Nordlink gilt als ein ambitioniertes Projekt
, das Bundeskanzlerin Angela Merkel und Norwegens Ministerpräsidentin Erna Solberg am Donnerstag (27.05.21) eröffnen - Corona bedingt nur virtuell. Die rund zwei Milliarden teuerer Stromtrasse verbindet erstmals die Strommärkte beider Länder.
Die geplanten Leitungen seien notwendig, wenn die Energiewende gelingen soll, betonte Peter Altmaier im Dlf. Was geplant sei, müsse auch gebaut werden. Doch die Projekte sind unterschiedlich weit fortgeschritten.
Suedlink, Suedostlink und Co. in Planung
Vier weitere Projekte sind dagegen noch in Planung. Suedlink führt von Schleswig-Holstein nach Baden-Württemberg, Suedostlink von Sachsen-Anhalt nach Bayern, Ultranet soll Emden mit Baden-Württemberg verbinden und der B-Korridor Schleswig-Holstein mit Nordrhein-Westfalen. Es brauche solche "großen Strom-Autobahnen", betonte Peter Altmaier (CDU). Sie seien notwendig für das Gelingen der Energiewende und des Klimaschutzes.
Doch immer wieder gab in den vergangenen Jahren Klagen und Gerichtsverfahren, Streit um Standorte etwa von Konvertern und Umspannwerken. Umstritten ist auch der Verlauf der Trassen und die Frage, ob die Trassen als Freileitung oder Erdkabel gebaut werden sollen. Das führte immer wieder zu Verzögerungen wie beim Projekt Suedlink.
Altmaier fordert schnellere Planungsvorhaben
Die Energieversorgung der Bundesrepublik steckt mitten im Umbruch. Der Ausstieg aus der Atomenergie ist längst beschlossen; auch der CO2-Ausstoß muss reduziert werden. Die Bundesregierung hat unter diesem Druck vor wenigen Tagen ein neues Klimaschutzgesetz mit ehrgeizigeren Zielen auf den Weg gebracht. Danach soll Deutschland 2045 nur noch so viele klimaschädliche Gase ausstoßen, wie wieder gebunden werden können - fünf Jahre früher als geplant.
Für die Stromerzeugung heißt das: weg von den fossilen Brennstoffen Kohle und Gas, hin zu grünem Strom, aus Sonne, Biomasse - und vor allem Wind. Doch die Vorhaben "bei Stromleitungen, bei schnellen Zugverbindungen, die imstande sind, innerdeutsche Flüge auf bestimmten Strecken überflüssig zu machen, bei der Realisierung des Ausbaus von Windrädern" sind langwierig.
So brauchte nach Angaben des Wirtschaftsministers die Stromtrasse Nordlink vom ersten Vorhaben bis zur Realisierung neun Jahre. "Wenn wir in Deutschland im Jahr 2045 klimaneutral sein wollen, müssen wir bei den Planungsvorhaben schneller und besser werden", forderte daher Peter Altmaier (CDU) im Dlf. Zudem müsse man auch bereit sein, den Naturschutz in Deutschland einheitlich anzuwenden.
Sanktionen gegen Belarus zügig umsetzen
Mit Blick auf Belarus begrüßt Altmaier die von den EU-Staaten beschlossenen Sanktionen. Diese müssten nun auch zügig umgesetzt werden, sagte Altmaier im Deutschlandfunk. "Im Augenblick ist Weissrussland/Belarus das große Problemland, wenn es um Menschenrechte und Respekt vor grundlegenden, demokratischen Anforderungen geht", warnte Altmaier. Das Vorgehen von Belarus sei unerhört skandalös und auch völkerrechtswidrig gewesen.
Das Interview im Wortlaut:
Engels: Wir haben es gerade gehört: Das ist ein sehr ambitioniertes und auch wohl sinnvolles Projekt, dieser Nordlink. Aber die Stromautobahn in Richtung Süden, Suedlink genannt, ist noch nicht fertig. Bleibt der grüne Strom aus dem Norden einfach stecken?
Altmaier: Nein, überhaupt gar nicht. Wir werden erleben, dass die Auslastung in den nächsten Wochen und Monaten stetig steigt. Wir haben einen erheblichen Bedarf immer dann, wenn die großen Windräder im Norden nicht in Betrieb sind. Dann kann der Strom auch problemlos transportiert werden.
Der zweite Punkt ist: Ja, wir bauen große Stromautobahnen. Die sind ungefähr zur gleichen Zeit beschlossen worden, wie wir auch diesen Nordlink beschlossen haben. Diese Stromautobahnen sind unterschiedlich weit realisiert. Ich war der erste Wirtschaftsminister, der das zur Chefsache gemacht hat. Wir haben mit allen Bundesländern die offenen Probleme geklärt. Wir haben dafür gesorgt, dass Druck gemacht wird. Deshalb gehe ich davon aus, dass wir in einigen wenigen Jahren nicht nur 100 Prozent dieses Nordlink-Stroms nutzen können, sondern dass wir dann auch allen Strom, der im Norden produziert wird, problemlos im Süden Deutschlands, wo die großen Industrieregionen sind, transportieren und verbrauchen können.
