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FDP fordert 100 Prozent der Bahn an die Börse

Für den verkehrspolitischen Sprecher der FDP, Horst Friedrich, ist der SPD-Kompromiss für die Bahnprivatisierung nur ein erster Schritt in die richtige Richtung. Mit einer Beteiligung privater Investoren von nur 24,9 Prozent werde jedoch keines der Probleme der Bahn gelöst. Vor allen Dingen werde es dann schwierig, wenn die Gewerkschaften wie angekündigt das Ganze in einem Tarifvertrag festgeschrieben haben wollten, erläuterte der FDP-Politiker.

Moderation: Christiane Kaess | 15.04.2008
    Christiane Kaess: Für die SPD ging es nicht nur um die Pläne zur Bahnprivatisierung; es ging um einen Richtungsstreit in der Partei und den Stand von Parteichef Kurt Beck. Für die jetzigen Pläne einer Teilprivatisierung der Bahn hatte sich dann zunächst die SPD-interne Arbeitsgruppe und gestern schließlich das Präsidium einmütig und ohne Gegenstimme - so hieß es für das Vorhaben - ausgesprochen. Ende April soll im Koalitionsausschuss mit der Union darüber beraten werden. CDU-Politiker signalisierten aber bereits Zustimmung. Heute treffen sich die Bahngewerkschaften und Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee will sich auch äußern. Am Telefon ist jetzt Horst Friedrich, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Guten Tag!

    Horst Friedrich: Ich grüße Sie!

    Kaess: Herr Friedrich, viele sprechen jetzt von einer "Privatisierung light" oder auch nur einer Scheinprivatisierung. Wie würden Sie den Kompromiss bezeichnen?

    Friedrich: Er kann für uns als FDP nur der erste Schritt in eine sicherlich richtige Richtung sein. Aber mit einer Beteiligung Privater von 24,9 Prozent wird keines der Probleme, die die Bahn tatsächlich hat - und die liegen hauptsächlich im finanziellen Bereich -, tatsächlich gelöst. Vor allen Dingen wird es dann schwierig, wenn die Gewerkschaften wie angekündigt das Ganze in einem Tarifvertrag festgeschrieben haben wollen. Dann wird es sicherlich nicht unsere Zustimmung finden.

    Kaess: Aber das heißt Sie gehen von einer weiteren Privatisierung aus?

    Friedrich: Wir gehen davon aus, dass auch für die SPD eigentlich noch die Beschlüsse der Eisenbahnneuordnungsgesetze aus dem Jahre 1994 Gültigkeit haben, die ja mit Zustimmung der SPD getroffen worden sind, und da hat man sich relativ einvernehmlich darauf geeinigt, dass man trennt zwischen ordnungspolitisch notwendigen Staatsaufgaben und Wirtschaftsaufgaben. Als Staatsaufgabe wurde damals gesehen - deswegen steht es auch im Grundgesetz -, dass der Bund lediglich die Mehrheit am Eisenbahninfrastrukturunternehmen haben muss - sprich jetzt Netz AG und Bahnhöfe - und dass der Betrieb zu 100 Prozent an die Börse gebracht werden kann. Das ist und bleibt unser politisches Ziel!

    Kaess: Das heißt Sie glauben die SPD würde sich noch mal bewegen, weil es sieht ja im Moment nicht danach aus?

    Friedrich: Ja gut! Ob die SPD sich dann noch bewegt, das ist eine andere Sache. Das muss man dann eben so lange aufsparen, bis andere politische Mehrheiten anderes beschließen können. Das Problem wird jetzt sein - und das ist eigentlich die Forderung an die Union -, auf keinen Fall der Gewerkschaftsforderung nachzugeben, das Ganze in einem Tarifvertrag festzuschreiben - denn Tarifverträge können bekanntlich nur mit Gewerkschaftszustimmung geändert werden -, und das Ganze maximal auf die gesetzliche Regelung zu beschränken. Das wird das Entscheidende sein, um das es jetzt geht. Ansonsten sehen wir das als Einstieg. Aber ich fürchte bei dem Kapitalhunger und bei dem Kapitalbedarf, den die Bahn hat, werden 24,9 Prozent privates Kapital erst ein erster Schritt sein und der Bund wird weitere Kapitalerhöhungsschritte sicherlich nicht mitgehen können.

    Kaess: Den Aktionären nutzt aber die Spekulation auf eine andere Regierung nichts. Welches Interesse werden Aktionäre denn jetzt überhaupt haben?

