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Flächenverbrauch
Zersiedeltes Deutschland

In Großstädten herrscht eine enormer ökonomischer Druck auf jede freie Fläche. Anders dagegen auf dem Land. Dort ist genügend Baufläche vorhanden. Das Bundesumweltministerium will diesen Teufelskreis nun durchbrechen und die Kommunen zum sparsamen Umgang mit freier Fläche zwingen - mithilfe von handelbaren Flächenzertifikaten.

Von Manuel Waltz | 24.10.2015
    Ein Kran überragt im Neubaugebiet Widdersdorf-Süd in Köln (Nordrhein-Westfalen) im Bau befindliche Häuser. Auf etwa 1200 Baugrundstücken entstehen hier Ein- und Mehrfamilienhäuser.
    Neubau auf der grünen Wiese: Widdersdorf-Süd in Köln (Henning Kaiser/dpa)
    "Naja, man kann halt mit der Bebauung einer Fläche mehr Geld verdienen als mit einer Grünfläche. Das ist ganz einfach."
    Andreas Faensen-Thiebes vom Bund für Umwelt und Naturschutz, kurz BUND, lässt seinen Blick über eine Baustelle schweifen. Bis vor Kurzem standen hier - nahe des Potsdamer Platzes in Berlin - noch Büsche und Bäume; ein Paradies für Pflanzen und Tiere. Gerade in den wachsenden Städten wie Berlin, Hamburg, München oder Freiburg ist der ökonomische Druck auf jede freie Fläche gewaltig. Denn Investoren wollen neue Häuser bauen, und die Stadtverwaltungen müssen für Wohnraum sorgen – dafür wird wertvoller Boden zubetoniert und asphaltiert. Um dem gegenzusteuern hat sich die Bundesregierung in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie aus dem Jahr 2002 das Ziel gesetzt, den Flächenverbrauch bis 2020 auf 30 Hektar pro Tag zu begrenzen.
    "Das ist schon ein ganz wichtiges Ziel. Weil, nichts ist so deutlich begrenzt als Ressource wie der Boden. Boden ist begrenzt und mehr haben wir nicht. Ne? Also das ist irgendwie ganz deutlich so."
    Nur: Erreichen wird die Regierung das 30-Hektar-Ziel bis 2020, also in fünf Jahren, voraussichtlich nicht. Der Verbrauch von freier Fläche ist in den letzten zwei Jahrzehnten zwar gesunken, aber bei Weitem nicht schnell genug. Laut Statistischem Bundesamt werden aktuell täglich 73 Hektar Fläche in Bauland umgewandelt – das entspricht etwa 100 Fußballfeldern. Mit Neubausiedlungen hoffen Städte und Gemeinden, neue Einwohner zu gewinnen, neue Gewerbegebiete sollen Arbeitsplätze schaffen und auch der Straßenbau wird vorangetrieben.
    Tier- und Pflanzenwelt wird zurückgedrängt
    Die Folgen: Die Flächen stehen nicht mehr zur Nahrungsmittelproduktion zur Verfügung. Regenwasser kann nicht mehr versickern und so Grundwasser bilden. Vor allem aber wird die Tier- und Pflanzenwelt immer weiter zurückgedrängt. Stefan Klotz leitet das Institut für Ökosystemforschung am Leipziger Helmholzzentrum für Umweltforschung. Ihm ist vor allem der Neu- und Ausbau von Straßen ein Dorn im Auge.
    "Damit zerschneide ich Land, und damit baue ich künstliche Barrieren. Zum Beispiel für Tiere, damit sie sich frei in der Landschaft bewegen können. Aber auch bei der Ausbreitung von Pflanzen spielen solche Barrieren im negativen Sinne eine Rolle."
    Je größer ein Ökosystem ist, umso wertvoller ist es. Doch weit ausgedehnte Wälder, Moore oder Wiesen gibt es in Deutschland kaum mehr.


    Der negative Effekt auf die Natur ist deshalb nach Ansicht von Klotz weitaus bedeutender, als es die 73 Hektar an täglichem Flächenverbrauch vermuten lassen.
    Ein Wanderweg führt durch einen Wald.
