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Luftreinhaltung
"Wir brauchen finanzielle Hilfen"

Der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) hat im Dlf mehr Innovationsbereitschaft im Bereich der Mobilität gefordert. Es fehle der Mut zum technologischen Quantensprung. Viele Kommunen seien bereit, den ÖPNV umweltfreundlich umzugestalten, bräuchten dafür aber finanzielle Hilfen des Bundes.

Michael Ebling im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Das Bild zeigt Michael Ebling, Oberbürgermeister von Mainz (SPD) vor einem roten Hintergrund file_source: imago stock&people
    Der Wille der Kommunen zur Umrüstung des ÖPNV auf umweltfreundliche Technologien sei da, man brauche aber Geld vom Bund dafür, sagte der Mainzer OB Michael Ebling im Dlf (imago stock&people)
    Jasper Barenberg: Die Zeit drängt. Da waren sich alle einig, die gestern im Kanzleramt in Berlin zusammensaßen: Vertreter von Ländern und Städten, die schon bald von Gerichten gezwungen sein könnten, Fahrverbote für Diesel zu verhängen, weil die Belastung durch gesundheitsschädliche Stickoxide beispielsweise schon seit Jahren die Grenzwerte erheblich überschreiten. Doppelt so viel Geld sollen betroffene Städte und Gemeinden jetzt vom Bund bekommen, um die Mobilität der Zukunft zu organisieren, und dabei geht es um weit mehr als um den Umgang mit Diesel-Autos.
    Mitgehört hat der SPD-Politiker Michael Ebling, der Oberbürgermeister von Mainz. Schönen guten Morgen!
    Michael Ebling: Hallo! Guten Morgen.
    Barenberg: Ich greife mal die Frage meiner Kollegin auf. Lässt sich saubere Luft kaufen?
    Ebling: Nein. Kaufen lässt sich Luft nicht. Luft ist frei zum Glück und lässt sich auch mit Geld nicht bestechen. Aber was wir natürlich machen können, und ich glaube, das machen alle engagierten Kolleginnen und Kollegen in allen Städten in Deutschland: Für uns ist die Luftqualität ein wichtiges Thema. Wir wollen die Gesundheit der Menschen schützen. Und wir sind ja auch Träger für den ÖPNV zum Beispiel. Wir bauen Busse, wir bauen Bahnen aus, diese Nahverkehrsangebote, kombiniert mit natürlich auch den Fragen wie Fahrrad-Verleihsysteme oder Carsharing-Angebote. Das sind Fragen, die in allen Kommunen auf der Tagesordnung stehen. Das heißt, wir setzen schon auf Veränderung der Verkehre, auf mehr Mobilität, auf ökologischere Mobilität, und das ist schon ein wesentlicher Beitrag für das Thema Luft.
    "Wir könnten mit Geld schnell in eine Umrüstung gehen"
    Barenberg: Die Frage der Kollegin zielte ja ein wenig in eine andere Richtung, denn die Summe von einer Milliarde Euro, die jetzt im Raum steht und von der die Autohersteller einen kleinen Teil zumindest übernehmen, die klingt ja zunächst mal beeindruckend. Aber Kritiker sagen ja, das Geld verringert die Stickoxide auf kurze Sicht um kein einzelnes Gramm. Stimmt das?
    Ebling: Das glaube ich so nicht. Es ist die Frage, wie wir es einsetzen. Wir hatten auch gestern als Deutscher Städtetag- und das gilt gleichermaßen für den Verband der Kommunalen Unternehmen - eine klare Aussage getroffen. Wir haben in den Städten zum Beispiel noch zu viele Diesel-Busse fahren, auch mit den nicht, sage ich mal, technisch möglichen Grenzwerten. Wir könnten mit Geld schnell in eine Umrüstung gehen. Das wird spürbar in vielen Städten das Thema Luftreinhaltung schon verbessern.
