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"Da muss ja wohl eine Einigung möglich sein"

Die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Margret Mönig-Raane ist zuversichtlich, dass es bei der Übernahme der Warenhauskette Karstadt durch den deutsch-amerikanischen Investor Nicolas Berggruen doch noch zu einer Einigung kommt. Weiterhin appellierte sie an die Politik, den Mindestlohn für Leiharbeiter einzuführen und forderte von den Unternehmen, wieder mehr auf "normale" Beschäftigte zu setzen.

Margret Mönig-Raane im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 09.08.2010
    Dirk-Oliver Heckmann: Eigentlich sollte es für die rund 25.000 Karstadt-Mitarbeiter in diesen Tagen ein Aufatmen geben, denn bis heute 0 Uhr hätte eigentlich der Kaufvertrag für die insolvente Warenhauskette durch den Investor Nicolas Berggruen unterzeichnet werden müssen. Doch Berggruen hat immer noch nicht alle Unterschriften zusammen. Zuletzt ging es um die Höhe der Mieten, die das Vermieterkonsortium Highstreet und die dahinter stehenden Banken von Karstadt verlangen. Morgen entscheidet das zuständige Insolvenzgericht in Essen, wie es weitergeht. – Am Telefon begrüße ich wie erwähnt Margret Mönig-Raane, die stellvertretende Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Frau Mönig-Raane, guten Morgen!

    Margret Mönig-Raane: Guten Morgen!

    Heckmann: Erneut ist eine Frist verstrichen. Ein schlechtes Omen für die Zukunft von Karstadt und für die Beschäftigten?

    Mönig-Raane: Nein, das glaube ich nicht. Aber gleichwohl ist es ärgerlich und es zerrt an den Nerven, insbesondere natürlich der Beschäftigten von Karstadt.

    Heckmann: Sie sind nicht direkt an den Verhandlungen beteiligt, aber Sie werden mitbekommen, woran es denn jetzt gerade noch hakt.

    Mönig-Raane: Ja. Die Höhe der Mieten scheint ausverhandelt zu sein. Was noch nicht ausverhandelt ist, nach meiner Kenntnis, ist die Verteilung der Risiken innerhalb der Vermietergruppe, weil das ist ja nicht eine Firma oder eine Person, sondern sind ziemlich viele, verbunden mit Gläubigern, die dann auch noch gefragt werden müssen. Also das ist sehr, sehr aufwendig offensichtlich und immer wieder von Verzögerungen belastet. Das scheint zu dauern und deswegen braucht der Insolvenzverwalter und der Käufer noch mal diese erneute Frist.

    Heckmann: Eine erneute Fristverlängerung vor dem Insolvenzgericht ist grundsätzlich möglich, solange es realistisch bleibt, dass die Bedingungen des Insolvenzplans erfüllbar sind und das Verfahren erfolgreich beendet werden kann. Erwarten Sie denn jetzt vom zuständigen Gericht, dass es noch einmal einen Aufschub gibt?

    Mönig-Raane: Ja. Ich wüsste jetzt keinen Grund, warum, wenn vielleicht 80 Prozent, vielleicht sogar etwas mehr der Strecke erfolgreich zurückgelegt worden sind, man bei den letzten 20 Prozent jetzt die Geduld verliert und sagt, Ende, aus die Maus, jetzt wird hier liquidiert. Das glaube ich nicht, dass das Gericht so handeln würde.

    Heckmann: Was erwarten Sie jetzt von Highstreet und von den dahinter stehenden Banken?

    Mönig-Raane: Oh ja! Ich erwarte, dass die ihre Auseinandersetzungen intern schleunigst zu Ende bringen und einen Vertrag unterschreiben, der für Karstadt eine ordentliche Zukunft, eine sicherere Zukunft, als in der Vergangenheit sich herausgestellt hat diese Verträge waren, mit sich bringt.

    Heckmann: Sollte es da nicht zu einer Einigung kommen, wäre die Belegschaft denn möglicherweise auch zu weiteren Opfern bereit?

    Mönig-Raane: Die Belegschaft bringt enorme Opfer seit vielen Jahren. Sie erinnern sich vielleicht und die Hörerinnen und Hörer auch: das sind für drei Jahre 56 Millionen Euro. Und ich möchte mal denjenigen sehen von den Vermietern, die vergleichbar hohe Beiträge liefern in dieser aktuellen Zeit.

    Heckmann: Frau Mönig-Raane, ist es ein Fehler gewesen des Insolvenzverwalters Klaus Hubert Görg, dass er das Angebot des italienischen Warenhausbetreibers Maurizio Borletti von der vergangenen Woche so rundweg abgelehnt hat?

    Mönig-Raane: Ich habe mich schon auch gewundert, dass jemand, der ja zu dem Vermieterkonsortium gehört, wenn auch mit kleinen Anteilen nur, der aber beteiligt war an all den Gesprächen und Verhandlungen, dass der zwei Monate nach Abgabeschluss eines Angebotes selber um die Ecke kommt und sagt, nun will ich aber selber noch mal einsteigen. Das verwundert zunächst mal. Und dann gucken wir natürlich auch darauf: kann jemand das. Das muss man ganz sicherlich bejahen, denn in Frankreich und Italien Warenhäuser zu führen, Printemps und Rinascente, das ist ja nicht nichts. Aber wir fragen auch weiter: wie wird das denn finanziert? Und wenn Herr Borletti sich 100 Millionen leihen muss, damit dieses Geschäft gekauft werden kann und betrieben werden kann, dann fragt man, ja wo denn und wie hoch sind die Zinsen, weil hohe Zinsen können jedes gesunde Unternehmen in die Knie bringen, und man hört von zweistelligen Zinszahlungen und da kriegt man schon ganz kalte Füße, weil das hat Karstadt schon mal ruiniert.

