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Entwicklungen in China
Verunsicherung an den Börsen

Die Krise in China macht sich weltweit an den Handelsplätzen bemerkbar: Nicht nur der DAX brach zwischenzeitlich ein, auch in den USA gab es Verluste. Experten warnen vor Panikmache: Die Situation sei nicht mit der Asienkrise 1997 vergleichbar. Dennoch drängen sie auf eine geordnete Lösung der Entwicklung an den Börsen.

Von Brigitte Scholtes |
    Ein Mann steht vor einer großen Börsenanzeigentafel und hält sich den Kopf.
    Unter der schwachen Konjunktur in China leiden die Börsen weltweit. (dpa/picture-alliance/Kimimasa Mayama)
    Die europäischen Handelsplätze kennen nur eine Richtung: abwärts. Auch in den USA gibt es kräftige Abschläge. Um bis zu 7,5 Prozent brach der Deutsche Aktienindex DAX heute Nachmittag zwischenzeitlich ein. Die 10.000 Punkte, eine psychologisch wichtige Schwelle, sind inzwischen weit entfernt. Das ist eine Reaktion auf den abermaligen Kurseinbruch der Börsen in China: In Schanghai etwa lag das Minus allein heute bei 8,5 Prozent. Die Anleger haben Angst. Sie seien offenbar stark verunsichert, wie sich die reale Wirtschaft weiter entwickelt, sagt Marcel Fratzscher, Präsident des DIW; des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung:
    "Wir haben in den vergangenen Jahren einen starken Anstieg der Börsen gesehen, gerade auch, weil die Geldpolitik so expansiv war. Jetzt sehen wir in gewisser Weise eine Korrektur. Eine Korrektur kann auch gesund sein, deshalb mache ich mir da erst mal keine Sorgen, sondern die große Sorge liegt wirklich darin, was passiert mit dem Wachstum in der Welt und auch in den Schwellenländern."
    Diese Sorgen treiben die Investoren nun aus Aktien. Die waren weltweit, vor allem aber in Deutschland in den vergangenen Jahren stark gestiegen: Der DAX hatte allein zwischen Januar und April um 25 Prozent zugelegt - getrieben vor allem vom billigen Geld der EZB. Droht nun also wieder eine Asienkrise wie 1997? Nein, meint Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz. Zwar werde eine mögliche Zinssteigerung der amerikanischen Notenbank kurzfristige Gelder aus den asiatischen Ländern abziehen:
    "Das wird zwar die Länder treffen. Aber sie sind natürlich in einer viel besseren Konstitution als zur Asienkrise. Die meisten asiatischen Länder eben haben große Leistungsbilanzüberschüsse in den letzten Jahren gehabt. Sie verfügen über enorme Devisenbestände, die sie bei der Asienkrise nicht hatten und nicht einsetzen konnten zur Stabilisierung ihrer Währung. Die Unterschiede sind gewaltig."
    Chinesische Regierung muss handeln
    China sei sicher ein wichtiger Markt für die Weltwirtschaft, auch für Deutschland, sagt auch Michael Meister, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Die Abschwächung dort werde keine gravierenden Konsequenzen haben. Meister warnt aber vor den Sekundäreffekten:
    "Allerdings muss man sehen, dass sowohl der Außenwert des Euro sich verändert, dass sich der Ölpreis verändert. Und diese grundsätzlichen Daten können natürlich auch Auswirkungen auf unsere Wirtschaft haben. Insofern müssen wir ein Interesse dran haben, dass es gelingt, dass die chinesische Regierung, die chinesischen Institutionen es schaffen, zu einer geordneten Lösung dieser Entwicklung an der Börse zu kommen."
    Wie solche Schritte aussehen könnten, erklärt Michael Heise von der Allianz:
    "Sie kann noch weiter die Zinsen senken, sie kann die Kreditnachfrage ankurbeln, sie kann weitere Investitionsprogramme auflegen. Sie kann den Immobilienmarkt erleichtern oder liberalisieren und dort neue Aktivität erzeugen. All dies hat sie ja ja schon in der Vergangenheit immer wieder getan. Und ich rechne schon in Bälde damit, dass sie zu solchen Maßnahmen greift neben den Aktienkäufen."
    Darauf dürften auch die Anleger hoffen. Doch die müssten sich vor allem auch darüber klar sein, dass es in China mit den bisherigen Wachstumsraten von zehn Prozent nicht weitergehen wird.