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Ex-Schützenfunktionär: Waffenrecht in Deutschland und den USA vergleichbar

"Sehr leicht" könne man in Deutschland als Sportschütze an Schusswaffen kommen, sagt Otto Obermeyer, ehemaliger Präsident des Bundes deutscher Sportschützen. Zu Unrecht werde so getan, als sei hierzulande das Waffenrecht deutlich sicherer als das der USA.

Otto Obermeyer im Gespräch mit Sandra Schulz | 19.12.2012
    Sandra Schulz: Zweimal hat US-Präsident Barack Obama das Waffenrecht gelockert in seiner ersten Amtszeit. Jetzt, nach dem Amoklauf von Newtown mit 20 getöteten Kindern und sechs Lehrern, diskutieren die USA wieder um eine Verschärfung des Waffenrechts. Alle bisherigen Vorstöße waren ohne Ergebnis geendet, zerschellt am Widerstand der mächtigen Waffenlobby. Offenbar gibt es jetzt aber eine neue Dynamik: Die NRA hat angekündigt zu kooperieren, der Druck für eine strengere Kontrolle wächst. Wie ist das eigentlich in Deutschland? Seit Anfang der Woche beschäftigen auch wir uns wieder mit einer Diskussion um das Waffenrecht, wie in den vergangenen Jahren immer wieder nach den Amokläufen von Erfurt und Winnenden. Die Argumente waren über die Jahre immer wieder ähnlich:

    O-Ton Otto Schily: "Bessere Aufbewahrungsregelungen, höhere Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Waffenträger, Ausschluss vom Waffenerwerb durch Extremisten."

    O-Ton Uwe Schünemann: "Großkalibrige Waffen kann man nicht grundsätzlich verbieten. Zum Beispiel Jäger müssen großkalibrige Waffen auch einsetzen. Es ist ein internationaler Sport."

    O-Ton Wolfgang Schäuble: "Ich sehe nicht, dass eine wie immer geartete gesetzliche Regelung etwas an dem Tatgeschehen hätte ändern können."

    O-Ton Hans-Christian Ströbele: "”Ich setze mich dafür ein, dass möglichst die Waffen von den Millionen von Mitgliedern von Schützenvereinen zentral an einem sicheren Ort in den Schützenhäusern möglichst untergebracht sind, dort bewacht werden mit Videokameras und anderem.""

    Schulz: So die Minister Schily, Schünemann und Schäuble und der grüne Innenpolitiker Hans-Christian Ströbele. – Die Verhältnisse in Deutschland seien nicht vergleichbar mit den USA, heißt es immer wieder. Nicht ganz so sieht es Otto Obermeyer, Rechtsanwalt in Bonn, bis 1996 war er Vorsitzender des Bundes Deutscher Sportschützen. Nach einem Zerwürfnis mit dem Verband hat er sich von diesem Amt zurückgezogen. Jetzt ist er am Telefon. Guten Morgen, Herr Obermeyer!

    Otto Obermeyer: Guten Morgen!

    Schulz: Sie sagen, die Sicherheitsverhältnisse in Deutschland, die seien nicht besser als in den USA. Warum?

    Obermeyer: Ja. Es ist ja grundsätzlich so, dass zum Beispiel die Waffe, mit der dieser Täter in den USA jetzt diese Kinder erschossen hat, dass man diese Waffe in Deutschland genauso erwerben kann wie in den USA, was ja eigentlich ziemlich erschreckend ist, mit der gleichen Munition und so weiter als Sportschütze. Und im Übrigen ist es auch so: Die Leute machen sich keine Gedanken darüber, dass zum Beispiel so ein Amoklauf auch mit einer 22er, also mit einer kleinkalibrigen Waffe, genauso gemacht werden kann, wahrscheinlich noch erfolgreicher als mit einer großkalibrigen. Das sind alles Dinge, die weiß keiner, die werden auch nicht erörtert, weil die Leute, die da sich drüber äußern, von der Materie nichts verstehen.

    Schulz: Herr Obermeyer, helfen Sie uns da auf die Sprünge. Der Waffenbesitz ist doch hier in Deutschland vergleichsweise streng reguliert. Es gibt schlichtweg in Deutschland auch gar nicht so viele Menschen, die eine Waffe haben. Inwiefern haben wir da amerikanische Verhältnisse?

    Obermeyer: Also erst mal ist es so, dass bei uns ein Sportschütze ja Schusswaffen erwerben kann. Das ist ja unbestreitbar. Und wenn Sie jetzt Sportschütze werden wollen, dann müssen sie im Jahr 18-mal mit irgendeiner großkalibrigen Waffe und auch mit einer kleinkalibrigen geschossen haben, auf einem Schießstand, und schon haben Sie Ihre erste Waffe. Das ist ja überhaupt kein Problem, das zu erreichen: 18-mal schießen, wie viel Schuss Sie abgeben, spielt keine Rolle, dann haben Sie Ihre Schusswaffe. Und Sie dürfen natürlich nicht vorbestraft sein, aber das ist in den USA ja auch so. Die Vorbestraften bekommen da ja auch keine Waffen. Also es ist sehr leicht bei uns, über einen Sportschützenbedarf an Schusswaffen zu kommen.

