Dienstag, 19. März 2024

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Aufarbeitung der Hoxha-Diktatur
Hervortreten aus dem Schatten des Kommunismus

Bis zu 10.000 Albaner starben während der kommunistischen Gewaltherrschaft von Enver Hoxhas. Verfolgt wurde jeder Dritte. Heute dürfen die Bürger nach deutschem Vorbild ihre Akten des gefürchteten Sigurimi-Geheimdienstes einsehen - immerhin 156 Anfragen haben Opfer oder ihre Angehörigen bis heute gestellt.

Von Sabine Adler | 19.08.2017
    Ein Bunker aus der Hoxha-Zeit
    Ein Bunker aus der Hoxha-Zeit (Deutschlandradio - Sabine Adler)
    Genau gegenüber dem Sitz der albanischen Regierung befindet sich die "Antikommunistische Assoziation der politisch Verfolgten". Man muss nur die Straße überqueren. Der Premierminister und die Vertreter des Opferverbandes können sich hier in der albanischen Hauptstadt Tirana jederzeit begegnen. Doch die Nähe trügt. Nebil Cika, dessen Vater unter der Diktatur Enver Hoxhas 15 Jahre in Haft saß, dessen Onkel als Volksfeind erschossen wurde, hat die Rollos vor den Fenstern heruntergezogen und erzählt vom Kampf der ehemaligen politisch Verfolgten um Entschädigung. 300.000 Personen haben Anspruch auf Kompensation. Doch die Auszahlung erfolgt schleppend. Acht Teilbeträge soll es insgesamt geben, bekommen haben die Opfer davon bisher nur zwei. Der Verbandsfunktionär Cika lässt in dem abgedunkelten Raum in wenigen Sätzen die 44 Jahre der kommunistischen Diktatur wiederaufleben. Er beschreibt das Ausmaß ihres schrecklichen Erbes.
    "Der albanische Staat erkennt rund 7.860 Todesopfer an. Aber darin sind nicht die Personen enthalten, die ohne Prozess ermordet wurden, die im Widerstandskampf gegen das Regime während der 1960er-Jahre umgebracht wurden, in den Bergen, an den Grenzen. Deswegen ist es realistischer, von 10.000 Toten zu sprechen. Und das bei einer Bevölkerungszahl von damals rund einer Million Albanern. Man kann also von einem regelrechten Massaker sprechen, wenn man sich anschaut, wie hoch der Anteil war. Der größte Schaden wurde in der Elite angerichtet. In den 1950er Jahren wurden Politiker, Geschäftsleute, Journalisten, Schriftsteller, Lehrer, Ingenieure umgebracht. Die Auslöschung der Elite war ein ungeheures Verbrechen."
    Als Kind einer Familie von Volksfeinden durfte Nebil Cika nicht den jungen Pionieren beitreten und lange nicht studieren. Sippenhaft war ein Mittel politischer Einschüchterung der kommunistischen Gewaltherrschaft, die in Albanien von 1945 bis 1990 dauerte.
    Der Innenminister der Diktatur soll jetzt Parlamentspräsident werden
    Vor der Parlamentswahl im Juni wurde den politisch Verfolgten und deren Angehörigen die Auszahlung der dritten Tranche der Entschädigung in Aussicht gestellt; sie warten noch immer darauf. Die Regierung scheint die politisch Verfolgten nicht sonderlich wichtig zu nehmen. Doch tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Die Ex-Häftlinge sind für viele Spitzenpolitiker gleichsam ihr wandelndes schlechtes Gewissen. Denn die jetzige Elite besteht aus Kindern der Täter und zum Teil sogar aus noch aus hochrangigen Funktionären der alten Diktatur, wie im Fall des Fraktionschefs der Partei der Sozialisten im Parlament. Die Rede ist von Gramoz Ruci, dessen Karriere trotz seiner dunklen Vergangenheit noch immer nicht vorbei ist, sondern – im Gegenteil – neuen Höhen entgegenstrebt.
    "Gramoz Ruci soll Parlamentspräsident werden. In das zweithöchste Amt des Staates würde damit der Mann gelangen, der während der kommunistischen Diktatur der letzte Innenminister war. Bislang ist er Parlamentsabgeordneter."
    Die alte Elite besetzt immer noch wichtige Ämter, selbst Angehörige der Geheimpolizei Sigurimi, des albanischen Pendants der DDR-Stasi, sind an wichtigen Schaltstellen der Macht zu finden. Nebil Cika vom Opfer-Verband nennt weitere Beispiele und kommt auch auf den jetzigen Premierminister Edi Rama zu sprechen, dessen Vater Teil des alten Systems war.
