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Belgien
Diskussion über Militäreinsatz im Inneren

Von Thomas Otto | 20.01.2015
    Ein Polizist bewacht in Verviers die Straße, in der bei einem Anti-Terror-Einsatz zwei Verdächtige getötet wurden.
    Ein Polizist bewacht in Verviers die Straße, in der bei einem Anti-Terror-Einsatz zwei Verdächtige getötet wurden. (afp / Belga)
    Schwer bewaffnete Soldaten patrouillieren im Brüsseler Europaviertel und in der Innenstadt. Im tarnfarbenen Kampfanzug und mit Sturmgewehr sollen sie potentielle Anschlagsziele schützen: Das Parlament, die Kommission, die Botschaften von USA und Israel, die Große Synagoge und das jüdische Museum – das im Mai vergangenen Jahres bereits Ziel eines Anschlages wurde. Auch in Antwerpen, der zweitgrößten Stadt des Landes, bewachen Soldaten neuralgische Punkte wie das Diamantenhändler-Viertel, in dem viele orthodoxe Juden leben. Die Terrorwarnstufe war bereits auf das zweithöchste Niveau gesetzt worden, erklärte Premier Charles Michel:
    "Wir tun das nicht, weil wir weitere konkrete Anschlagshinweise haben, sondern um das allgemeine Niveau der Aufmerksamkeit zu erhöhen."
    Am Donnerstag hatte die belgische Polizei zahlreiche Wohnungen mutmaßlicher Islamisten durchsucht. In der Kleinstadt Verviers kam es dabei zu einem Schusswechsel, bei dem zwei mutmaßliche Islamisten ums Leben kamen. Daraufhin hatte die Regierung unter Premier Charles Michel ein Zwölf-Punkte-Programm gegen islamistischen Terror erlassen. Die Staatsbürgerschaft soll danach entzogen werden können, die Liste der terroristischen Straftaten soll erweitert werden. Außerdem wurde festgelegt, dass bis zu 300 Soldaten im Land zum Schutz vor Anschlägen eingesetzt werden können. Das ist auch in Belgien alles andere als alltäglich. Der oppositionelle Sozialist Bruno Tobback warnt deshalb vor Panikmache:
    "Der Terrorismus lädt uns ein, uns von unseren eigenen Werten zu distanzieren, unsere Privatsphäre, unsere Sicherheit aufzugeben für eine Welt, in der nur noch Gewalt zählt. Darauf dürfen wir niemals eingehen, und der Militäreinsatz und die anderen Maßnahmen dürfen nur vorübergehend sein."
    Ganz anders der Bürgermeister von Antwerpen und Vorsitzende der rechtspopulistischen Regierungspartei N-VA, Bart De Wever: Er hatte unmittelbar nach dem Anti-Terror-Einsatz am Donnerstag das Militär verlangt. Seit zwei Jahren hätte er das bereits gefordert, so De Wever. Allerdings gibt es selbst innerhalb der föderalen Regierung, der die N-VA De Wevers selbst angehört, durchaus Kritik. Die Vorsitzende der mitregierenden liberalen flämischen OpenVLD, Gwendolyn Rutten, ist wenig überzeugt vom Militäreinsatz.
    "Es kann ja keine Lösung sein, dass wir Militär durch unsere Straßen patrouillieren lassen, Belgien ist doch nicht Kabul! Wir dürfen der Angst nicht nachgeben."
    Und auf Twitter ergänzte Rutten: Angst sei ein schlechter Ratgeber. Auch der stellvertretende Ministerpräsident der Wallonie, Jean-Claude Marcourt hatte den Militäreinsatz kritisiert. Erst durch die Kürzungen bei der Polizei sei dieser überhaupt notwendig geworden, so Marcourt. Bereits Ende vergangenen Jahres waren belgische Polizisten gegen geplante Kürzungen auf die Straße gegangen. Laut Polizeichefin Catherine De Bolle habe die Föderale Polizei in den vergangenen drei Jahren acht Prozent ihres Budgets einsparen müssen.
    "Ich denke doch, dass wir letzten Donnerstag bewiesen haben, dass wir wenn es drauf ankommt effizient und professionell auftreten können, auch mit dem beschränkten Budget. Ich füge aber hinzu, dass wir an unsere Grenzen stoßen und weitere Einsparungen sehr schwierig wären."
    Zuletzt hatte Belgien vor 30 Jahren das Militär im Inland eingesetzt. Damals wurde das Land von der linksextremen Gruppe CCC bedroht. Für einen Monat sollen die Soldaten nun in Brüssel und Antwerpen patrouillieren – dann soll ihr Einsatz erneut geprüft werden.