    In Deutschland gibt es kaum mehr weit ausgedehnte Wälder. (picture alliance / dpa / Reinhard Kaufhold)
    "Und wenn jetzt dazu noch - neben dem Flächenverlust - eine Verinselung naturnaher Strukturen erfolgt, im Sinne, dass eben kein Artaustausch, kein genetischer Austausch gegeben ist, kommt ein zusätzlicher Faktor noch hinzu, der zum Aussterben von Arten führt: Die Populationen sind zu klein, es sind nicht genügend Individuen da, dass die Reproduktion gesichert ist oder Genfluss ist nicht da, dass es praktisch zu Inzuchterscheinungen kommt. Und so weiter."
    Jeder Bundesbürger beansprucht im Durchschnitt 600 Quadratmeter Boden für Siedlungs- und Verkehrsflächen, sprich für Häuser und Straßen. Dies ist aber sehr ungleich verteilt: Das Umweltbundesamt hat berechnet, dass Menschen, die in den Innenstädten leben, nur etwa 100 bis 200 Quadratmeter benötigen, denn sie wohnen meist in mehrstöckigen Häusern, außerdem sind die Straßen und Wege in der Stadt gut ausgelastet.
    Gemeinden auf dem Land locken mit billigen Grundstücken
    Anders auf dem Land: Wer im Grünen wohnt, beansprucht fast 1.200 Quadratmeter Fläche - also das Vielfache eines Stadtbürgers. Denn auf dem Land entstehen überwiegen Einfamilienhäuser und es müssen im Auto lange Strecken zur Arbeit oder zum Einkaufen zurückgelegt werden; auf Straßen, die - im Vergleich zur Stadt - wenig benutzt werden. Obwohl dies auch in vielen Gemeinden und Dörfern kritisch gesehen wird, weisen die Verwaltungen immer neue Baugebiete aus - sagt Thomas Preuss, der am Deutschen Institut für Urbanistik in Berlin Konzepte zum Flächensparen erarbeitet.
    "Die Kommunen konkurrieren um Einwohner und auch um Gewerbebetriebe, sie wollen die Ansiedlung von neuen Familien und Unternehmen erreichen, indem sie Flächen neu ausweisen. Nicht überall geht diese Rechnung auf. Das heißt, in Regionen, die also erkennbar nicht prosperieren und wo keine Nachfrage nach Flächen besteht, werden im Grunde auch viele neu ausgewiesene Flächen gar nicht besiedelt."
    Das absurde: Es sind vor allem die schrumpfenden Gemeinden, die das Gros der zu bebauenden Flächen ausweisen. Dahinter verbirgt sich die Hoffnung, mit billigen Grundstücken neue Unternehmen anzulocken und Arbeitsplätze zu schaffen - um vielleicht die Abwanderung der jungen Leute zu stoppen. Tatsächlich aber machen die Kommunen ihre Lage damit nur noch schlimmer, glaubt Thomas Preuss, denn neues Bauland zu erschließen kostet viel Geld:
    "Es ist ganz klar auch ein ökonomisches Problem. Immer wenn wir an den Rändern der Städte neue Infrastruktur schaffen, wir brauchen technische Infrastruktur, für Wasser, für Abwasser, für die Elektroanbindung. Und wir brauchen auch neue soziale Infrastruktur. Wir müssen Schulplätze schaffen, Kindergartenplätze."
    Bund will Zertifikate für den Flächenhandel
    Diesen Teufelskreis will das von Barbara Hendricks geleitete Bundesumweltministerium nun durchbrechen. Dort überlegt man, die Kommunen zum sparsamen Umgang mit freier Fläche zu zwingen - mithilfe von handelbaren Flächenzertifikaten.

    Konkret ist daran gedacht, jeder Stadt oder Gemeinde entsprechend ihrer Größe eine bestimmte Anzahl dieser Zertifikate zuzuteilen. Will die Kommune neues Bauland ausweisen, muss sie dafür die entsprechende Menge Flächenzertifikate ausgeben. Reichen die zugeteilten Zertifikate nicht aus, kann sie weitere bei anderen Gemeinden zukaufen. Nimmt sie jedoch die ihr zugeteilte Menge an Zertifikaten nicht in Anspruch, kann sie diese verkaufen. Abgewickelt werden soll dieser Handel über eine neue Internetplattform. Für den Bund liegt der Vorteil auf der Hand: Anhand der Anzahl der ausgegebenen Zertifikate kann er ganz genau bestimmen, wie viel freie Fläche jedes Jahr in Deutschland bebaut werden darf. Für Peter Fritsch, der im Bundesumweltministerium für die Eindämmung des Flächenverbrauchs zuständig ist, eine verlockende Aussicht.
    Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD).
    Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). (Imago / IPON)
    "Der Flächenhandel hat den Charme, dass ähnlich wie beim Wettrüsten, sich alle mal drauf geeinigt haben: Wir halten uns innerhalb des Rahmens."
    Für die Raumplanung allerdings sind in Deutschland in erster Linie die Bundesländer zuständig. Nordrhein-Westfalen beispielsweise hat sich jüngst ein Fünf-Hektar Ziel verordnet, Baden-Württemberg will gar keine neue Fläche mehr versiegeln. Doch im Bundesumweltministerium ist man skeptisch. Vor allem, weil Bundesländer wie Bayern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, auch die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen keine eigenen Einsparziele für den Flächenverbrauch formuliert haben. Peter Fritsch:
    "Wir haben verstanden, dass beim Flächenverbrauch der Gesellschaft ein bundesweiter Ansatz mit solchen Vorgaben guttut und jetzt die große Kunst darin besteht, es auf die niedrigste Ebene zu verlagern und ein System zu finden, was von möglichst vielen, am besten allen Beteiligten, als gerecht und angemessen empfunden wird."
    Das wird vermutlich auch nötig sein. Denn es ist noch nicht geklärt, ob Flächenzertifikate mit dem Grundgesetz und der dort garantierten kommunalen Selbstverwaltung vereinbar sind. So gibt der Bund heute nur einen informellen Rahmen für die Raumplanung vor. Bindend sind dagegen die Landesentwicklungs- und Regionalpläne. Wolfgang Ratzer ist stellvertretender Leiter der Stadtplanung in Esslingen bei Stuttgart. Er bezweifelt, dass ein Bundesgesetz, das seiner Stadt den Einsatz von handelbare Flächenzertifikaten vorschreibt, vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben wird.
    "Eins ist klar, wir haben in dem Planungsrechtsgefüge der Republik Vorgaben für die Kommunen. Die verfassungsrechtlich geschützte kommunale Planungshoheit wird natürlich gelenkt und gesteuert. Ob da jetzt noch ein weiteres Instrument erforderlich ist, da habe ich persönlich meine Zweifel."
    Test mit einem Planspiel
    Um diese Zweifel zu zerstreuen, hat das Umweltbundesamt in einem Planspiel getestet, ob der Flächenhandel funktionieren kann und welche Auswirkungen er hat. Städte und Gemeinden in ganz Deutschland konnten sich freiwillig daran beteiligen. Auch Wolfgang Ratzer aus Esslingen hat mitgemacht.
    Alle Kommunen haben im Vorfeld die Flächen, die sie als neues Baugebiet ausweisen wollen, einer sogenannten Fiskalanalyse unterzogen. Konkret heißt das: Das Institut der deutschen Wirtschaft hat im Auftrag des Umweltbundesamtes berechnet, ob sich die Erschließung der Grundstücke für die Stadt oder Gemeinde überhaupt lohnt; ob also die zu erwartenden zusätzlichen Steuereinnahmen die Kosten für die Erschließung decken.
    "Die fiskalische Wirkungsanalyse hat bei uns gezeigt, dass unserer Neubaugebiete, so wie wir sie geplant haben, dass das uns über den Betrachtungszeitraum bis 2013 immerhin zusätzliche Einnahmen in der Größenordnung von 100 Millionen Euro bescheren würde - bei knapp 30 Hektar Ausweisung für Wohnen und knapp 20 Hektar Ausweisung für Gewerbe."
    So gewinnbringend wie in Esslingen sind bei weitem nicht alle Projekte. Etwa ein Drittel erwies sich als unrentabel für die Kommunen. Bei der Hälfte dieser Grundstücke haben die Verwaltungen im Verlauf des Planspiels darauf verzichtet, sie als Bauland auszuweisen – die Bundesbehörden nennen schon das einen Erfolg. Zwar läuft die Auswertung des Planspiels noch bis Ende Oktober, mit den ersten Ergebnissen ist die zuständige Referatsleiterin im Umweltbundesamt, Gertrude Penn-Bressel, aber bereits zufrieden.
    "Es hat geklappt, der Handelstag. Es hat alles funktioniert und die Ergebnisse sind auch so im Rahmen dessen, was man denken würde auch vernünftig gewesen."