    "Einige ranghohe Mitarbeiter der Sigurimi und der Staatsanwaltschaft sind heute Mitglieder des Verfassungsgerichts. Es gibt so etwas wie einen Generationenkonflikt. Die Väter einiger Politiker, die heute sehr hohe Ämter bekleiden, stehen in direkter Verbindung mit den Verbrechen der Diktatur. Der Vater unseres Premierministers gehört dazu. Deswegen ist sein Sohn nicht eben erpicht darauf, über die Vergangenheit sprechen. Als Mitglied des Präsidiums der Volksversammlung zählte sein Vater zu denen, die das Todesurteil über den Poeten Avzi Nela unterschrieben haben. Kristaq Rama, der Vater unseres heutigen Ministerpräsidenten Edi Rama, war einer der sieben Unterzeichner. Er lebt nicht mehr. Aber er hat seinerzeit noch unterschrieben, dass der Dichter Nela im Stadtzentrum von Kukës gehängt werden soll, ein Jahr nach dem Ende des Kommunismus."
    Der Mutter-Teresa-Platz am Ende des "Boulevards der Helden" in Tirana wird jeden Abend zur Fußgängerzone. Studenten sitzen schwatzend auf den Treppenstufen vor der Universität, vollführen Kunststücke mit Fahrrädern, spielen mit Hunden, junge Frauen spazieren untergehakt über den weiten abgesperrten Platz. Die albanische Hauptstadt mit ihrem südländischen Charme wirkt entspannt. Der Schein trügt.
    Keine Verbindung zur alten Elite - keine Perspektive für die junge Generation
    Jonila Godole ist Publizistik-Dozentin an der Universität. Außerdem leitet sie das Institut für Demokratie, Medien und Kultur, eine zivilgesellschaftliche Organisation, die vor allem Jugendliche über die kommunistische Vergangenheit ihres Landes aufklären möchte. Sie stellt immer wieder fest, dass ihre Studenten frustriert sind und findet den Unmut der jungen Leute berechtigt, denn die alte Nomenklatura aus der Hoxha-Zeit sichert sich noch immer ihre Pfründe.
    Jonila Godole - Publizistik-Dozentin, Leiterin des Instituts für Demokratie, Medien und Kultur
    Jonila Godole - Publizistik-Dozentin, Leiterin des Instituts für Demokratie, Medien und Kultur (Deutschlandradio - Sabine Adler)
    "Natürlich ist das für die junge Generation sehr schwierig, wenn du nicht zu den alten Eliten gehörst. Wenn deine Familie nicht dazu gehörte, kannst du noch so begabt sein, du kommst nicht rein in diese Kreise, die sind geschlossen. Das wäre mal etwas für Journalisten: eine richtige Analyse. Wer sitzt heute im Parlament nach den Wahlen. Die jungen Leute - woher kommen die jungen Abgeordneten, aus welchen Familien? Welche Netzwerke sind da? Und da sieht man, dass die alten Eliten durch die neuen Familienmitglieder wieder an der Macht sind. Und wir reden nicht nur über politische Macht, es ist wirtschaftliche Macht, die dahinter steckt. Und Justiz, usw."
    Sollte im September tatsächlich Gramoz Ruci zum Parlamentspräsidenten gewählt werden, dann wäre ein Vertreter des alten Regimes Repräsentant des angeblich neuen demokratischen Albaniens. Für die ehemaligen politischen Verfolgten ein Skandal, der sie auf die Straße treibt. Sie werden dagegen protestieren, auch wenn viele zum Teil hochbetagt sind. Gezim Peshkepia ist 77 Jahre alt. Seine Familie, mütterlicher- wie väterlicherseits, gehörte Anfang des 20. Jahrhunderts zu Albaniens hochgebildeter Elite. Sein Vater wurde mehrmals verhaftet, 1951 schließlich erschossen. Die Familie wurde in Sippenhaft genommen. Seine Mutter musste mit ihm und seinen Geschwistern für mehrere Jahre in ein Straflager. Dass Gramoz Ruci vom alten kommunistischen Regime noch heute die Politik mitbestimmt, findet Gezim Peshkepia unfassbar.
    "Der Ex-Innenminister ist dafür verantwortlich, dass so viele Leute an der Grenze erschossen worden sind. Und jetzt ist er im Parlament, Vorsitzender von der Sozialistischen Parlamentarischen Gruppe."