    Wir wollen aber gleichzeitig einen zweiten Schritt. Wir wollen, weil wir gerade merken – das ist in Ihrem Beitrag auch, finde ich, gut angesprochen worden -, dass der Markt im Moment uns noch gar nicht das abwirft, was wir gerne vor Ort hätten, zum Beispiel alternative Antriebstechnologien. Das ist nicht nur Elektromobilität; das kann auch ein Brennstoffzellen-Bus sein, das kann Wasserstoff, das kann Gas sein. Überall wird experimentiert.
    Ich glaube, wir brauchen in dem Sinne viel Geld, um auch einen Innovationsschub auszulösen, und deswegen hat gerade der Verband Kommunaler Unternehmen – das sind die deutschen Stadtwerke und damit hauptsächlich die Mobilitätsträger in Deutschland – gesagt, 10.000 Busse, das müsste etwas sein, was auch einen Innovationsschub in der Industrie auslöst.
    "Das war fast ein bisschen albern"
    Barenberg: Jetzt klingt das alles sehr positiv in Ihren Worten. Sie haben aber einer Nachrichtenagentur auch gesagt, dass das wenig konkrete Ergebnisse waren gestern und dass Sie Sorge haben, dass die Zeit davonläuft.
    Ebling: Ja, das ist schon ein bisschen die Sorge. Das Treffen war gut, ich will das nicht kleinreden. Es ist auch gut, wenn die Bundesrepublik, in dem Fall die Bundesregierung sagt, wir erhöhen die Mittel. Was nicht gut war, ist, dass wir ein bisschen den Eindruck hatten, dass die Bundesregierung ein bisschen mit den Städten so geredet hat, als müsste jetzt die Bundesregierung den Städten sagen, jetzt macht mal Luftreinhaltepläne oder so was in der Richtung. Das war fast ein bisschen albern, denn jede Stadt hat alleine schon durch gesetzliche Verpflichtungen, aber auch, weil die Kommunalen das wollen und weil unsere Stadträtinnen und Stadträte so was wollen, natürlich Luftreinhaltepläne, Klimaschutzpläne, Elektromobilitätsideen zum Ausbau. Die heißen in der einen Stadt so, die heißen in einer anderen Stadt so, die Pläne. Aber im Kern geht es immer darum, wie bringen wir den ÖPNV besser an die Menschen, wie bringen wir die Fahrzeuge, die im ÖPNV sind, mit besseren ökologischen Grenzwerten zusammen.
    Das liegt da! Nur was wir brauchen sind finanzielle Hilfen und ich hätte mir gestern gewünscht, dass man gesagt hätte, die Bundesregierung erhöht die Mittel, wir haben ein Leitprogramm, in den nächsten vier Wochen könnt ihr das und das beantragen. Dann wären wir in den nächsten vier Wochen schon weiter. Jetzt haben wir uns erst mal auf acht Wochen vertagt, Ende Oktober, so die Bundeskanzlerin, um uns erneut zu treffen und dann über Konkretes zu reden. Da hat man schon ein bisschen den Eindruck, die Zeit drückt uns Kommunen ganz schön. Das hätte nicht sein müssen.
    Barenberg: Wenn Sie sagen, dass das Geld, was jetzt fließen soll, in vier, acht Wochen oder wann auch immer, dann in den nächsten Monaten auch Mainz helfen wird – was kann denn Mainz, was können Sie in Ihrer Stadt bewegen, damit die Werte der Stickoxide beispielsweise rasch sinken?
    Ebling: Zum Beispiel Umrüstung der jetzt noch vorhandenen Diesel-Busse auf eine vernünftige Norm. Das geht teilweise hinein auch in die kommunalen Fuhrparks. Das ist nicht zu unterschätzen für viele Städte – aus dem einfachen Grund, weil die Busse natürlich den ganzen Tag auf der Piste sind und insbesondere in den innerstädtischen Zentren auf der Piste sind. Logischerweise sind dort die Grenzwerte auch am deutlichsten oft überschritten bei den belasteten Städten.
    "Diese Investition ist wahnsinnig teuer"
    Barenberg: Aber da hat doch der Oberbürgermeister von Stuttgart gerade gesagt, es gibt gar keine E-Busse im Angebot.