    Friedrich: Wenn die Rahmenbedingungen schlecht sind, dann werden Aktionäre sich mit 24,9 Prozent nur dann beteiligen, wenn sie eine entsprechend garantierte Rendite bekommen. Das wird dann der Knackpunkt sein. Oder sie nehmen entsprechende Abschläge an ihren Kapitalbeteiligungen vor. Sprich das, was der Finanzminister und die Bahn erwarten, wird dann in dieser Form so nicht eintreten.

    Kaess: Und diese höhere Rendite würde wiederum die Interessen der Allgemeinheit oder der Bahnnutzer gefährden. Sehen Sie das so?

    Friedrich: Die höhere Rendite müsste wahrscheinlich zunächst mal vom Steuerzahler garantiert werden und das ist das eigentlich Ärgerliche an dem Geschäft, denn wenn die Bahn diese Renditeerwartungen nicht befriedigen kann, wird es wieder zu Lasten des Steuerzahlers funktionieren müssen.

    Kaess: Gehen Sie davon aus, dass die Bahn auf eine entscheidende Menge Geld verzichten muss?

    Friedrich: Bei 24,9 Prozent, bei keiner Mitsprache in der Geschäftsführung, bei Rahmenbedingungen, die Gewerkschaften vorgeben, wird sich jeder, der Risikokapital in ein fremdes Unternehmen gibt, überlegen was er damit macht. Je weniger er selber zu sagen hat, desto höher muss der Ertrag sein, der ihm garantiert wird. Das ist völlig klar! Oder er beteiligt sich nicht.

    Kaess: Aber selbst bei einer Privatisierung von nur 24,9 Prozent können Aktionäre doch grundsätzlich immer Einfluss nehmen.

    Friedrich: Das ist ja die Mär an der ganzen Sache. Man glaubt ja, mit dieser Regelung die Einflussnahme völlig ausschließen zu können. Das ist nach Aktienrecht nicht möglich. Deswegen glauben wir ja auch, dass das potemkinsche Dörfer sind, die da aufgebaut werden, die nur dazu dienen, aus Sicht der SPD den linken Flügel, der ja gar keine Privatisierung mehr möchte, ein bisschen zu beruhigen. Deswegen bleiben wir dabei: Es ist für uns der erste Schritt in die richtige Richtung. Die Gesetze des Marktes gelten auch in einer Aktiengesellschaft, die noch dann mehrheitlich dem Bund gehört. Aber sicherlich kann man Investoren nicht völlig ausschließen. Sonst muss die Rendite wie gesagt entsprechend hoch sein - es gibt ja welche die sagen, ich gebe mein Geld hin, aber ich möchte eine entsprechende Rendite haben -, oder sie werden entsprechende Abschläge vornehmen.

    Kaess: Dass bestimmte Strecken wegfallen würden, die sich wirtschaftlich nicht lohnen bei einer weiteren Privatisierung, das bestreiten Sie aber nicht?

    Friedrich: Das ist eine Frage, wie man den Gewährleistungsanspruch des Artikel 87 Grundgesetz über den Nahverkehr hinaus sichert.

    Kaess: In diesem Artikel geht es um das Schienennetz.

    Friedrich: Nein, nein! Dieser Artikel besteht aus mehreren Absätzen und hat mehrere Aussagen. Das eine ist, dass der Bund auf jeden Fall Mehrheitseigentümer des Eisenbahninfrastrukturunternehmens sein muss, sprich des Schienennetzes. In einem anderen Absatz legt der Artikel fest, dass der Bund einen Gewährleistungsanspruch für Personenverkehr gibt über den Nahverkehr hinaus. Wir haben ja jetzt die Situation, dass Nahverkehrsleistungen bereits jetzt mit jährlich rund sieben Milliarden Euro über die Länder bestellt werden. Sprich es wird ja keine Nahverkehrsstrecke mehr aus eigenem Antrieb gefahren. Für den Fernverkehr müsste dies dann aufgrund des Artikels 87 Absatz 3 des Grundgesetzes glaube ich ist es mit einem Bundesgesetz geregelt werden. Sprich auch da müsste dann sichergestellt sein, dass bestimmte Verbindungen aufrecht erhalten werden, auch wenn sie sich nicht rechnen. Das wäre im Umkehrschluss das, was man bei der Post jetzt als Post- und Dienstleistungsverordnung einhält.

    Kaess: Herr Friedrich, wenn das Schienennetz in jedem Fall beim Bund bleiben soll, wie weit müsste Ihrer Meinung nach dann die Privatisierung gehen?

    Friedrich: Wenn das Schienennetz beim Bund bleibt - und da muss er ja zwangsweise mindestens mit 50,1 Prozent Mehrheitseigentümer bleiben -, dann kann man die Transportsparten zu 100 Prozent privatisieren.

    Kaess: Horst Friedrich war das. Er ist verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Vielen Dank für das Gespräch!