    Hohe Hürde für kleine Gemeinden auf dem Land
    Vernünftig heißt, dass sich der Preis pro Quadratmeter bei etwa 80 bis 100 € eingependelt hat. Für diese Summe mussten Kommunen, die mehr als die ihr zugewiesenen Flächen in Bauland umwandeln wollten, Flächenzertifikate zukaufen. Gerade für kleine ländliche Gemeinden ist das eine hohe Hürde, wenn man bedenkt, dass Bauland auf dem Land pro Quadratmeter teilweise deutlich unter 50 Euro kostet. Doch gerade diese Verteuerung ist gewollt, sagt Peter Fritsch aus dem Bundesumweltministerium:
    "Eins ist ganz klar, wenn man insgesamt ein Gut verknappt - das wäre jetzt Fläche -, dann hat es ökonomische Konsequenzen. Und das heißt, wenn Bedarf da ist, dann wird darüber ein Wettbewerb stattfinden. Und die Idee des Flächenzertifikate-Handels ist, es zu verknappen, ein möglichst gerechtes und einfaches System zu finden, um diese Preisbildung zu ermöglichen und den Flächenverbrauch an die Stelle zu schieben, wo er auch wirklich erforderlich ist und nicht einem Ausweisen von Flächen Vorschub zu leisten, die auf dem Prinzip Hoffnung beruhen."
    Auch Dessau-Roßlau hat am Planspiel teilgenommen. Volker Stahl, der für die Stadtplanung zuständig ist, startet in einem kleinen Raum im Technischen Rathaus den Computer.
    "Jede Kommune konnte sich über ein Passwort und Login-Daten hier in diese Plattform einblenden und hatte dann die Möglichkeit dieses Planspiel auch hier zu vollziehen und vor dem Planspiel auch hier Daten einzugeben."
    Gemeinsam mit einem Kollegen hat Stahl mit Flächenzertifikaten gehandelt. Die 80.000 Einwohner zählende Stadt in Sachsen-Anhalt schrumpft seit Jahren. Dessau-Roßlau hatte deshalb Zertifikate übrig und konnte diese verkaufen. Außerdem hat Stahl für zwei Gebiete das Baurecht zurückgenommen; ein Baurecht, das seit Langem besteht, aber nie genutzt wurde. Dafür hat Dessau-Roßlau sogenannte weiße Zertifikate erhalten, mit denen er ebenfalls handeln konnte, mit mehreren Millionen Euro Gewinn:
    "Aber man kommt natürlich dann schon in die Situation, wo man natürlich auch sagt: Wenn man einmal hier börsenorientiert handelt, kann man nicht möglicherweise eben halt Entwicklungen verschieben, um erst mal sagen wir mal mit den Zertifikaten, wenn die Möglichkeiten hat, so wie Dessau-Roßlau, wirklich zu handeln und Geld zu erwirtschaften, um dann vielleicht andere Entwicklungen vornehmen zu können. Also das war schon ganz interessant, die Erfahrung zu machen: Wie wirkt das auch auf einen selber, wenn man dort auch plötzlich Finanzexperte wird."
    Trend zu marktwirtschaftlichen Instrumenten
    Weltweit gibt derzeit einen Trend zu marktwirtschaftlichen Instrumenten der Umweltpolitik. Vorreiter war der CO2-Handel. Um den Ausstoß des Klimagases in Europa haben die europäischen Regierungen hierfür eine Obergrenze beschlossen. Die Verteilung, wer nun wie viel dieser beschlossenen Menge ausstoßen darf, sollte möglichst effizient organisiert werden. Seither werden die Emissionsrechte gehandelt. Will ein Kraftwerk sich erweitern und mehr CO2 ausstoßen, muss der Betreiber neue Zertifikate kaufen. Der ökonomische Anreiz, möglichst wenig Kohlendioxid auszustoßen, ist also gegeben.

    Solche Marktinstrumente werden auch zum Schutz des Regenwaldes eingesetzt, Biodiversität soll mit Marktmechanismen erhalten werden, es gibt handelbare Klimazertifikate. Diese Liste lässt sich fortsetzen. All diese Märkte sind sogenannte künstliche Märkte, sie entstehen nicht spontan, sondern sie werden von Regierungen geschaffen. Unter staatlicher Aufsicht wird dann - nach festgelegten Kriterien - mit Verschmutzungsrechten oder – in Deutschland in Zukunft vielleicht – mit Flächenzertifikaten gehandelt. Jutta Kill arbeitet für die Nichtregierungsorganisation FERN. Die Biologin setzt sich in Brüssel für den Erhalt natürlicher Lebensräume ein.
