Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Autofreie Städte
Leiser, sauberer, sicherer

Das Umweltbundesamt schlägt in seinem Papier "Die Stadt von morgen" vor, den Autoverkehr auf ein Drittel zu reduzieren. Autofreie Stadtteile könnten ein Weg dahin sein. Mancherorts sind sie bereits erprobte Realität, weitere Konzepte liegen vor. An Zuspruch mangelt es nicht - bisher aber noch an Investitionen.

Von Benjamin Junghans | 25.08.2017
    Fahrradfahrer fahren am 05.06.2016 in Berlin bei der 40. Fahrrad-Sternfahrt. Foto: Maurizio Gambarini/dpa (zu dpa «Tausende Radfahrer auf Sternfahrt durch Berlin» vom 05.06.2016) | Verwendung weltweit
    "Fuß- und Radverkehr führen auch zu weniger Verkehrsunfällen", sagt Frederic Rudolph vom Wuppertalinstitut für Energie-, Umwelt- und Klimapolitik (dpa)
    "So, und das hier ist die Station, wo alles Mögliche ist, Transportkarren verschiedener Größe für verschiedene Funktionen zum Ausleihen, wenn man mit Cambio was Großes eingekauft hat, muss man das natürlich zum Haus bringen, und dafür sind dann diese Karren da."

    Anne Grose präsentiert einen Abstellraum für verschiedene Karren und Anhänger. Sie ist eine von etwa 1.000 Einwohnerinnen im Stellwerk 60 - einer autofreien Siedlung im Kölner Stadtteil Nippes. Hier wird weitgehend auf einen eigenen PKW verzichtet.
    "Ja, man hat kein Auto vor der Tür stehen. Das ist eigentlich ganz schön, weil, es ist sehr ruhig und man kann sich gut bewegen."
    Am Rand der Siedlung gibt es kostenpflichtige Autostellplätze für 20 Prozent der Bewohner. Das wichtigste Verkehrsmittel ist für die meisten hier das Fahrrad. So hat auch jedes Haus eine Fahrradtiefgarage.
    Mobilitätswende findet wachsenden Zuspruch
    Konzepte für autofreie Stadtteile entwickeln sich auch andernorts. Frederic Rudolph arbeitet am Wuppertalinstitut für Energie-, Umwelt- und Klimapolitik zur Mobilitätswende. Ein aktuelles Impulspapier des Instituts schlägt vor, den Stadtteil Wuppertal-Elberfeld bis 2030 autofrei zu gestalten. Hier leben knapp 40.000 Menschen.
    "In der Stadt gibt es viele kurze Wege. Es kann viel zu Fuß gemacht werden, mit dem Fahrrad, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Und das macht meines Erachtens eine Stadt lebenswert. Das macht sie leise, das macht sie sauber und das macht sie dann eben auch klimafreundlich. Fuß- und Radverkehr führen auch zu weniger Verkehrsunfällen. Also es gibt viele verschiedene Ziele, die man durch eine autofreie Innenstadt einfach erreichen kann."
    Eine Mobilitätswende findet auch bei einem wachsenden Teil der deutschen Bevölkerung Anklang. 79 Prozent der Befragten einer repräsentativen Umfrage des Bundesumweltministeriums wünschen sich eine Stadtentwicklung, die Alternativen zum Auto stärkt. Das Umweltbundesamt schlägt in seinem Papier "Die Stadt von morgen" vor, den Autoverkehr auf ein Drittel zu reduzieren.
    Fehlende Investitionen im öffentlichen Nahverkehr
    Möglich wird das allerdings nur, wenn die Umweltmobilität ausgebaut wird. Das hätte deutliche Umstellungen zur Folge - und auch hohe Kosten. Andreas Wolter, Vorsitzender des Verkehrsausschusses der Stadt Köln:
    "Da sind die Töpfe einfach mehrfach überbucht. Das heißt, es dauert viele viele Jahre. Zum Beispiel für die großen Infrastrukturprojekte im ÖPNV gibt der Bund jedes Jahr 340 Millionen in etwa. Die Anforderung aus den Städten und Gemeinden liegen zur Zeit bei etwa sieben Milliarden Euro."
    Es fehlt also an Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr. Stattdessen räumt die Politik derzeit eher dem PKW-Verkehr finanzielle Vorzüge ein, argumentiert Frederic Rudolph vom Wuppertalinstitut für Energie-, Umwelt- und Klimapolitik. So werden die gesundheitlichen Folgekosten von Lärm und Luftverschmutzung ebenso wenig auf den Benzinpreis angerechnet wie die gesamtgesellschaftlichen Folgekosten des Klimawandels.
    "Ich glaube, dass tatsächlich die Frage der Finanzierung brennt. Der ÖPNV ist momentan nicht kostendeckend und da muss man was tun. Und gleichzeitig muss man auch die Kostenwahrheit einführen beim PKW. Beziehungsweise deutlich machen, dass es teurer ist für die Gesellschaft, und diese Kosten dann auch auf den Nutzer umwälzen."
    Bereitschaft zu Veränderungen steigt
    Weniger Autos in den Innenstädten bedeuten nicht nur eine erhebliche Veränderung der Lebensgewohnheiten vieler Menschen, sondern zunächst einmal auch große Investitionen. Die Bereitschaft, etwas zu verändern, steigt in der Bevölkerung, meint Andreas Wolter, Vorsitzender des Verkehrsausschusses der Stadt Köln:
    "Die Bürger fordern mehr Umweltmobilität. Die Erfahrung aus anderen Städten zum Beispiel unserer Partnerstadt Rotterdam, die da also schon viel gemacht haben, die haben gesagt: Wir haben uns eine Straße vorgeknöpft, haben die umgestaltet, und die Leute waren nachher alle zufrieden und dann kamen schon die nächsten Straßen und haben dann gesagt, dann macht das jetzt bitte bei uns auch."