    Ebling: Ja! Zunächst einmal ging es mir gerade um die Umrüstung der bestehenden Diesel-Busse auf höhere Normen. Das senkt natürlich. Das Zweite ist, dass wir in die Situation versetzt werden, nicht nur E-Busse, sondern Brennstoffzellen-Busse oder Gas-Busse oder Wasserstoff-Busse auf die Piste zu bringen. Wir tun das gerade. Wir haben mit Frankfurt, mit Wiesbaden und Mainz zusammen ein Modell, um Wasserstoff-Busse zum Fahren zu bringen. Nur diese Investition ist wahnsinnig teuer. Ein einzelner Bus kostet fast eine Million, weil das noch so eine Mischung ist zwischen, na ja, sage ich mal, Feldversuch und Forschung. Das Risiko – und darum geht es ja bei diesem Geld, das auch der Bund zur Verfügung stellen muss -, das Risiko muss man abfedern. Das kann man nicht auf die Kommunen abtreten. Denn wir wissen nicht, wie die Antriebstechnologie in fünf Jahren aussieht, wie sie in sechs Jahren aussieht. Das heißt, das ist schon ein wirtschaftliches Risiko, und da bedarf es dann auch der Mitfinanzierung des Bundes, um nicht am Ende das Risiko bei den ÖPNV-Unternehmen zu belassen. Denn wenn was schiefgeht in fünf, sechs Jahren, dann würden das am Ende die Leute mit dem Fahrpreis bezahlen.
    Barenberg: Es gibt ja den Vergleich mit anderen großen Städten auch jenseits von Deutschland, und da lese ich zum Beispiel, dass Oslo etwa bis 2027 sechs Milliarden Euro einplant für die mobile Stadt der Zukunft, wo auch all das beinhaltet ist, was Sie gerade angesprochen haben: Fahrrad-Verleih, Carsharing, bessere Verkehrsleitsysteme, und was es da alles gibt. Über wie viel Geld reden wir, das notwendig wäre, um diese Entwicklung jetzt tatsächlich wie notwendig zu forcieren?
    Ebling: Na ja. Das Beispiel Oslo macht natürlich schon deutlich, dass wir hier in Deutschland über noch viel zu kleine Beträge reden. Es ist schwer, jetzt zu sagen, es braucht so und so viele Milliarden. Das sind auch Hochrechnungen, die am Ende vielleicht irgendwo politisch gut klingen. Ob sie realistisch sind, das weiß ich nicht. Was wir sicherlich brauchen ist, wenn wir einen Schub haben wollen für alternative Antriebstechnologien – ich sage ausdrücklich nicht nur E-Mobilität; noch mal: Das können Brennstoffzellen-Busse sein, das kann Wasserstoff-Antrieb sein, das kann ein Gas-Bus sein -, dass wir dort einen Innovationsschub brauchen.
    Unser Gedanke auch als Verband und auch als Kommunen insgesamt ist, dass wir dort einen Anstoß bekommen für die deutsche Leitindustrie, indem zum Beispiel der Bund sagen würde, 10.000 Busse, dafür stehen wir gerade. Das kann etwas auslösen.
    Ich frage mich nämlich bei so etwas nicht nur, wenn ich von Oslo höre, wie viel Geld haben die. Ich frage mich, warum wir in Deutschland hasenherzig sagen, diese Technologie gibt es ja noch gar nicht, aber 1.500 Kilometer weiter in Europa scheint man sie ja zu besitzen, sonst würde man solche Programme nicht auflegen.
    Irgendwo, finde ich, ist scheinbar der Schutzinstinkt vor der deutschen Automobil- und um nicht zu sagen Diesel-Industrie so stark, dass man manchmal auch nicht den Mut hat zu sagen, wir schaffen auch einen Quantensprung in den Antriebstechnologien der Zukunft. Das ist gut für den Industriestandort und am besten ist es, es ist gut für die saubere Luft und die Menschen vor Ort.
    Barenberg: Wo Sie von der Hasenfüßigkeit gegenüber der Autoindustrie sprechen – fordern Sie auch wie andere, dass die Autoindustrie selbstverständlich auch bei der Hardware nachrüsten muss auf eigene Kosten?