"Wir sind auf die Bürgerproteste eingegangen"
Engels: Bei der Verzögerung des Suedlink-Ausbaus spielen ja auch Bürgerproteste eine große Rolle. Wie wollen Sie hier vorankommen, um die Akzeptanz künftig zu erhöhen, damit das 2028 pünktlich fertig ist? Es ist ja schon verspätet genug.
Altmaier: Einer der Gründe, warum es einige Jahre später geworden ist, ist gerade, dass wir auf die Bürgerproteste eingegangen sind. Wir haben uns schon vor fünf Jahren entschieden, diese Leitungen unterirdisch zu verlegen, damit sie die Bürger, die Anwohner weniger stören. Das wird umgesetzt.
Es gibt nach wie vor einige Unstimmigkeiten. Es gab sie zwischen Bundesländern. Das haben wir geklärt. Bayern, Thüringen und auch Hessen haben sich geeinigt auf ein gemeinsames Vorgehen. Und ich glaube, das man jetzt auch durchsetzen muss, dass das, was im Interesse des Landes insgesamt ist, in der Praxis realisiert ist. Die Leitungen, die jetzt geplant werden, insbesondere unterirdisch verlegt, diese Leitungen sind notwendig für das Gelingen der Energiewende, für das Gelingen von Klimaschutz, und deshalb werden sie auch gebaut.
Engels: Die Trassen Nordlink und Suedlink sollen enorme Kapazitäten vorhalten. Aber sind sie noch umfassend genug, wo jetzt der Umstieg in regenerative Energie ja noch schneller kommen soll als ursprünglich geplant?
Altmaier: Ja, wir haben uns entschieden nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, noch deutlich ehrgeiziger zu werden. Das heißt, wir werden die Ausbaumengen für erneuerbaren Strom in Deutschland schon für das Jahr 2030 deutlich heraufsetzen müssen. Das werden wir im Bundestag auch in Gesetzesform gießen, sobald wir Klarheit haben auch über das weitere Vorgehen der Europäischen Union. Das bedeutet, dass natürlich dann auch wieder zusätzliche Leitungsvorhaben erforderlich werden. Aber ich glaube, es kann jeder nachvollziehen, dass vor zehn oder zwölf Jahren, als die jetzigen Leitungen geplant wurden, man es tun musste auf der Grundlage der Ausbauplanung für erneuerbaren Strom. Die ändert sich jetzt und da muss der Leitungsausbau natürlich angepasst werden.
"Müssen bei Planungsvorhaben schneller und besser werden"
Engels: Aber gerade wenn man bedenkt, dass das immer einen jahrelangen Vorlauf hat, kann es sein, dass am Ende diese nun ambitioniertere Energiewende an dem Stromleitungsausbau doch wieder scheitert oder krankt?
Altmaier: Nein, das haben wir in der Hand. Wir haben bereits vor drei Jahren auf meinen Vorschlag ein Gesetz verabschiedet, das uns erlaubt, die neuesten technologischen Fortschritte zu nutzen, um auf bestehenden Trassen mehr Strom zu transportieren. Das wird umgesetzt. Wir haben Planungserleichterungen beschlossen. Dadurch dauern die Planungen nicht mehr ganz so lange. Um einen Vergleich zu geben: Der Nordlink, den wir heute offiziell in Betrieb nehmen, hat von dem ersten Antrag bis zur Realisierung neun Jahre gebraucht.
Die Stromleitungen von Nord nach Süd in Deutschland, die durch bewohnte Gebiete gehen, also nicht einfach auf dem Meeresgrund verlegt werden müssen, die wurden zur gleichen Zeit geplant und in Auftrag gegeben. Sie werden einige Jahre länger brauchen. Aber – und das ist der entscheidende Punkt – wenn wir tatsächlich in Deutschland im Jahre 2045 klimaneutral sein wollen, so wie es jetzt im Gesetzentwurf steht, den wir in wenigen Wochen verabschieden werden, dann müssen wir auch bei den Planungsvorhaben schneller und besser werden, bei Stromleitungen, bei schnellen Zugverbindungen, die imstande sind, innerdeutsche Flüge überflüssig zu machen auf bestimmten Strecken, bei der Realisierung des Ausbaus von Windrädern und von Solaranlagen.
Das haben, glaube ich, alle erkannt und da muss man beispielsweise auch bereit sein, den Naturschutz in Deutschland einheitlich anzuwenden und nicht je nach 16 Bundesländern ganz unterschiedliche Regelungen, die dann für Verwirrung sorgen und auch Verzögerungen nach sich ziehen.
