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Ausstieg in Etappen

Grüne und Verbraucherschützer kritisieren, die Regierung trotz des geplanten Ausstiegs aus der Atomkraft zu wenig ehrgeizig beim Ausbau regenerativer Energien. Öl- oder Gaskraftwerke seien kein guter Ersatz für die Kernkraft.

Von Gerhard Schröder | 30.05.2011
    Es ist ein Ausstieg in mehreren Etappen mit dem Enddatum 2022. Dann sollen die letzten deutschen Atommeiler stillgelegt werden. Darauf hat sich die schwarz-gelbe Koalition in der vergangenen Nacht verständigt. Danach sollen die acht derzeit abgeschalteten Atomkraftwerke nicht wieder in Betrieb gehen, sie werden endgültig stillgelegt. Ein Meiler soll allerdings zwei Jahre lang im Standby-Betrieb gehalten werden. Falls Stromengpässe auftreten, soll er schnell wieder angefahren werden können. Sechs weitere Kraftwerke sollen 2021 vom Netz gehen. Die verbleibenden drei Kraftwerke will die Regierung als Sicherheitspuffer notfalls ein Jahr länger laufen lassen. Umweltminister Norbert Röttgen zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis, das sich weitgehend an den Empfehlungen der Ethikkommission orientiert. Die Eckpunkte, die das Gremium am Vormittag vorlegte, waren schon am Wochenende weitgehend bekannt geworden.

    "Insgesamt ist das dann eine Strommenge, die einer Laufzeit von 32 Jahren entspricht und die in der verbleibenden Zeit des verbleibenden Jahrzehntes, um das es sich ja handelt, auch in Orientierung gerade an dem Votum der Ethikkommission dann zu nutzen sind. Aber definitiv und das späteste Ende für die letzten drei ist dann 2022."

    Bundeskanzlerin Angela Merkel will die Opposition beim Atomausstieg mit ins Boot holen. Gestern Abend hatte sie die Spitzen von SPD und Grünen über die Ergebnisse informiert. Jürgen Trittin, der Fraktionschef der Grünen, sprach von einem Schritt in die richtige Richtung. Er kritisierte aber, die Regierung habe sich Hintertüren offen gelassen, um einige Atomkraftwerke nicht endgültig vom Netz nehmen zu müssen:

    "Und beinhaltet nach wie vor in einem bisher nicht überprüfbaren Maße die Möglichkeit, übertragene Strommengen oder Strommengen von einem Atomkraftwerk aufs andere zu übertragen und auf diese Weise Verlängerungen einzubauen."

    "Wir werden uns genau anschauen, was am Ende in dem Gesetz stehen wird", sagte Trittin. Auch Gerd Billen, der Präsident der Verbraucherzentrale Bundesverband, begrüßte die Entscheidung der Koalition im Grundsatz, hätte sich aber mehr Ehrgeiz beim Ausstieg gewünscht:

    "Man kann den Ausstieg schneller machen, das Umweltbundesamt hat dazu ja entsprechende Szenarien durchgespielt, wenn der Ausbau neuer Gaskraftwerke, die Verbesserung der Netze in den nächsten Jahren zügig erfolgen."

    Im Jahr 2018 will die Bundesregierung überprüfen, ob ein kompletter Ausstieg schon 2021 möglich ist, oder ob eine atomare Reserve noch bis 2022 vorgehalten werden soll. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle verteidigte diesen Vorbehalt mit Berechnungen der Bundesnetzagentur:

    "Von der Netzstabilität her haben wir es für richtig gehalten, die drei modernsten ein Stückchen länger dabei zu haben, denn wir haben ja am Freitag im Bericht der Netzagentur, die für die Netzstabilität zuständig ist, bekommen, dass wir ein Stück mehr Reserve brauchen, auch jetzt kurzfristig, deshalb ja die Möglichkeit, eines für zwei Winterhalbjahre dann hochfahren zu können."

    Die Regierung sei beim Ausbau der regenerativen Energien zu wenig ehrgeizig, kritisierten Verbraucherschützer und Grüne. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle hatte betont, jetzt müssten schnell auch neue Öl- oder Gaskraftwerke gebaut werden, um die Stromlücke zu decken, die durch den Ausstieg aus der Atomenergie entstehe. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sieht das anders:

    "Das wäre dann der Ersatz von Atom durch Kohle, und es gibt keinerlei Bemühungen anzusetzen, das Ausbauziel für erneuerbare Energien auszuweiten. Das ist mit 35 Prozent noch genau da, wo es auch zu Zeiten der Laufzeitverlängerung war."

    Festhalten will die Bundesregierung an der zu Jahresbeginn eingeführten Brennelementesteuer. Zuletzt hatte es Spekulationen gegeben, die Koalition werde darauf ganz verzichten, um den Energiekonzernen entgegenzukommen. Unklar ist dagegen die Zukunft der Endlagerung. Der Vorsitzende der Ethikkommission, Klaus Töpfer, sprach sich für eine rückholbare Lagerung der Brennelemente aus, damit sie zu einem späteren Zeitpunkt weiter behandelt werden könnten.