    Heckmann: Aber ich verstehe Sie richtig: falls es mit Berggruen nicht weitergehen sollte, müsste man den Kreis der Interessenten wieder öffnen? Auch Metro-Chef Cordes ist ja weiter interessiert an einer Zusammenlegung von Kaufhof und Karstadt.

    Mönig-Raane: Ja. Das sind aber keine Aussichten, die mich oder die Beschäftigten beglücken können, denn ein Zusammenschieben von Kaufhof und Karstadt würde eine mindestens fünfstellige Zahl, wenn nicht eine hohe Zahl von Arbeitsplätzen bedeuten, die wegfallen. Es würden eine Reihe Häuser geschlossen werden. Das betrifft dann auch Kunden, die eine Einkaufsmöglichkeit weniger haben, und zwar eine gute Einkaufsmöglichkeit weniger haben, so dass das für uns überhaupt keine gute Perspektive wäre, und ich sehe auch gar nicht, warum man sich damit noch intensiver beschäftigen soll, weil die Hindernisse, die Haupthindernisse, die da waren, um diesen Kaufvertrag mit Herrn Berggruen zu unterschreiben, sind ausgeräumt und jetzt geht es um die interne Verteilung von Risiken und Lasten bei den Vermietern. Da muss ja wohl eine Einigung möglich sein, zumal ja erfahrene Banken in diesen Verhandlungen beteiligt sind.

    Heckmann: Wir sprechen mit der stellvertretenden ver.di-Vorsitzenden Margret Mönig-Raane. – Frau Mönig-Raane, kommen wir mal zum Thema Zeitarbeit. Ein Drittel aller im Juli gemeldeten offenen Stellen sind Leiharbeitsstellen. Im Februar war es nur ein Viertel der Stellen gewesen. Selbst bei Union und FDP gibt es Bestrebungen, hier stärker zu regulieren. Was muss geschehen?

    Mönig-Raane: Im Prinzip müssen Leiharbeitnehmer und Leiharbeitnehmerinnen gestellt werden wie Beschäftigte in dem Unternehmen auch. Richtiger wäre sogar wie in Frankreich eine Flexibilitätszulage zu zahlen, damit die Versuchung, Leiharbeitnehmer als billige Arbeitskräfte einzusetzen, einfach nicht mehr da ist. Das ist eine wirklich deutsche Spezialität, dass dieses Instrument, was eigentlich ja dafür gedacht ist, Personalengpässe, die auftreten, zu beheben, genutzt wird wirklich zum Löhne drücken, zum Drücken von Beschäftigungsverhältnissen, zum Aushebeln von Kündigungsschutz. Das ist ein wirklicher Skandal!

    Heckmann: Marcus Schulz vom viertgrößten Zeitarbeitsunternehmen USG People hat in der "Wirtschaftswoche" von systematisch genutzten Tricks im Umgang mit Mitarbeitern gesprochen. Da gerät offenbar etwas ins Rutschen?

    Mönig-Raane: Ja. Das ist schon während der Krise und vor der Krise deutlich geworden, dass die Zahl und vor allen Dingen die Art und Weise, wie Leiharbeit eingesetzt wird, in Deutschland zum wirklichen Lohn-Dumping genutzt wird. Wenn die Branche aus diesem Geruch rauskommen will, dann hoffe ich, dass es noch mehr Unternehmer gibt wie denjenigen, den Sie gerade erwähnt haben, und ich erwarte von der Politik, dass diesen Missbräuchen absolut ein Riegel vorgeschoben wird, und da ist gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit aber wirklich eigentlich das Minimum, was man sicherstellen muss.

    Heckmann: Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer von der CSU sagt allerdings, die geltenden Regelungen reichten aus und auch ein Mindestlohn könne den Lohnwettbewerb nach unten nicht stoppen.

    Mönig-Raane: Der Mindestlohn in der Zeitarbeit, auf den wir dringend warten, um die wüstesten Auswüchse zu beschneiden, hilft in der Tat nur begrenzt, nämlich dort, wo Löhne und Gehälter von normalen Beschäftigten um ein Drittel und mehr auch mit einem Mindestlohn noch unterboten werden, bleibt ja die "Anregung", statt ganz normaler Beschäftigung Leiharbeiter einzusetzen, und so kann es nicht gehen. Das ist wirklich zerstörerisch!

    Heckmann: Frau Haderthauer sagt, statt eines Mindestlohns sollten die Leute lieber dort einkaufen gehen, wo auch ordentliche Löhne gezahlt werden. Was halten Sie von diesem Vorschlag?

    Mönig-Raane: Den Vorschlag halte ich für ausgezeichnet. Er reicht allerdings nicht, weil Unternehmen müssen mit ganz klaren auch gesetzlichen Regelungen rechnen müssen. Sie müssen mit Sanktionen, das heißt auch mit empfindlichen Strafen rechnen müssen, wenn sie zu Lasten der Beschäftigten, wie das hier passiert, Lohndrückerei machen und den Menschen Rechte vorenthalten, die normale Beschäftigte bei uns haben.

    Heckmann: Hier im Deutschlandfunk haben wir gesprochen mit Margret Mönig-Raane, der stellvertretenden Vorsitzenden der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Frau Mönig-Raane, ich danke Ihnen, dass Sie sich die Zeit genommen haben.

    Mönig-Raane: Gerne. Auf Wiederhören!