    Schulz: Aber die Sportschützen sagen ja, das sei nun mal ihr Sport, und es wird auch immer wieder gesagt, Sportler dürften nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Was ist daran falsch?

    Obermeyer: Das ist ja vollkommen richtig. Man kann auch die Sportschützen nicht unter Generalverdacht stellen. Darum geht es ja auch gar nicht. Nur so zu tun, als wenn bei uns alles hundertprozentig besser wäre als in den USA, das ist einfach nicht richtig. Wie gesagt, man kann, jeder Sportschütze kann bei uns die gleichen Waffen kaufen wie in den USA auch, auch solche schrecklichen Waffen wie dieses halbautomatische Gewehr, mit dem die Kinder erschossen wurden. Das ist so! Übrigens die Mutter von diesem Täter war ja auch eine Sportschützin.

    Schulz: Jetzt ist hierzulande das Waffenrecht ja immer wieder verschärft worden, eben nach den Amokläufen von Erfurt und Winnenden. Waren das aus Ihrer Sicht denn wenigstens Schritte in die richtige Richtung?

    Obermeyer: Ja was zweifellos vernünftig war, waren die strengeren Aufbewahrungsrichtlinien. Das ist völlig richtig und völlig vernünftig, dass also wirklich nur der Sportschütze selber an die Waffe kommen kann und nicht irgendwelche anderen Personen. Das war ja in den USA: Hätte die Mutter ihre Waffen vernünftig abgeschlossen und wären die gesichert gewesen, hätte der Sohn die Waffe nicht benutzen können. Das ist ganz klar bei uns besser.

    Schulz: Sie haben moniert oder uns auch geschrieben, dass Sie Sachverstand in der Debatte vermissen. Was würden Sie denn anders machen?

    Obermeyer: Na ja, man muss die Dinge einfach so sehen, wie sie sind. Erst mal ist es so: Das Wichtigste ist, die Menschen zu beobachten, also auch im Sportschützenbereich, dass der Verein sich seine Mitglieder genau anguckt und darauf achtet, ob da alles in Ordnung ist. Denn es ist ja so: Diese Verbrechen begehen ja Menschen und keine Waffen. Waffen sind Werkzeuge. Und deswegen ist es immer wichtig, dass die Vereine, die Sportschützenvereine ihre Mitglieder betrachten, was machen die, sind die aktive Sportschützen, oder sind sie das nicht, oder sind sie schon lange nicht mehr gesehen worden. Aber das wird ja in den Vereinen nicht kontrolliert, das ist ja das Problem.

    Schulz: Wie könnte man die Vereine dazu bringen?

    Obermeyer: Ja, das ist natürlich eine große Frage. Man müsste die Vereine zwingen, über jeden Schützen letztlich Buch zu führen, wann und wo der zum Schießtraining gekommen ist, ob er an Wettkämpfen teilnimmt und und und. Mit einem relativ geringen Aufwand – man hat ja Computer und so weiter – könnte man das schon machen. Das wäre eine Möglichkeit. Wie gesagt, man muss die Leute kontrollieren, die Menschen. Die Menschen sind gefährlich, nicht Waffen.

    Schulz: Aber wir stoßen in der Diskussion immer wieder an den Punkt, dass der Staat – und sei das Waffenrecht auch noch so scharf oder noch so strikt reguliert – eigentlich keine Macht dagegen hat, wenn gegen diese Vorschriften verstoßen wird. Wie kommen wir aus diesem Dilemma heraus?

    Obermeyer: Na ja, das sehe ich jetzt nicht so zu irgendwelchen Vorschriften. Wenn zum Beispiel die Vereine gezwungen würden, da mit größerer Sorgfalt ihre eigenen Mitglieder zu überwachen, auch hinzugucken, wenn zum Beispiel neue Waffen erworben werden, wer die erwirbt und was das für Leute sind, die die Waffen erwerben, wenn man diese Dinge konsequent angehen würde, könnte man dort eine größere Sicherheit herbeiführen. Allerdings eins muss man natürlich sagen: Letzte Sicherheit können Sie durch nichts erreichen. Auch wenn Sie zum Beispiel die Waffen zentral aufbewahren würden, was ich ja auch öfter gehört habe, dass das was bringen würde – das bringt gar nichts, denn es ist ja so: Der Sportschütze, der dann seine Waffe abholt, um Sport zu schießen, wenn der einen Amoklauf begehen will, dann kann er die Waffe ja dann nehmen, weil wenn sie ihm ausgehändigt ist, kann er einen Amoklauf begehen. Verstehen Sie das? Die zentrale Aufbewahrung bringt überhaupt nichts!

    Schulz: Wie viele Waffen haben Sie?

    Obermeyer: Das werde ich jetzt hier in der Öffentlichkeit nicht sagen. Aber ich bin aktiver Sportschütze.

    Schulz: Otto Obermeyer, Rechtsanwalt in Bonn und bis 1996 Vorsitzender des Bundes Deutscher Sportschützen, hier heute im Interview mit dem Deutschlandfunk. Haben Sie herzlichen Dank dafür.

    Obermeyer: Bitte schön!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.