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Arabischer Gipfel
Ägyptens Wunsch nach einer Eingreiftruppe

Wenn die Arabische Liga am 28. März in Kairo tagt, wird auch der Kampf gegen den IS eine große Rolle spielen. Ägyptens Staatspräsident Abdel Fatah Al-Sisi wünscht sich eine militärische Eingreiftruppe - doch Kritiker vermuten dahinter eine rein sunnitische Koalition vor allem gegen den Einfluss des Irans in der Region.

Von Susanne Al-Khafif |
    Al-Sisi hält eine Rede.
    Al-Sisi fordert militärische Zusammenarbeit gegen den IS ein. (dpa / Sisi Campaign Handout)
    Es waren eindringliche Worte, die der ägyptische Staatspräsident Abdel Fatah Al-Sisi am 22. Februar fand:
    "Die arabischen Bruderstaaten haben ihr Beileid ausgesprochen. König Abdullah von Jordanien fragte, ob er Truppen schicken sollte. Er hat großartig reagiert, dafür habe ich ihm gedankt und ich möchte es hiermit wieder tun. Das gilt auch für Saudi-Arabien, die Emirate, Kuwait und Bahrein. Scheich Muhammad fragte sogar nach der genauen Truppenstärke, die nötig ist."
    Ägyptens Abdel Fatah Al-Sisi, sichtlich gerührt von der Geste der anderen arabischen Staatsoberhäupter. Kurz zuvor war ein Video publik geworden, das Erschreckendes zeigte: Die Ermordung von 21 koptischen Ägyptern, einfachen Männern, die in Libyen gearbeitet hatten. Es waren Morde, brutal inszeniert, ganz nach der perfiden Machart des IS, der Terrororganisation Islamischer Staat. Unter dem Eindruck dieser Gräuel, die die ägyptische Öffentlichkeit aufrühren, veranlasst der Präsident die Bombardierung von IS-Stellungen im Nachbarland Libyen. Und er geht noch einen Schritt weiter:
    "Eine arabische Eingreiftruppe zu schaffen, wird immer drängender. Denn die Herausforderungen, denen sich unsere Staaten stellen müssen, sind immens. Wir können sie nur gemeinsam bewältigen."
    Die Schaffung einer Eingreiftruppe ist seit November vergangen Jahres Thema in den arabischen Medien – infolge von immer mehr dschihadistischen Terrorgruppen und Terrororganisationen, die sich in Nordafrika und auf der Arabischen Halbinsel dem IS anschließen.
    Bisher wenig Greifbares
    Bisher gab es wenig Greifbares, Abdel Fattah Al-Sisi ist das erste Staatsoberhaupt, das das Unterfangen öffentlich und deutlich beim Namen nennt. Nur wenig später greift Nabil El Araby, Generalsekretär der Arabischen Liga, das Thema auf, setzt es auf die Tagesordnung des anstehenden Gipfels in Sharm El Sheich:
    "Wir brauchen dringend eine arabische Militärstreitkraft, die sich multinational aufstellt und vielen Bedürfnissen nachkommt: Sie muss schnell eingreifen, den Terroristen die Stirn bieten, sie muss friedenserhaltend sein, Rettungsmissionen ausführen und den Menschen Sicherheit bringen. Viele arabische Staaten brauchen dringend Hilfe, um Sicherheit und Stabilität wahren und Institutionen wieder aufbauen zu können."
    Der Generalsekretär der Liga will ein altes Abkommen der Gemeinschaft reaktivieren. Darin hatten sich 1950 die Unterzeichnerstaaten zum gegenseitigen militärischen Beistand verpflichtet. In diesem vertraglichen Rahmen will Araby offensichtlich auch die neue Einsatztruppe verankern. Sein Konzept wirkt indes komplexer als das, was bislang aus dem ägyptischen Präsidentenamt anklingt.
    Sameh Seif Elyazal, Militärexperte, gilt als Mann mit Insiderkenntnissen. Der ehemalige General des ägyptischen Militärgeheimdienstes ist heute Leiter des staatlichen Gomhouria Instituts, einer Denkfabrik für Sicherheitspolitik in Kairo. Elyazal unterstützt das Anliegen seines Präsidenten, hält für nötig, dass die Region selbst aktiv wird, sich die starken Staaten gemeinsam der Bedrohung stellen.
    Gemeinsame Truppe eher unrealistisch
    Der Ex-General hält für unrealistisch, dass die Arabische Liga am kommenden Wochenende mehrheitlich für die Schaffung einer gemeinsamen Truppe stimmen wird. Realistisch, meint er, sei eine andere Option:
    "Ich könnte mir vorstellen – wobei ich hier meine eigene, keineswegs die offizielle Position vertrete - ich also könnte mir vorstellen, dass Saudi-Arabien, die Emirate, Ägypten, Jordanien, vielleicht Kuwait den Anfang machen. Mit einem Hauptsitz in Kairo oder Riad, mit Bodentruppen, die jedes der Länder bereithält. Spezialeinheiten auch von der Marine und der Luftwaffe, mit einheitlicher Uniform und gleichem Barret. Jedes Land wird die Einheiten auf eigenem Territorium stationieren und nur im Bedarfsfall ausrücken, dann also, wenn ein Mitglied um Hilfe nachfragt."
    Demnach kein aufwendiges Heer, vielmehr eine flexible Truppe, die schnell und effizient zum Einsatz gebracht werden kann. Elyazal nennt ein mögliches Einsatzszenario:
    "Sollten etwa die schiitischen Houthi-Milizionäre im Jemen erneut in Saudi-Arabien einfallen - so wie sie es schon einmal getan haben und dabei viele Menschen töteten – in einem solchen Fall könnte Saudi-Arabien um Hilfe nachfragen."
    Einsatz gegen Grenzübertritte von Terroristen
    Also illegale Grenzübertritte von Terroristen oder auch Milizionären könnten den militärischen Beistand anderer Mitgliedstaaten nach sich ziehen. Der Ex-General sieht ein weiteres Szenario:
    "Es könnte sich auch um einen Einsatz im Roten Meer handeln beziehungsweise in seinem südlichen Einfallstor, das die Houthis derzeit vom Jemen aus bedrohen. Das beträfe dann die ganze Welt, denn dort verläuft die internationale Schifffahrtsroute vom Roten Meer durch den Suezkanal hinauf zum Mittelmeer. All die Öltanker, all die Containerschiffe fahren da entlang. Man stelle sich nur vor, Iran und die Houthis entschieden sich, im südlichen Einfallstor Minen zu legen, um die Schiffe zum Halten zu bringen."
    In den arabischen Medien zieht das Thema arabische Einsatztruppe auch Kritik nach sich. Politische Beobachter sprechen von der Gefahr einer weiteren Militarisierung der ohnehin militarisierten Region. Sie fragen nach der Legitimität, sie fragen nach der Legalität eines solchen Unterfangens. Und sie unterstellen, dass es lediglich um eine Koalition sunnitischer Staaten gehe, die sich gegen den schiitischen Iran in Stellung brächten.
    Der General schüttelt den Kopf. Er sieht keine Alternative: Angesichts eines blockierten UN-Sicherheitsrates, angesichts einer Supermacht USA, die eigenmächtig Luftschläge verabreiche. Die arabischen Staaten seien bereits vereinzelt militärisch aktiv, es gebe auch gemeinsame Manöver, doch letztlich reichten all die Bemühungen nicht aus, um den Zerfall der Region aufzuhalten.