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Bundestagswahl
"Eigentlich findet eine Wahl ohne Wähler statt"

Die Zersplitterung der deutschen Parteienlandschaft hat aus Sicht des Politologen Karl-Rudolf Korte die Rahmenbedingungen bei Wahlen verändert. Bei bis zu sieben großen Parteien gleiche der Wahlzettel einem Lottoschein, sagte Korte im DLF. Der Wähler könne zwar seine Wünsche ausdrücken, müsse aber den Parteien überlassen, welche Bündnisse sie eingehen.

Karl-Rudolf Korte im Gespräch mit Benedikt Schulz |
    Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte
    Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte (imago stock&people)
    Der Wähler wolle eigentlich auch keine großen Koalitionen, sagte der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte im Deutschlandfunk. Denn die politische Ökumene lähme den Wettbewerb. Auf der anderen Seite hat das deutsche Modell der Verhandlungsdemokratie aus Kortes Sicht bislang große Vorteile gebracht, weil es den sozialen Frieden sichere. Anders als in Mehrheitsdemokratien, in denen bereits am Abend der Wahl praktisch die Regierung stehe, führten die Verhandlungen zu einer breiteren Legitimierung der künftigen Regierung. Das trage zum Aufbau von Wohlstand bei, sagte Korte.
    "Trump agiert wie ein professioneller Regelverletzer"
    Der Politologe warnte davor, den Wähler zu unterschätzen. Dieser sei an Problemlösungen in der Zukunft interessiert und wähle Parteien und Personen danach aus. Wichtige Wahlversprechen wie etwa der von der SPD zugesagte Mindestlohn seien daher einzuhalten. "Wähler haben ein sehr differenziertes Gespür, ob jemand zu seinen Ankündigungen steht", sagte Korte auch mit Blick auf den neuen US-Präsidenten Donald Trump.
    Dieser bleibe sich treu und agiere im politischen System der USA wie ein professioneller Regelverletzer. Mit Präsidialdekreten könne Trump seine Versprechen schnell umsetzen - zumindest solange er über Mehrheiten im Kongress verfüge und dieser sich nicht weigere, die Kosten zu tragen. Die Dekrete dienen Trump aus Sicht von Korte dazu, die reale Welt an seine Wirklichkeit anzugleichen. Er vollziehe den Ausstieg aus der Welt, die er in seiner Antrittsrede als Untergangsszenario beschrieben habe, die empirisch aber nicht existiere.
    Das vollständige Gespräch können Sie in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.