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EU-Politik
Der schwierige Dialog mit Minsk

Die EU geht auf Weißrussland zu. Vorige Woche hat Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn das Land besucht, in dem Alexander Lukaschenko regiert, der letzte Diktator Europas. Die Opposition sieht sich die Annäherung zwischen Brüssel und Minsk sehr genau an, sie ist nicht umfassend begeistert darüber.

Von Sabine Adler | 22.04.2015
    Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko während einer Pressekonferenz.
    Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko (dpa / Belta)
    Niemand von der weißrussischen Opposition bricht in Jubel darüber aus, dass die EU die Fühler Richtung Minsk ausgestreckt hat. Doch ein Dialog sei positiv, sagt Wladimir Neklajew. Neklajew hatte 2010 gegen Amtsinhaber Lukaschenko für das Präsidentenamt kandidiert, war wie alle Herausforderer des Autokraten aber danach inhaftiert worden.
    "Die EU unternimmt einen richtigen Schritt, den Dialog mit Weißrussland wieder aufzunehmen, aber er darf nicht dazu führen, dass nur der Präsident oder die Regierung etwas davon haben."
    "Ich habe ein Déjà-vu"
    Hunderte sind bei Protesten nach der Präsidentschaftswahl 2010 verhaftet und einkerkert worden. Wladimir Neklajew wird bei der kommenden Wahl im Dezember nicht mehr gegen Lukaschenko antreten, versteht sich auch nicht mehr als Oppositioneller. Nicht weil ihn der Mut verlassen hätte, sondern weil es die weißrussische Opposition ein weiteres Mal nicht fertigbringt, sich auf einen Kandidaten zu einigen. Jetzt mahnt er als Schriftsteller und Bürger, dass die EU Weißrussland nicht einfach in Richtung Westen holen darf, sondern die politischen Gefangenen freigelassen werden müssten. Vorsicht sei nötig.
    "Ich habe ein Déjà-vu. Vor fünf Jahren gab es am Vorabend der Präsidentschaftswahl einen ähnlichen Dialogversuch zwischen der EU und Weißrussland. Damals roch es nur ein wenig nach Blut, jetzt aber riecht es in Europa stark nach Blut. Vor fünf Jahren hätte man vielleicht noch Risiken eingehen können, etwas wagen können, jetzt kann jede Entscheidung nur mit größter Bedachtsamkeit gefällt werden."
    Gewalt des Regimes gegen seine Gegner
    Wenn Nekljaew von Blut damals spricht, meint er die Gewalt des Regimes gegen seine Gegner. In Weißrussland gibt es mindestens fünf politische Häftlinge, möglicherweise mehr. Die "Politischen" stehen häufig nach der Entlassung weiter unter Beobachtung, kämpfen um ihre Rehabilitierung, in der Regel erfolglos.
    Nie haben die Landsleute ihren Präsidenten so ängstlich erlebt wie seit dem Ukrainekrieg, seit 21 Jahren hält sich Alexander Lukaschenko durch eine Reihe gefälschter Wahlen an der Macht, weswegen die EU Sanktionen verhängt hat. Nun hat er seine Teilnahme an der Siegesfeier am 9. Mai in Moskau abgesagt mit Hinweis auf eigene Veranstaltung in Minsk, was Beobachter als Absetzbewegung von Russland interpretieren. Der EU gegenüber zeigt sich Lukaschenko gesprächsbereit.
    "Wir verbergen nicht, dass wir sehr an einer weiteren und engeren Zusammenarbeit mit dem Westen interessiert sind. Das betrifft vor allem neue Technologien für die zivile Nutzung, es geht um Wirtschaftskontakte, die Sicherheit, besonders in den osteuropäischen Regionen, die Zusammenarbeit gegen grenzüberschreitende Verbrechen."
    Dialog zwischen EU und Weißrussland
    Aleksander Milinkewitsch, 2006 Präsidentschaftskandidat, warnt, dass Weißrussland nicht nur Defizite in der Demokratie und bei den Menschenrechten hat, sondern sich größte Sorgen um seine Souveränität machen muss.
    "Weißrussland darf in dieser Situation nicht isoliert werden. Nach der Befreiung der politischen Häftlinge muss es einen breiten Dialog zwischen der EU und Weißrussland geben. Der soll, muss unbedingt kritisch sein. Wenn der Dialog nicht stattfindet, wird Weißrussland unter russische Herrschaft fallen. Wenn die Unabhängigkeit nicht gewährleistet wird, gibt es keine Demokratie, keine Menschenrechte, gibt es Weißrussland demnächst nicht mehr."
    Die Opposition teilt die Angst des Präsidenten, doch dass sich Lukaschenko auf freie Wahlen einlässt und damit gesellschaftsfähig für die EU wird, bezweifeln seine politischen Gegner.