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Der Monarch und das machtlose Parlament

Regierungen in Jordanien haben nur kurze Lebensdauer und wie das Parlament wenig zu sagen. Der König setzt sie nach Belieben ein und ab. Entsprechend gering ist der Enthusiasmus in der Bevölkerung vor den Parlamentswahlen am nächsten Mittwoch.

Von Ulrich Leidholdt | 19.01.2013
    "Das sind doch wieder die alten Namen und Gesichter. So lange die dran sind, ändert sich gar nichts. Immer dieselben Parolen. Sie werden gewählt und sind ein Totalausfall."

    Wie Sekretärin Amal mit Blick auf die mit Wahlplakaten voll gepflasterte Hauptstadt Amman ist auch Techniker Ali, ausgebildet in Deutschland, vom politischen Angebot frustriert. Er boykottiert die Wahl.
    "Gründe warum ich nicht wähle beziehungsweise Kandidaten nicht ernst nehme: verwachsenes System diktiert Kandidaten so vor, dass nur vom Regime akzeptierte Kandidaten ins Parlament kommen."

    Regierungen in Jordanien haben nur kurze Lebensdauer und wie das Parlament wenig zu sagen. Der König setzt sie nach Belieben ein und ab – wie Vater Hussein macht auch Nachfolger Abdullah in 13 Jahren auf dem Hashemiten-Thron reichlich davon Gebrauch. Was sollen da Reformversprechen fragt sich Taufiq, der ebenfalls in Deutschland gearbeitet hat.

    "Viele Aktivisten, die für Reformen demonstriert haben, boykottieren die Wahl. Alte Gesichter ins Parlament. Wollen dass mehr Macht im Parlament, weniger beim König - aber es wird wohl dasselbe wie gehabt."

    Es gärt in Abdullahs Sechs-Millionen-Reich, einem Völkergemisch, in dem die sogenannten Alt-Jordanier Minderheit sind. Die Mehrheit bilden Palästinenser, in verschiedenen Fluchtwellen nach Gründung Israels und Vertreibung aus den Golfstaaten eingebürgert. Alt- wie Neu-Jordanier eint immerhin oft die Not in einem Land ohne Öl und nennenswerte Ressourcen.

    Gewalttätige Proteste erschütterten die vergleichsweise stabile Nahost-Monarchie im November. Benzin und Gas waren um bis zu 50 Prozent teurer geworden.

    Obwohl ich schon das schlechte Benzin tanke beschwert sich die allein Erziehende Alia kostet mich das 20 Euro mehr im Monat. Das war die falsche Entscheidung zur falschen Zeit.

    "Nicht zu verkraften. Geht man lieber zu Fuß. Zurück zu Eseltransporten!"

    "Öl. Krise, Korruption, keine Reformen. Weiter protestieren. Erwarte nichts von Wahlen."

    Und es dürfte noch schlimmer kommen. Leere Kassen, auch wegen des Wasserkopfs unnütz staatlich Beschäftigter, fast ausschließlich Alt-Jordanier, ziehen bald Subventionskürzungen bei Wasser und Strom nach sich, also neue Teuerungen. Und das bei Durchschnittseinkommen von 400 Euro.

    "Erstmals Rufe nach Sturz des Königs. Vorher kaum. Alle wollen Reformen, aber keine Regimeänderung. Wollen König behalten, weil sie nicht so was wie in Syrien oder Libyen wollen."

    Protest gegen den König – unerhört in einem Land, in dem Kritik an der bislang geschätzten Monarchie unter Strafe steht.

    "Im politischen System in Jordanien steht der König über Allem. Tief verwurzelt im Bewusstsein. In Monarchien sind Leute nicht gewohnt, Staatsspitze gegen zivilen Präsidenten auszutauschen."

    Was Mohammed al-Masri vom Zentrum für strategische Studien in Amman da als eine Art jordanisches Grundgesetz formuliert, gerät noch nicht ins Wanken, ist aber erschüttert. Kurz vor der Wahl zog der König deshalb die Reißleine, kündigte an, nicht mehr selbst Regierungschef und Kabinett zu berufen, sondern das dem Parlament zu überlassen.

    Der stärksten politischen Kraft Jordaniens reicht das nicht. Die Muslimbrüder boykottieren die Wahl, fühlen sich durch das Wahlsystem benachteiligt und kritisieren die Bedeutungslosigkeit des machtlosen Parlaments.

    "Islamisten sind gut organisiert, stark, wissen was sie wollen – aber ich bin nicht gegen den König – der soll bleiben. Das Wahlgesetz ist nicht gerecht. Wenn ein anderes Gesetz kommt, werden sie die Wahl gewinnen."

    ... glaubt Taufiq, der ihnen als Gewerkschafter und weltlicher Palästinenser nicht unbedingt nahe steht. 30 Prozent trauen Umfragen den Islamisten zu, würden sie sie bei fairen Wahlen antreten. Linke, Nationalisten und wohl viele von jordanischem Reform-Stau Enttäuschte werden wie Ali am Wahltag einfach frei machen – geringe Beteiligung droht, auch wenn sich angeblich drei Viertel der Wahlberechtigten registrieren ließen.

    "Dass das politische System sich verändert, die Illusion mache ich mir nicht. Es müssen zumindest demokratische Grundlagen geschaffen werden, damit jeder ehrliche, politisch gut meinende Kandidat sich mit Gleichberechtigten behaupten muss. Wenn diese minimalen Vorzeichen geschaffen sind, würde ich mir überlegen, wählen zu gehen. Dass das Parlament was zu sagen bekommt, ist eine Frage, die mit dem politischen System zusammenhängt – Schritt für Schritt."

    Auch wenn er ebenfalls nicht wählen geht, hat Taufiq seinen politischen Kampf nicht aufgegeben, träumt von einem Leben ...

    " ... in einem System, wo es keine Korruption gibt, wo politische Rechte für alle gelten, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Arbeitsplätze für alle, Studienplätze für alle – das haben wir bisher nicht. Nirgendwo im arabischen Raum ist es in Ordnung und ich versuche pol. zu kämpfen, um die Lage in Jordanien zu verbessern."