    Ebling: Ich fordere das insofern, weil im Interesse einer sauberen Luft man es fordern muss aus meiner Sicht. Es kann doch nicht sein, dass vereinbart wird, es wird an der Software umgerüstet. Wenige Tage später sagt das Umweltbundesamt, das bringt gar nicht die Effekte, die wir brauchen. Dann finde ich schon, noch sind wir nicht im Zeitalter US-amerikanischer Fake News, sondern wir sollten uns an naturwissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren.
    Wenn eine Umrüstung hardwaremäßig erst etwas bringt, dann muss die Umrüstung hardwaremäßig erfolgen. Und verursacht hat es nicht der Verbraucher oder die Verbraucherin, die sich einen Diesel gekauft haben, sondern die deutsche Diesel-Industrie, und dann sollen die sich mal mächtig anstrengen. In den USA zahlen die Strafen im dreistelligen Millionenbereich und bei uns gibt es, ich sage es jetzt mal, ein bisschen Geld für einen Fonds vor Ort. Ich finde, die Diskrepanz schreit zum Himmel.
    "Wir wollen alle Fahrverbote verhindern"
    Barenberg: Ein letztes Thema wollte ich mit Ihnen noch gerne ansprechen, Herr Ebling. Blaue Plaketten könnten dafür sorgen, dass man schmutzige von sauberen Diesel-Fahrzeugen unterscheiden kann. Winfried Kretschmann, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, fordert das dringend kurzfristig mit Blick auf das Problem der möglichen Fahrverbote. Sigmar Gabriel haben wir gerade im Beitrag gehört. Der hat gesagt, damit wird kein Problem gelöst. Auf welcher Seite stehen Sie da?
    Ebling: Ich sage mal salopp, Sigmar Gabriel hat recht. Es wird wirklich kein Problem gelöst. Wenn Sie mich so fragen, auf welcher Seite stehen Sie da – die blaue Plakette, das ist ein bisschen eine Geisterdebatte. Wir wollen alle Fahrverbote verhindern. Das hat gestern die Bundesregierung betont, das betonen die Länder, das betont jede einzelne Kommune. Wir wollen die Luft sauber halten. Wir wollen nicht dazu kommen, dass wir irgendwo Einschränkungen haben in der Mobilität vor Ort. Für die Kommunen wäre ein Fahrverbot so was wie den Stecker ziehen. Alleine in Mainz sind ein Drittel der Fahrzeuge nicht nur Diesel betrieben, sondern würden unter die Normen fallen. Das würde ja das städtische Leben, ich sage jetzt mal, massivst behindern. Das kann doch niemand wollen.
    "Wir brauchen die Hilfe von außen"
    Barenberg: An der Stelle muss der Gesundheitsschutz dann doch ein bisschen zurückstecken?
    Ebling: Nein, da muss nicht der Gesundheitsschutz zurückstecken. Wir müssen uns dafür anstrengen, dass wir auf vernünftige Werte kommen. Dazu brauchen wir die Industrie, dazu brauchen wir Fördermittel des Bundes ganz erheblich. Der Wille der Kommunen ist da. Wir haben vor Ort weder den Diesel-Kunden geschubst, noch haben wir irgendwie sonst was angestellt, sondern wir sind in der Lage, als lokale Manager, will ich mal sagen, des Verkehrs das schon hinzubekommen. Aber wir brauchen die Hilfe von außen. Und die blaue Plakette, das ist jetzt die Frage. Wenn es denn kommt, wie will ich es ordnen. Ich würde mal auf der ersten Ebene bleiben: Wir verhindern, dass es Fahrverbote gibt, und dann brauche ich die Debatte um die blaue Plakette wirklich nicht.
    Barenberg: ... sagt Michael Ebling, SPD-Politiker, Oberbürgermeister von Mainz, außerdem der Vorsitzende des Verbandes Kommunaler Unternehmen. Danke für das Gespräch heute Morgen, Herr Ebling.
    Ebling: Danke Ihnen! Alles Gute!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.