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Dänische Stabilitätspolitik als Vorbild für Europa

Dänemark hat seit Jahresbeginn die EU-Ratspräsidentschaft inne - zum zweiten Mal seit 2002. Das Land hat sich vor Jahren gegen den Euro entschieden, will aber an dessen Rettung mitwirken. Die EU-Politikerin Anne Jensen sieht ihr Land sogar als Modell für das kriselnde Europa.

Das Gespräch führte Silvia Engels | 02.01.2012
    Silvia Engels: Seit 1973 ist Dänemark Mitglied der Europäischen Union. 2002 hatte Kopenhagen zuletzt die EU-Ratspräsidentschaft inne, seit gestern führen die Dänen erneut die Gemeinschaft. Ministerpräsidentin Thorning-Schmidt hat angekündigt, ihre Energie vor allem in die Euro-Rettung stecken zu wollen, und das, obwohl Dänemark selbst die Gemeinschaftswährung gar nicht nutzt.
    Mitten in der europäischen Schuldenkrise hat Dänemark die EU-Ratspräsidentschaft übernommen, Albrecht Breitschuh berichtete.
    Und am Telefon ist nun die dänische Abgeordnete im Europaparlament, Anne Jensen. Sie gehört der liberalen Partei Venstre an. Guten Morgen, Frau Jensen!

    Anne Jensen: Guten Morgen!

    Engels: Was erwarten Sie von der dänischen Ratspräsidentschaft?

    Jensen: Ich erwarte zwei Dinge: Die dänische Amtspräsidentschaft will gern, dass man einige Richtlinien über den Haushaltsrahmen von 2014 bis 2020 finden kann bis Juni. Und zweitens will man gern einige Resultate haben über die Energiepolitik, das ist für uns eine sehr große Priorität.

    Engels: Nun schauen wir auf das Thema, das vor allen Dingen auch das nächste halbe Jahr dominieren wird, das ist die Debatte um den Euro. In Dänemark wird nicht mit dem Euro bezahlt. Wie vielversprechend ist da die Ankündigung, trotzdem bei der Euro-Rettung helfen zu wollen?

    Jensen: Man kann sagen, dass für Dänemark die Entwicklung im Euro sehr große Bedeutung hat. Aber ich glaube, dass natürlich die Lösungen mit neuen Traktaten und allem ein Ding sind, um das sich der Ratspräsident Rompuy kümmert, und nicht so viel die dänische Präsidentschaft. Und wir sind ja in einer schwierigen Situation, weil wir nicht im Euro sind, weil wir nicht in diese Verhandlungen involviert sind. Aber ich glaube, dass natürlich es eine große Rolle spielen wird, die Entwicklung im Euro auch für das nächste halbe Jahr. Da muss man ja sehen, wie man Lösungen finden kann. Aber wir machen trotzdem noch viele andere Lösungen für andere Probleme, auch für die Banken. Und da glaube ich, dass die dänische Präsidentschaft eine Rolle spielt.

    Engels: 53 Prozent der Dänen haben sich im Jahr 2000 noch gegen die Einführung des Euro ausgesprochen. Das Land erfüllt dennoch die Stabilitätskriterien. Hat sich denn an dieser Stimmungslage gegen den Euro bei Ihnen in Dänemark etwas verändert?

    Jensen: Nein. Man kann sagen, dass der Euro heute nicht wie ein Succès (Erfolg) erscheint. Und deswegen ist es sehr schwierig für die Leute, über den Euro zu sprechen. Ich glaube, das, was wir nun in den Euro-Ländern sehen, ist, dass sie eine Politik so wie die dänische machen. In Dänemark hat man seit 20 Jahren eine Stabilitätspolitik gehabt. Das ist sowieso, wie Politik das jetzt empfiehlt für die Euro-Länder.

    Engels: Wäre das, Frau Jensen, vielleicht auch ein Weg für die Zukunft? Einerseits, wie Sie sagen, die Stabilitätskriterien der EU anzustreben, aber vielleicht die eigene Währung zu behalten?

    Jensen: Ich glaube, dass man in jedem Land sieht: Wenn man ein Referendum hat über die Währung, dann sagen die Leute Nein. Und in Dänemark haben die Leute Nein gesagt, weil sie gedacht haben, Nein ist ein Vielleicht und ein Ja ist ein Ja für immer. Aber heute sind wir in der Lage, wo so große Probleme sind in den Euro-Ländern, dass wir nun nicht ein Referendum haben können, wo wir die Dänen fragen können, wollen Sie den Euro. Weil, die werden natürlich sagen: nein!

    Engels: Die dänische Regierung hat auch angekündigt, eine Brücke zwischen der EU einerseits und Großbritannien andererseits sein zu wollen. London hatte sich ja beim letzten EU-Gipfel gegen eine Fiskalunion ausgesprochen, die dänische Regierung will dieser Fiskalunion eher folgen. Wie kann eine solche Brückenfunktion aussehen?

    Jensen: In Dänemark haben wir immer gesagt: Wenn die anderen beitreten wollen, dann werden wir sie nicht hindern. Und das war ja, was Großbritannien gemacht hatte im Dezember. Ich glaube, die Briten wollen ja auch, dass der Euro gerettet wird, und hat dasselbe Interesse wie Dänemark. Ich glaube, dass wir in Dänemark gar nicht so sind, dass wir mit Großbritannien in dieser Situation sind, und deswegen ist es, dass wir sagen, wir wollen gern Brüder sein, weil wir glauben, dass wir zusammenarbeiten müssen.

    Engels: Frau Jensen, Ihre liberale Partei ist derzeit nicht in Dänemark mit in der Regierung. Wird denn Ihre Partei dennoch der sozialdemokratischen Ministerpräsidentin bei diesem Euro-freundlichen Kurs helfen?

    Jensen: Ja. Wir sind auch eine Euro-freundliche Partei, und wenn es zur dänischen Präsidentschaft kommt, dann streiten wir uns nicht, dann arbeiten wir zusammen. Und wir wünschen auch der sozialdemokratischen Regierung guten Erfolg mit der Präsidentschaft.

    Engels: Wir sprachen mit Anne Jensen, sie ist dänische EU-Abgeordnete. Und es ging um die EU-Ratspräsidentschaft, die seit gestern bei Dänemark liegt. Vielen Dank für das Gespräch!

    Jensen: Danke schön!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.