Belarus - "Vorgehen war unerhört, skandalös und auch völkerrechtswidrig"
Engels: Herr Altmaier, soweit zum Thema Energiewende und Nordlink. Wir setzen hier einen Punkt und müssen noch ein anderes aktuelles Thema ansprechen. Seitdem nämlich am Sonntag die Behörden in Belarus eine Passagiermaschine abfingen und den an Bord befindlichen Regime-Kritiker Roman Protasevich und seine Partnerin festnahmen, wächst nun der Ruf nach härteren Wirtschaftssanktionen gegen Belarus. Schließen Sie sich an?
Altmaier: Ja! Ich habe das von Anfang an unterstützt und halte es auch für richtig. Dieses Vorgehen war unerhört, skandalös, kriminell und auch völkerrechtswidrig, weil es zur Folge hätte, wenn es Schule macht, dass sich niemand mehr beim Überflug über fremde Staatsterritorien sicher fühlen kann. Die Europäische Union hat Gott sei Dank umfangreiche Sanktionen in Auftrag gegeben. Die müssen jetzt aber schnell umgesetzt werden.
Deshalb wünsche ich mir, dass die Europäische Kommission in Brüssel die Vorschläge, die der Europäische Rat in seiner Sitzung am Sonntag erbeten hat, in dieser Woche noch vorgelegt werden, damit wir sie zwischen den Mitgliedsstaaten endgültig beschließen können. Da geht es um Überflugverbote, da geht es um Landeverbote für die belarussische Fluggesellschaft. Wir müssen deutlichmachen, dass wir uns in dieser Frage nicht an der Nase herumführen lassen.
Engels: Überflugverbote – Sie sprechen es an -, dazu auch Kontensperren für einzelne Regierungsangehörige aus Belarus. Aber die belarussische Opposition verlangt mehr, wirklich einschneidende Maßnahmen. Zum Beispiel fordert die im Exil lebende frühere Präsidentschaftskandidatin Tichanowskaja ein komplettes EU-Importverbot für Holz, Metalle, Ölprodukte aus Belarus oder auch Dünger. Gehen Sie so weit mit, oder wollen Sie hier die Unternehmen doch wieder schonen?
Altmaier: Nein, es geht nicht um die Schonung von Unternehmen. Es geht darum, dass wir Sanktionen beschließen, die Sinn machen und die auch uns helfen, das Ziel zu erreichen, nämlich dass sich Belarus an internationale Abmachungen hält und dass es auch grundlegende Menschenrechte im eigenen Land und bei eigenen Staatsbürgern respektiert. Das wird besprochen.
Ich bin auch fest davon überzeugt, dass das, was wir am Sonntag gesehen haben, ein erster Schritt war, dass weitere Schritte folgen werden. Wir haben über die Listung von Verantwortlichen gesprochen. Es wird auch um die Frage gehen in der Tat, wie wir bestimmte Fragen im Wirtschaftsaustausch regeln wollen. Das alles wird in den nächsten Tagen diskutiert werden und wir werden deutlichmachen, dass die Europäische Union an dieser Stelle geschlossen handelt. Im Augenblick ist Weißrussland/Belarus das große Problemland, wenn es um Menschenrechte und Respekt vor grundlegenden demokratischen Anforderungen geht.
Engels: Also auch Sanktionen für tatsächliche gelieferte Produkte. Sind Sie da mit dabei und auch, wenn es um Investitionen in Belarus geht, dass die nicht mehr möglich sind?
Altmaier: Noch einmal: Ich lege großen Wert darauf, dass wir gemeinsam vorgehen. Wir haben ja schon Wirtschaftssanktionen beschlossen und wir werden sie sicherlich weiter ausbauen. Was ich bitte zu verstehen ist, dass wir jetzt nicht diskutieren über einzelne Produktkategorien, weil das eine Frage ist, die wir in der Europäischen Union mit allen 27 gemeinsam entscheiden müssen und nicht vorher in der Öffentlichkeit zerreden dürfen.
Engels: Nun hat Russland gestern auch in diesem Zusammenhang drei deutsche Nichtregierungsorganisationen als unerwünscht erklärt. Muss man auch über härtere Schritte gegen Russland wieder nachdenken?
Altmaier: Wir haben gegenüber Russland umfangreiche auch Wirtschaftssanktionen beschlossen nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Ukraine. Wir haben diese Sanktionen immer wieder auch verlängert. Trotzdem stellen wir fest, dass es viele offene Probleme gibt. Ich spreche diese Probleme an. Das habe ich zuletzt auch gemacht bei deutsch-russischen Foren, auch in Anwesenheit meiner russischen Amtskollegen. Ich glaube, dass wir alle ein Interesse daran haben, dass wir auch dieses Thema sehr hoch auf die Tagesordnung setzen. Trotzdem ist und bleibt auch richtig, dass wir die bestehenden Beziehungen nicht einfach alle abbrechen, weil wir damit uns auch Einfluss und Handlungsmöglichkeiten in Russland vergeben würden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.