    Der ehemalige Lehrer Gezim Peshkepia, der im Kommunismus nicht unterrichten durfte, zieht einen Vergleich mit dem Chef der DDR-Staatssicherheit Erich Mielke.
    "Kann man sich vorstellen, dass Mielke im Parlament Vorsitzender einer parlamentarischen Gruppe werden würde? Bei uns passiert das."
    Gezim Peshkepia saß als politischer Gefangener acht Jahre in Haft - hier im Gespräch mit Sabine Adler
    Gezim Peshkepia saß als politischer Gefangener acht Jahre in Haft - hier im Gespräch mit Sabine Adler (Deutschlandradio - Sabine Adler)
    Acht Jahre Gefängnis - für den Besitz verbotener Bücher
    Weil Gezim Peshkepia aus einer dem Hoxha-Regime suspekten Familie stammte, stand er unter ständiger Beobachtung und musste schließlich für den Besitz von angeblich verbotenen Büchern acht Jahre ins Gefängnis. Während des Sturzes des kommunistischen Regimes floh der Lehrer 1990 nach Deutschland, wo er mit Interesse die Prozesse gegen die Mauerschützen verfolgte. Gerichtsverfahren gegen Täter gab es auch in Albanien. Die mussten sich jedoch häufig nicht wegen Menschenrechtsverbrechen verantworten, sondern für wirtschaftliche Vergehen. Auf die eigentlichen Prozesse warten die früher politisch Verfolgten noch immer und möglicherweise vergeblich, vermutet Jonila Godole.
    "Eine erste Erklärung, die einem kommt, ist, dass Justiz und Behörden alle zusammenkommen und denen kein Recht geben, die immer die anderen waren. Die andere Erklärung ist, dass schon Anfang der 90er-Jahre ein neues Verständnis kursierte, das sagte, wir sind alle Mittäter und Opfer. Nein! Es gibt Opfer und es gibt Täter!"
    Laut einer Studie, die die parlamentarische Kommission 1998 über den Geheimdienst anfertigen lassen hat, sind fast 33 Prozent der Bevölkerung politisch verfolgt worden, jeder dritte Albaner. Um herauszufinden, wer sich unter Enver Hoxha schuldig gemacht hat, müssen die Archive zugänglich gemacht, müssen Akten studiert werden. Das Parlament stritt über 20 Jahre lang über die Schaffung einer Stasi-Unterlagen-Behörde. 2015 fiel endlich der Beschluss. Die Täter hatten alle Zeit der Welt, Dokumente beiseitezuschaffen, sie zu ihren Gunsten zu frisieren oder gegen politische Gegner einzusetzen. Das weiß auch die Chefin der neuen Behörde für die Sigurimi-Papiere. Und doch ist Gentiana Sula vorsichtig, bereits von gesäuberten Akten zu sprechen.
    "Es ist zu früh das zu sagen. Wir haben bis jetzt keine Spuren gefunden, die das zu 100 Prozent bestätigen. Wir haben unsere Arbeit ja erst vor einigen Monaten begonnen. Aber wer Wahrheit in den Akten sucht, sollte sich klarmachen, wofür diese Akten angelegt worden sind: Es ging darum, das Opfer zu beschuldigen, ganz klar."
    Nach wie vor Furcht vor einem System, dass es seit 27 Jahren nicht mehr gibt
    Gentiana Sula von der Staatssicherheits-Unterlagen-Behörde in Tirana wäre vorsichtig damit, die Wahrheit allein aufgrund der Akten herausfinden zu wollen. Ende 2016 hat sie die Leitung der Behörde und ihres 60-köpfigen Teams übernommen. Sie weiß genau, worauf sie sich einlässt.
    "Mich warnten viele Leute, dass das riskant sei. Ich sah die Angst in ihren Gesichtern. Diese Furcht, die ein System noch immer auslöst, das seit 27 Jahren vorbei ist, ist für mich das Schlimmste. Dass die Menschen noch immer nicht wissen, dass sie ein Recht auf Information haben. Sie waren soweit, aufzugeben. Wenn jetzt Interessenten bei uns die Akten einsehen wollen und sie ohne Angst anfordern, dann ist das ein Erfolg. Oder wenn jemand, wie neulich ein Schriftsteller, der hier war, erfährt, dass sein Vater absolut nichts Schlimmes getan hat und er jetzt auf ihn stolz sein kann. Und andererseits der Staatsanwalt weniger froh sein dürfte und zumindest mal über eine Entschuldigung nachdenken sollte, dann sehe ich, dass es hier Veränderungen gibt. Dass die Opfer und ihre Familien gestärkt werden."

