Freitag, 26. April 2024

Archiv


Der leise Rhein

Alpträume oder gar schlaflose Nächte, Geschirr, das aus dem Schrank fällt und klirrende Fensterscheiben. Lärm ist in vielerlei Hinsicht belastend. Die Initiative "Leiser Rhein" fordert nun mehr Lärmschutz für die Rheintalbewohner.

Von Ludgar Fittkau | 15.11.2010
    "Ich habe gestern noch eine Literaturrecherche gemacht zum Thema Bahnlärm und Gesundheit: Das Einzige, was ich gefunden habe, ist eine Studie aus Österreich, wo untersucht wurde die Häufigkeit der Einnahme von Schlafmitteln. Schlaf und Gesundheit hängen natürlich zusammen, aber was mich interessiert, sind natürlich Herz- und Kreislauferkrankungen und andere schwere Erkrankungen. Und dazu habe ich keine Studie gefunden, sorry."

    Der Bremer Sozialmediziner Professor Eberhard Greiser überraschte mit dieser Aussage viele Teilnehmer des Bopparder Bahnlärmkongresses. Greiser verfasste für das Umweltbundesamt und andere Behörden umfassende Studien zu den gesundheitlichen Folgen des Fluglärms. Am Beispiel des Flughafens Köln-Bonn konnte er nachweisen, dass der Fluglärm zu einer Erhöhung des Risikos führt, schwere Herz- und Kreislauferkrankungen zu bekommen. Der Bahnlärm am Mittelrhein sei noch gravierender für die dort lebenden Menschen, vermutet Greiser. Wissenschaftlich belegen ließe sich das jedoch bis jetzt noch nicht:

    "Wenn ich die Fluglärmbelastung der Bevölkerung am Flughafen Köln-Bonn sehe und die Lärmbelastung hier ist sie im Rheintal erheblich höher. Die höchsten Dauerschallpegel die wir dort hatten, waren in der Nacht 62, 63 Dezibel. Und wenn man hier hört, dass es hier Dauerschallpegel von 88 gibt, dann sind das Dimensionen."

    Dimensionen nämlich, die etwa das Doppelte der Grenzwerte umfassen, die die Weltgesundheitsorganisation für gesundheitlich zumutbar hält. Am Rhein hält man es an vielen Stellen schon lange nicht mehr aus:

    "Teller, Tassen fallen aus dem Schrank, das ist normal.
    Dieser Lärm vertreibt die Anwohner aus dem Tal.
    Kinder haben Angst vor diesen Ungeheuern, die mit Zwei-viertausend Tonnen da vorbeirauschen. Das heißt, die die in diesem Bereich Wohnen, werden nachts wach, haben Albträume, werden wach, rufen die Eltern zu Hilfe, gehen bei den Eltern ins Bett hinein, weil sie eben nicht mehr alleine schlafen wollen aufgrund dieser ungeheuren Erschütterungen und Lärmereignisse."

    "Leiser Rhein" – hinter diesem Begriff verbirgt sich ein Programm des Bundes und der EU, durch Umrüstung von Güterwagons den Lärm am Rhein zwischen Holland und der Schweiz zu minimieren. Leisere Räder sollen für einen geringeren Lärmpegel sorgen, versicherte in Boppard Udo Wagner, Konzernbevollmächtigter für Rheinland-Pfalz und das Saarland.
    Die Bahn AG besitze rund 100.000 von 400.000 Güterwagons, die regelmäßig durch das Mittelrheintal rollen. Doch das Programm"Leiser Rhein" sei finanziell arg begrenzt, so Wagner:

    "Dort stehen 40 Millionen zur Verfügung. Wir, die Bahn, haben 7,5 Millionen als Förderungsbescheid erhalten, das ist das Maximum, das die Bahn aus diesem Programm erreichen kann. Deswegen werden wir 1250 Güterwagons aus diesem Programm umbauen."

    Die Umrüstung von 1250 von 400.000 zum Teil 60er- oder 70er-Jahre alte Waggons, die durch das romantische Rheintal rattern. Auch für die rheinland-pfälzische Landesregierung ist das viel zu wenig. Mit dem Bahnlärmkongress in Boppard wolle die Region Druck vor allem auf den Bund als Eigentümer der Bahn machen, möglichst schnell die Trassenpreise für veraltete Waggons zu erhöhen. Damit wolle man die Gütertransportfirmen zwingen, schneller neuere Waggons in Verkehr zu bringen. Das sagte in Boppard der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Hendrik Hering (SPD):

    "Erstens brauchen wir ein alternatives Trassenpreissystem, das klar ist, wer mit lautem Material durch das Mittelrheintal fährt, deutlich mehr bezahlen muss als andere, damit die motiviert werden, ihre alten Waggons auszumustern. Und wir brauchen dringend eine Alternativtrasse und das klare Bekenntnis der Bundesregierung, das eine Alternativtrasse notwendig ist und das jetzt mit den Planungen begonnen wird."

    Wo die Alternativtrasse am Rhein genau verlaufen soll, müssten die Planungen zeigen, so Hering. In diese Planungen könnten auch die noch ausstehenden Studien zur Gesundheitsgefährdung von Bahnlärm einfließen, so eine weitere Forderung der Bahnlärmgegner in Boppard.