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Brandner: Demokratisierungsprozess in Ägypten muss gestützt werden

Dass Ägyptens Präsident Mohammed Mursi nach der Entmachtung des Militärs nun auch legislative Kompetenz habe, sei nur für einen kurzen Übergangszeitraum hinnehmbar, sagt Klaus Brandner (SPD). Daher müsse man darauf setzen, dass möglichst bald ein Parlament gewählt werde.

Klaus Brandner im Gespräch mit Gerd Breker |
    Dirk-Oliver Heckmann: Man kann es durchaus als Putsch von oben bezeichnen, was der ägyptische Präsident Mursi am Wochenende veranstaltet hat. Er hat Verteidigungsminister Tantawi in die Wüste geschickt und mit ihm weitere hohe Militärs und er hat für die Machtstellung der Armee wichtige Verfassungszusätze einfach mal kurzerhand abgeschafft. Zum Beispiel das Recht, bei wichtigen Fragen ein Vetorecht geltend zu machen. Trotzdem haben die Militärs bisher stillgehalten. Mein Kollege Gerd Breker hat mit dem Vorsitzenden der deutsch-ägyptischen Parlamentariergruppe, mit Klaus Brandner von der SPD gesprochen und ihn zunächst gefragt, wie er die Lage in Ägypten sieht, ob wir uns Sorgen machen müssen.

    Klaus Brandner: Das andauernde Kräftemessen zwischen Mursi und den Muslimbrüdern auf der einen Seite und der Militärspitze auf der anderen Seite führt natürlich dazu, dass das Land insgesamt nicht zur Ruhe kommt. Es behindert den demokratischen Prozess und fördert nicht gerade die wirtschaftliche Stabilisierung, die dringend notwendig wäre.

    Gerd Breker: Der Militärrat galt ja bislang als Garant eines säkularen Ägyptens. Präsident Mursi kommt von den Islamisten. Muss man nun befürchten, dass die Islamisten mehr Einfluss bekommen?

    Brandner: Die Sorgen sind schon da, wobei ich finde wichtig ist, dass wir darauf setzen, dass möglichst bald eine Verfassung verabschiedet wird, die dafür Garant ist, dass das Säkulare bestand hat und dass dann recht bald ein Parlament gewählt wird, von dem ich mir erhoffe, dass dann die säkularen Kräfte und die Kräfte der Revolution stärker vertreten sind, als das bislang der Fall ist.

    Breker: Aus dem Machtkampf zwischen dem Präsidenten und dem Militärrat ist nun eine Auseinandersetzung zwischen Mursi und dem Obersten Gericht geworden. Wenn das Oberste Gericht nun die Vorrechte des Militärrates auf den Präsidenten überträgt, dann könnte aus Mursi ein neuen Mubarak werden? Wie sehen Sie das?

    Brandner: Ich hoffe nicht mit den Inhalten, aber was eine demokratische Revolution anbelangt, was die Stärkung der Demokratie anbelangt, ist natürlich schon größte Sorge angesagt, denn wenn sowohl die Exekutive als auch die gesetzgeberische Vollmacht in einer Hand liegt, also ein Präsident, der beides verkörpert, das ist schon eine Ausnahmesituation, die man höchstens als einen kurzen provisorischen Übergangszeitraum hinnehmen darf. Deshalb ist es ganz wichtig, dass auch aus deutscher Sicht die demokratischen Bewegungen gestützt werden und alles getan wird, das was ich zum Beispiel als Vorsitzender unserer Parlamentariergruppe tun kann, den Kontakt zu jetzt gewählten Abgeordneten nicht abreißen zu lassen, sondern eher ihn zu intensivieren, damit ein demokratischer Prozess auch wirklich stabil zustande kommt.

    Breker: Der arabische Frühling insgesamt, aber auch das ägyptische Frühlingserwachen war ein Ausdruck auch von sozialer Unzufriedenheit, Herr Brandner. Wenn es den Menschen im Alltag nicht besser geht, dann werden sie sich bald wohl abwenden. Den Menschen in Ägypten geht es im Moment nicht besser.

    Brandner: Ja, Sie treffen einen ganz wesentlichen Kern. Deshalb habe ich am Anfang auch gesagt, dass dieses nicht zur Ruhe kommen auch die wirtschaftliche Stabilisierung behindert. Das heißt sowohl Investitionen, die im Land notwendig wären als auch eine Reform in der industriellen Beziehung und auch in den industriellen und handwerklichen Möglichkeiten, zum Beispiel durch bessere berufliche Ausbildung und durch Förderung von Selbstständigkeiten. Das sind ganz wesentliche Punkte, wo wir Beiträge leisten können, die ja auch nicht in Verdacht stehen, dass wir bestimmte politische Parteien unterstützen, sondern dass wir mithelfen, die Lebensgrundlagen zu verbessern und durch Verbesserung der Lebensgrundlagen ausreichend Kraft und Zuversicht da ist, den politischen Prozess auch in Richtung Demokratisierung zu unterstützen.

    Breker: Nur müssen wir nicht hoffen, Herr Brandner, dass das Oberste Gericht dem Militärrat weiterhin die Sonderrechte zugesteht und sie nicht auf den Präsidenten überträgt?

    Brandner: Das Oberste Gericht sollte den Demokratieprozess nicht unterbinden, sollte ihn eher positiv begleiten. Das erwarten wir auch. Unser Eindruck oder mein persönlicher Eindruck ist auch stärker, dass das was jetzt passiert durchaus Hinweise dazu gibt, dass es Absprachen zwischen Militär und dem Muslimbrüdern gegeben hat. So ganz ohne intensivere Kontakte und ins Benehmen setzen kann ich mir diesen ja ansonsten recht mutigen Schritt nicht vorstellen.

    Heckmann: Klaus Brandner war das von der SPD. Er ist der Vorsitzende der deutsch-ägyptischen Parlamentariergruppe im Bundestag und das Gespräch führte mein Kollege Gerd Breker.
    Präsidentschaftskandidat Mohammed Mursi
    Ägyptens Präsident Mohammed Mursi (picture alliance / dpa / Romain Beurrier)