von der OECD, die fordern ja seit Längerem von Deutschland, den Exportüberschuss abzubauen und die Binnennachfrage anzukurbeln. Warum investiert die Bundesregierung nicht in Deutschland, um nicht mehr so viel zu exportieren?
    Zypries: Nein, Entschuldigung. Erst mal ist es natürlich Sache der Wirtschaft, zu investieren, und die Bundesregierung fördert das allenfalls durch bestimmte Strukturfördermaßnahmen wie Entwicklung von Elektromobilität und solchen Sachen. Also sie investieren ja nicht selber, und es ist ja tatsächlich so, dass die USA diese ganzen Produkte abfragt bei uns. Sie sind dabei, ihre Wirtschaft wieder aufzubauen, und dazu brauchen sie deutsche Maschinen und Anlagen, und das ist das, was wir in die USA in großem Maße exportieren.
    Rohde: Aber das, was die Linke zum Beispiel fordert, dass jetzt ganz konkret in Infrastruktur investiert wird, das sehen Sie nicht.
    Zypries: Nein, doch, das machen wir natürlich parallel auch, das wissen Sie ja. Wir hatten ja schon letzte Legislaturperiode viel in Infrastruktur investiert, und der Koalitionsvertrag sieht das ja jetzt wieder vor, ich sage nur Stichwort Breitbandausbau, Stichwort Bildung an Schulen, es gehört auch Ausbau von Schulen dazu, und vieles andere mehr, Brücken, Straßen. Also das ist ja alles mit vorgesehen im Koalitionsvertrag, und dafür wird viel Geld ausgegeben.
    "Wir haben einen Exportüberschuss seit 1870"
    Rohde: Aber offensichtlich hat es den Exportüberschuss bis jetzt nicht abgebaut.
    Zypries: Nein, das hat es nicht, und das ist auch nicht so einfach, denn wir haben einen Exportüberschuss seit 1870, und jetzt auf einmal zu sagen, innerhalb von einem halben Jahr kriegen wir den weg, das geht nicht, und dass es so ist, dass wir diesen Exportüberschuss solange haben, hängt eben damit zusammen, dass die ganze Welt die deutschen Maschinen und Anlagen kauft, und da sind wir eben einfach gut und gefragt.
    Rohde: Das heißt Ihre Message an Trump ist auch, wir bleiben bei diesem Exportüberschuss.
    Zypries: Nein, meine Message an Trump ist, kauft die guten deutschen Maschinen, und jetzt bring deine eigene Wirtschaft in Ordnung, und dann kannst du auch besser exportieren und verkaufen.
    Rohde: Donald Trump hat ja die Handels- und die Verteidigungspolitik in den letzten Tagen miteinander verknüpft. Deutschland hatte ja den USA zugesagt, sein Verteidigungsetat auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben. Sollte man das jetzt nicht einlösen, auch um möglicherweise deutsche Autobauer vor einem Handelskrieg zu bewahren?
    Zypries: Da gibt es Gespräche der Verteidigungspolitiker, was da alles drunter zu fassen ist, und da kann ich Ihnen im Moment auch nur sagen, dass wir da reden mit der US-Administration und mit unseren europäischen Partnern, um eben zu klären, was gehört alles dazu.
    Rohde: Aber glauben Sie daran, dass die SPD tatsächlich auf dieses Zwei-Prozent-Ziel kommt?
    Zypries: Das ist jetzt erst mal nicht Sache der SPD, da drauf zu kommen, sondern das ist Sache einer unionsgeführten Verteidigungsministerin, die sich darum kümmern muss, und die Frage ist eben, was rechne ich alles dazu. Noch mal: Sind das jetzt nur die Leistungen, das, was man für Maschinen ausgibt, für Panzer ausgibt, für Flugzeuge ausgibt, oder gehören da auch noch andere Leistungen dazu. Kann man beispielsweise die Entwicklungshilfe in einem gewissen Maße auch dazu zählen – all das wird ja diskutiert, und da wird man auch eine Lösung finden.
    Rohde: Frau Zypries, Sie haben gerade wieder einen Brief geschrieben an den amerikanischen Handelsminister. Was bringt Ihre Brieffreundschaft eigentlich?
    Zypries: Sie macht deutlich, dass da Menschen sitzen in anderen Teilen der Erde, die gute Argumente haben und die sie gerne vortragen wollen, –
    Rohde: Und werden die auch gehört?
    Zypries: – und das das mündlich ein bisschen schwierig ist, das vorzutragen, schreibt man sie eben, und der Brief hat ja auch noch eine gute alte Funktion.
    "Wollen, dass die EU gemeinsam auftritt"
    Rohde: Und wurden Sie gehört? Haben Sie eine Antwort bekommen?
    Zypries: Nein, das war aber jetzt auch noch nicht möglich. Also der Brief ist ja nun gestern erst rausgegangen, bevor Trump unterschrieben hat, aber trotzdem doch relativ knapp. Also das ging noch nicht.
    Rohde: Sind Sie eigentlich zuversichtlich, dass Ihr designierter Nachfolger, Peter Altmaier von der CDU, Ihren Kurs so fortsetzen wird?
    Zypries: Ja, na klar. Also wir wollen ja vor allen Dingen ein EU-abgestimmtes Verhalten. Es ist ja nicht so, dass ich jetzt hier einen Kurs fahre, sondern wir wollen, dass die Europäische Union gemeinsam auftritt, handelt, verhandelt, und deswegen habe ich auch gesagt, das ist gut, dass Frau Malmström am Wochenende Gespräche führt, und wir unterstützen sie dabei, wir stimmen das nach innen innerhalb der EU ab, aber sie ist dann natürlich außen die Verhandlungsführerin.
    Rohde: Das sagt Brigitte Zypries, sie ist derzeit geschäftsführende Bundeswirtschaftsministerin der SPD. Vielen Dank für das Gespräch!
    Zypries: Bitte sehr!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.