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Ausbildung
Dänemark will weniger Studenten

Eine Reform soll die Berufsschulen attraktiver machen. Gleichzeitig baut Dänemark ganz bewusst Studienplätze ab. Denn die Arbeitslosenquote unter Hochschulabsolventen ist hoch. Kritiker sehen in den Neuerungen allerdings keine Lösung.

Von Miriam Arndts |
    Die dänische Nationalflagge weht am 19.04.2014 in Kopenhagen, Dänemark im Wind.
    Die dänische Nationalflagge weht am 19.04.2014 in Kopenhagen, Dänemark im Wind. (dpa / picture-alliance / ZB)
    Sune Grip ist Mitte 30, drahtig und trägt eine mit Malerfarbe befleckte Cargohose. Er steht in der Küche einer Kopenhagener Altbauwohnung und verrührt in einem Eimer Sand, Zement und Wasser.
    "Wenn ich hier stehe und Mörtel anrühre und Wände spachtle, denke ich mir schon manchmal, dass ich sehr viel Zeit und Energie auf meine akademische Ausbildung verwandt habe und heute nur einen Bruchteil davon benutze."
    Sune Grip hat einen Master in Unternehmensstudien, Kultur und Erlebnisökonomie. Er träumt davon, in der Kulturverwaltung einer Stadt oder in der Leitung eines Musikfestivals zu arbeiten. Nach seinem Abschluss vor zweieinhalb Jahren hat Sune über 100 Bewerbungen geschrieben, unbezahlte Praktika gemacht und ist zu ein paar wenigen Bewerbungsgesprächen eingeladen worden. Zu einer Anstellung hat nichts davon geführt. Er hofft zwar weiterhin, in seinem Fachgebiet Fuß zu fassen, doch um nicht mehr vom Arbeitslosengeld abhängig zu sein, hat er angefangen, zusammen mit einem Freund Wohnungen zu renovieren. Nebenbei kellnert er in einer Bar.
    "Das Anfangsgehalt eines Akademikers ist viel höher als das, was ich als ungelernter Arbeiter verdiene. Das ist natürlich extrem nervig und auch Energieverschwendung."
    Hohe Arbeitslosigkeit bei Hochschulabsolventen
    In Dänemark ist jeder dritte Hochschulabsolvent ein halbes Jahr nach seinem Abschluss arbeitslos. Auch ein Jahr nach Studienende haben noch knapp 30 Prozent der Akademiker keine Stellung gefunden. Deshalb hat die dänische Regierung beschlossen, die Zahl der Studienanfänger im Laufe der kommenden vier Jahre um sechs Prozent zu reduzieren, und in den darauffolgenden drei Jahren die der Masterstudenten. So gibt es zum Semesterstart Ende August an dänischen Hochschulen knapp 900 Studienplätze weniger.
    Gleichzeitig tritt nach den Sommerferien eine Reform der Berufsschulen in Kraft. In Dänemark besuchen alle Schüler eine Art Gesamtschule bis zur 9. oder 10. Klasse. Danach gibt es grob gesagt zwei Möglichkeiten: das Gymnasium oder die Berufsschule samt Ausbildung. Knapp 80 Prozent aller Schüler entscheiden sich derzeit für das Gymnasium. Ziel der Reform ist es, die Berufsschulen für Schulabgänger attraktiver zu machen.
    "Im Grunde signalisiert die Reform, dass die Berufsschule ein Ort ist für diejenigen, die können und wollen. Wir sind nicht elitär geworden, aber man muss schon lesen und rechnen können, wenn man bei uns anfangen möchte."
    Lone Hansen, Rektorin der zweitgrößten Berufsschule Dänemarks, TEC, ist bedingungslos einverstanden mit der Neuregelung der Ausbildung. Um an ihrer Schule angenommen zu werden, müssen Schüler jetzt Mathematik und Dänisch bestanden haben; zuvor gab es keine Zugangsvoraussetzungen an Berufsschulen. Auch gibt es keine Zeit mehr für Bummler. Der Grundkurs am Anfang der Ausbildung muss innerhalb von sechs Monaten geschafft werden; früher hatten schwächere Schüler dafür bis zu einem Jahr Zeit. Eine "Talentspur" soll außerdem besonders begabte Schüler fordern:
    "Es herrschte lange Zeit die Vorstellung, dass die Berufsschulen nicht anspruchsvoll genug sind. Die Auffassung, dass man an die Berufsschule ging, wenn man nicht wusste, was man sonst machen sollte oder eben nicht die Voraussetzungen hatte, etwas anderes zu machen. Nach dem Motto: Die Berufsschule ist für die, die nichts draufhaben."
    Studienplätze werden gekürzt
    Eine höhere Zahl an Berufsschülern und Auszubildenden und eine niedrigere Zahl an Gymnasiasten sollen nach Plan des dänischen Unterrichts- und Forschungsministeriums dann auch zu einer geringeren Zahl an Studienanfängern und somit zu weniger arbeitslosen Akademikern führen.
    Doch bevor der Effekt der Berufsschulreform eintreten kann, werden schon zum kommenden Semesterstart weniger Studenten an dänischen Hochschulen zugelassen. Besonders bei den humanistischen Fächern wird gekürzt, bei denen überdurchschnittlich viele Absolventen arbeitslos bleiben. Susan Wright, Professorin für Bildungsanthropologie an der Aarhus Universität, meint nicht, dass die neue Reform am richtigen Punkt angreift.
    "Ich bezweifle, dass es in Dänemark zu viele Akademiker gibt. Von den Studenten wird verlangt, ihr Studium so schnell wie möglich zu durchlaufen und auf den Arbeitsmarkt zu kommen. Und nicht mehr, um die Welt zu reisen, wofür dänische Studenten immer sehr bekannt waren. Und nicht mehr eine Menge Erfahrungen sammeln durch freiwillige Arbeit und Nebenjobs. Die Arbeitslosigkeit unter Humanisten hat etwas zu tun mit der Verarmung der humanistischen Fächer an den dänischen Universitäten. Der Fokus liegt darauf, die Studenten auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten, ohne ihnen Zeit und Raum zu geben A) sich wirklich in ihr Fach zu vertiefen, sodass sie ihr Wissen kreativ nutzen können und B) ihre Studienzeit selbst zu bestimmen, sodass sie ihre eigenen Erfahrungen sammeln können."
    Auch Susan Wright wird zum Semesterstart weniger Studenten an ihrem Institut begrüßen. Vor dem Hintergrund der Situation in ihrem Heimatland Großbritannien, wo ein noch viel höherer Anteil an Schulabgängern an die Unis strebt, hält sie die dänische Debatte um zu viele Akademiker und zu wenige Berufsschüler für übetrieben.
    "Ich sehe kein schwerwiegendes Problem in Dänemark. Die technischen und praktischen Berufsausbildungen haben in Dänemark und Deutschland überlebt. Und es geht dem ganzen Sektor viel besser als zum Beispiel in England. Es ist wichtig, das Handwerk zu beschützen, dem stimme zu. Aber ich glaube nicht, dass es kurz davor ist, völlig zu verschwinden."