    Als ehemalige Sozialministerin setzte sie sich für die Entschädigungszahlungen an die politischen Verfolgten ein. Unter ihrer Leitung müssen die Sigurimi-Akten jetzt digitalisiert werden. Die neue Behörde soll in ein noch zu renovierendes Gebäude umziehen, die Bildungsarbeit muss organisiert werden. Die Erwartungen sind hoch, Gentiana Sula stellt sich mutig den neuen Anforderungen. Zwar wird in Albanien immer noch Blutrache verübt, doch Todesmut bedurfte es für ihr neues Amt nicht, stellt sie klar.
    "Während der Debatten im Parlament gab es immer die Überlegung, dass der Zugang zu den Dokumenten zu Racheakten führen könnte. Aber in all den 27 Jahren seit dem Ende der Diktatur wissen die Menschen ohnehin, wer Ermittler, wer Richter, wer Polizist war und es ist kein einziger Fall von Rache bekannt geworden, weil die Betroffenen viel mehr das System hassen als einander."
    Eine erste Inventur ergab einen beeindruckenden Bestand: 30 Millionen Seiten, 212.000 Akten und 250.000 Ton-Dokumente, die die Sigurimi, die albanische Staatsicherheit, in den Zeiten ihrer 55-jährigen Herrschaft angehäuft hat. Und das ist längst nicht alles.
    "Wir vermissen Informationen über die Arbeitslager, wir können nicht sagen, dass die Unterlagen vernichtet worden sind, denn dafür haben wir bislang keine Beweise. Vielleicht liegen sie in lokalen Archiven, bei der Polizei oder den Gerichten. Das müssen wir erforschen. Wir haben kürzlich Akten aus dem Nationalarchiv bekommen, die in irgendwelchen Kisten verpackt waren, die niemand bislang erfasst hatte. Mit Akten ist man überall in Albanien nicht gerade sorgfältig umgegangen."
    Über 156 Anfragen wurden im ersten halben Jahr des Bestehens der Unterlagen-Behörde in Tirana bis jetzt gestellt. Die Opfer oder ihre Angehörigen treten aus dem Schatten heraus, berichten in den Medien über die erlebten Repressionen. Das ist neu für Albanien.
    "Personen, die ich von früher kenne, reden inzwischen über ihre Vergangenheit. Diese Geschichten sorgen sogar für Schlagzeilen. Vorher wurde Gefängnis immer mit Schuld in Verbindung gebracht. Jemand musste etwas Verbotenes getan haben oder jemand hat seine Familie nicht genug geschützt. Darüber denkt man jetzt allmählich anders."
    Simon Mirakaj kam als Kind eines sogenannten Volksfeindes ins Lager. Er misstraut der politischen Klasse zutiefst, zweifelt an ihrer Fähigkeit, sich angemessen des kommunistischen Erbes anzunehmen.
    "Um richtig mit der Geschichte umzugehen, muss man fühlen, was geschehen ist. Unsere Politiker haben kein Gefühl dafür, sie waren nicht direkt betroffen, sie waren nicht in den Lagern. Sie haben etwas darüber gelesen oder gehört, aber sie haben die Schrecken nicht selbst durchlitten. Bis heute gibt es kein Denkmal für 7000 Menschen, die hingerichtet worden sind. 4000 haben kein Grab. Wir haben keinen Ort, an dem wir einmal im Jahr unsere Blumen niederlegen könnten."
    Der 72-jährige Simon Mirakaj begrüßt die Schaffung der Sigurimi-Unterlagen-Behörde und freut sich besonders, dass von ihr die Initiative für eine Gedenkstätte in Tepelena ausgeht. In dem südalbanischen Ort Tepelena wurden Tausende Frauen und Kinder interniert, deren Ehemänner bzw. Väter als Gegner des Hoxha-Regimes galten und entweder inhaftiert oder erschossen worden waren. Mithilfe der Unterlagen-Behörde sollen dort Besucher über das ehemalige Lager informiert werden. Simon Mirakajs Mutter, er selbst und seine Geschwister gehörten zu den Insassen von Tepelena.
    "Die Sigurimi-Akten-Behörde möchte einen Wald in Tepelena anlegen, mit 300 Bäumen für die 300 Kinder, die dort gestorben sind. Es laufen Gespräche mit dem Bürgermeister von Tepelena, der einverstanden ist und hilft, nach einem geeigneten Gelände zu suchen."
