Freitag, 26. April 2024

Archiv

Eingeschränkte Pressefreiheit
Viele Bulgaren misstrauen ihren Medien

Die Pressefreiheit ist weltweit geschwächt. Zwei Drittel der insgesamt 180 Staaten im sogenannten World Press Freedom-Ranking der Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen schnitten 2014 schlechter ab, als im Jahr zuvor. Gründe seien unter anderem die gezielte Unterdrückung der Medien in Konfliktregionen. Die geringste Pressefreiheit in der EU wurde in Bulgarien registriert.

Von Jörg Wagner | 14.02.2015
    Ein Livestream im Internet zeigt rucklige Videoaufnahmen. Zu sehen: bulgarische Polizei und Demonstranten. Der bulgarische Social-Media-Experte Ivo Bozhkov begleitet in seiner Freizeit Demonstrationen, schickt mit seinem Smartphone und einem handtellergroßen Zusatzgerät die Bilder ungeschnitten direkt an seine Follower im Netz.
    "Nachdem ich gesehen habe, was auf den Straßen von Sofia geschah und wie die Medien darüber berichtet haben, wollte ich den Menschen zeigen, was tatsächlich auf der Straße passiert, Geschehnisse, die sie durch die konventionellen Medien nicht geboten bekommen haben. Es war sehr interessant zu sehen, was ausgeblendet wurde."
    Ivo Bozhkovs Misstrauen gegenüber seinen Medien ist kein Einzelphänomen.
    Nur circa jeder sechste Bulgare glaubt, dass Zeitungen objektiv berichten. Bei Zeitschriften ist es nur jeder Hundertste. So ein Ergebnis einer aktuellen Untersuchung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Zusammenarbeit mit der Stiftung Mediendemokratie. Ihr Geschäftsführer und Mediendozent an der Uni Sofia, Dr. Orlin Spassov
    "Das ist der Fakt, dass die Printmedien einen schlechten Ruf in Bulgarien haben, weil sie in den letzten Jahren zu viel mit der Politiker gespielt haben. Also, wenn wir sprechen über Korruption und über verschiedene Einflüsse in den Medien, dann sprechen wir fast immer über die Printmedien."
    In der Tat bescheinigen zwei Drittel der Bulgaren dem Fernsehen objektiv zu sein. Dr. Spassov zeigt sich sogar optimistisch:
    "Wenn wir über das Fernsehen sprechen, ich muss sagen, dass das bulgarische Nationalfernsehen eine sehr positive Rolle in den letzten Jahren gespielt hat, weil BNT ist relativ unabhängig und relativ kritisch und das war sozusagen ein Muster für die anderen elektronischen Medien in Bulgarien, wie auch das bulgarische National-Radio."
    Die Konrad-Adenauer-Stiftung führt regelmäßig auf dem Balkan diese repräsentativen Untersuchungen durch. Der Leiter ihres Medienprogramms Südosteuropa, Christian Spahr sieht zwar den positiven Trend beim Fernsehen, aber unter dem Strich traue jedoch nur eine Minderheit der Bulgarien der Gesamtheit der Medien:
    "Es sind dieses Jahr 17 Prozent. Im vergangenen Jahr waren es 14 Prozent. Insofern kann man sagen, dass sich die Situation nicht grundlegend verbessert hat und nach wie vor das Vertrauen der Bevölkerung in die Medien sehr niedrig ist. Und ich glaube, das liegt einfach daran, dass die verschiedenen Akteure im Medienbereich noch nicht den Dialog miteinander gefunden haben. Also die Politiker, die Medieneigentümer und die Journalisten reden viel aneinander vorbei und trauen sich auch nicht, Forderungen zu stellen, die vielleicht von der anderen Seite dann negativ kommentiert werden."
    Das Team um Christian Spahr mit dem Südost-Medienprogramm der Konrad-Adenauer-Stiftung dokumentiert die Mediensituation nicht nur wissenschaftlich. Schulungen, Seminare und Konferenzen sollen deutsches know how auf den Balkan bringen, was nach Eigenaussage dankbar angenommen würde.
    "Das sind teilweise Workshops für Journalisten insbesondere im Bereich des investigativen Journalismus, weil das natürlich mehr Transparenz in Politik und Wirtschaft fördert und auch in puncto Hintergrundwissen zu europäischen Themen. Das bieten wir jetzt bereits schon an und zusätzlich möchten wir jetzt auch unser Engagement verstärken im Bereich der politischen Kommunikation, da gibt es auch noch Nachholbedarf in der Region auch im Verständnis gerade bei hohen Politikern, dass Kommunikation nicht nur Propaganda ist, sondern heute mit Werten wie Transparenz und Bürgerorientierung zusammenhängt und dazu haben wir jetzt eigene Plattformen geschaffen, wie zum Beispiel einen Berufsverband namensSEECOM für Regierungssprecher, aber auch Gesprächskreise für Pressesprecher politischer Parteien. Und da wollen wir eben dieses Verständnis von moderner politischer Kommunikation befördern."
    Auch Videoblogger Ivo Bozhkov verstärkte sein Engagement.
    "Schritt für Schritt bin ich dann das geworden, was man heute citizen journalist nennt. Das kann man auch beschreiben als einen Bürger, der auf eine ehrliche Art und Weise versucht, aktuelle Ereignisse darzustellen."
    Doch Ivo ging noch einen Schritt weiter. Er ließ sich bei den letzten Wahlen im Oktober 2014 als Abgeordneter der Reformpartei aufstellen, um die politische Kultur und damit auch die Medien zu verändern.