    Jonila Godole vom Institut für Demokratie, Medien und Kultur findet, dass es auch in Tirana höchste Zeit für ein Denkmal für die Opfer des Kommunismus wäre. Die authentischen Erinnerungsorte verfallen, Touristen und vor allem die junge Generation Albaniens erfahren wenig über die kommunistische Vergangenheit.
    "In der Schule haben sie für 45 Jahre Diktatur nicht mal 45 Zeilen. Wir machen alles andere, aber nicht unsere Diktatur. Und wenn darüber gesprochen wird, dann über Investitionen: Straßenbau, Autostrada, die Autobahnen wie in Deutschland. Fabriken, Elektrifizierung usw. Keine Zeile über Gefängnisse, politisch Verfolgte, Frauen, Kinder, wie viele sind in den Lagern gestorben? Gar nichts. So, das heißt, in der Schule haben sie keine Ahnung. Ein bisschen Ahnung über die Diktatur haben nur die Kinder, die aus Familien kommen, in denen der Opa im Gefängnis war, der Uropa exekutiert wurde. Diese Kinder wissen natürlich etwas anderes. Und das ist in Nordalbanien, wenn man nach Shkodër geht, nach Kukës, Mirditë - das sind die leichtesten Aktivitäten für uns, weil die Kinder manchmal sogar mehr wissen als wir, weil sie die Region besser kennen als wir und dann erzählen sie, was sie und die Lehrer gemacht haben. Aber wenn wir nach Süden gehen, nach Gjirokastër, wenn wir in die Heimat von Enver Hoxha kommen, da gehen sie aus dem Saal raus, dann schreien sie. So ist das hier."
    Im Hoxha-Bunker wollte sich die Regierung samt ihrer Familien im Falle eines Angriffs in Sicherheit bringen. Das Gebäude, das sich über vier Etagen unter Tage erstreckt, wird heute für die Kommunismus-Ausstellung "Bunk Art 2"genutzt.
    Im Hoxha-Bunker wollte sich die Regierung samt ihrer Familien im Falle eines Angriffs in Sicherheit bringen. Das Gebäude, das sich über vier Etagen unter Tage erstreckt, wird heute für die Kommunismus-Ausstellung "Bunk Art 2"genutzt. (Deutschlandradio - Sabine Adler)
    Aufarbeitung nach deutschem Vorbild
    Die Bundesstiftung für die Aufarbeitung der SED-Diktatur stand Pate bei der Gründung der Sigurimi-Unterlagen-Behörde. Dass die mit ihrer Arbeit erst 26 Jahre nach dem Ende des albanischen Kommunismus begonnen hat, ist zwar spät, andererseits könne sich Albanien nicht an Deutschland messen, sagt die engagierte Aktivistin, deren Organisation sich nach Kräften um Aufarbeitung bemüht.
    "Meine Gegenfrage wäre: Was wäre, wenn die DDR selber ohne den Rechtsstaat und das andere demokratische Deutschland gewesen wäre? Ich bin skeptisch, ob sie tatsächlich die Aufklärung so zack, zack, zack gemacht hätte, wenn da nicht das andere demokratische Deutschland gewesen wäre. Das haben wir nicht. Wie sollen wir das machen? Sollen sich die Täter, die an der Macht sind, selber ins Gefängnis stecken? Es ist überhaupt nicht mit Deutschland zu vergleichen, weil die DDR nicht alleine auf die Beine kam, sondern gezwungen worden ist."
    Gentiana Sula ermutigt die Albaner, in ihrer neugeschaffenen Behörde Einsicht in die Stasi-Akten zu nehmen. Sie fordert die Journalisten auf, künftig Kandidaten, die sich um hohe Ämter bewerben oder bei Wahlen antreten, auf ihre Vergangenheit hin zu durchleuchten. Politische Schlussfolgerungen lehnt sie allerdings ab. Dies sei nicht Sache der Behörde.
    "Das entscheidet die Gesellschaft. Wir hier sind nur das Archiv. Wir informieren die Öffentlichkeit und die Institutionen und was die damit machen, ist ihre Entscheidung. Es geht um Transparenz und um Wahrheit. Natürlich tut es mir leid, wenn wir herausfinden, dass Leute Täter waren. Wir prüfen solche Informationen in einem fünfköpfigen Gremium. Aber es hängt von der Gesellschaft ab, wie sie mit diesen Personen dann weiter verfährt. Sie entscheidet."
    Das Erbe der Vergangenheit lastet schwer auf dem einst streng abgeschotteten Land. Der Wunsch, sich ihm endlich zu stellen, ist in Albanien unübersehbar.