    Regenwald im "Serra dos Orgaos"-National Park in Brasilien
    Mithilfe solcher künstlichen Marktmechanismen soll der Regenwald geschützt werden. (imago / Mint pictures)
    "Natürlich ändert sich auch unser Bild von Natur ganz grundlegend, wenn wir Natur nur noch in messbaren Einheiten beschreiben. Wenn Natur nicht mehr als besonderer Ort an sich gesehen wird, sondern nur noch als eine Fläche, die bestimmten Kriterien entspricht. "
    Sie zweifelt daran, dass das System funktioniert. Auch im Umweltbundesamt hat man bereits eine Schwachstelle ausgemacht. Denn viele Kommunen - vor allem in Ostdeutschland - haben noch riesige, als Bauland ausgewiesene Flächen in ihren Katastern stehen, die heute Wälder oder Wiesen sind. Diese Kommunen könnten das Baurecht für diese Flächen zurücknehmen, und damit nur nachvollziehen, was in der Realität bereits Bestand hat. Beim Flächenhandel allerdings würden sie für diesen Schritt weiße Zertifikate erhalten, die sie dann auf den Markt werfen können. Mit der Folge, dass an anderer Stelle in Deutschland gebaut wird. Jutta Kill:
    "Wenn ich den Handel erlaube, ob es nun mit Biodiversität oder mit Fläche, und Gutschriften, Zertifikate austeile bis an die Obergrenze, dann bedeutet das, dass mit der Ausgabe dieser Gutschriften ein neues Eigentumsrecht geschaffen wurde, ein neuer Wert geschaffen wurde. Und selbst, wenn ich als Gemeinde nicht vorhatte, die mir zugeschriebene maximale Fläche zu verbauen, oder zu verbrauchen, werde mein Recht zu Geld machen."
    Genau das soll der Handel mit Fläche bewirken - nämlich einen Geldtransfer von den reichen, prosperierenden Städten hin zu den schrumpfenden und finanziell klammen Gemeinden, die ihre ungenutzten Zertifikate auf den Markt werfen könnten. Allerdings werden eben diese Kommunen vom Bund und den Ländern bereits heute unterstützt - mit der Städtebauförderung beispielsweise, die nach strengen Kriterien vergeben wird. Der Handel mit Zertifikate hätte dagegen ganz andere Regeln.
    "Und damit sind diese Veränderungen hin zu mehr Zahlungen, hin zu Handel mit Fläche - aus meiner Perspektive - Instrumente, die uns genau in die falsche Richtung führen. Denn was wir eigentlich brauchen, ist ein anderer gesellschaftlicher Diskurs, darüber wie wir mit Fläche umgehen wollen. Darüber, wofür wir wo und wie Fläche verbrauchen wollen."
    Umweltbundesamt ist überzeugt von der Idee
    Kritik, die im Umweltbundesamt verhallt. Hier ist man überzeugt von der Idee. Nach den Plänen des Bundesumweltministeriums soll der Flächenhandel so schnell wie möglich gesetzlich verankert und eingeführt werden. Denn der Bundesregierung bleiben nur noch fünf Jahre, um ihr eigenes Nachhaltigkeitsziel zu erreichen.
    "Also, was man sagen kann ist, dass nur der Flächenhandel vom System her, weil er eben den Flächenverbrauch auf 30 Hektar pro Tag deckelt, eine treffsichere Erreichung des 30 Hektar-Ziels bis 2020 ermöglichen würde, wenn man es bis dahin politisch umgesetzt kriegt. Das ist das einzige Instrument, wo wir das mit Sicherheit sagen könnten."
    Nach der Auswertung des Planspiels Ende Oktober will Peter Fritsch aus dem Umweltministerium sofort an die konkrete Ausarbeitung gehen. Eine Einigung unter den Regierungsparteien zu finden, erscheint möglich, denn zumindest die jetzt durchgeführte Probephase in einem Planspiel steht im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD. Widerstand ist allerdings aus dem Bundesrat zu erwarten, denn das System stellt einen erheblichen Eingriff in die Planungshoheit der Länder dar. Und auch in den Städten und Gemeinden überwiegen die kritischen Stimmen, so auch bei Wolfgang Ratzer aus Esslingen. Und doch räumt er ein, dass in seinem Team über Vor- und Nachteile diskutiert werde.
    "Es gibt eine gemeinsame Schnittstelle bei diesen Meinungen, die sich bei uns abgezeichnet haben, nämlich dass man den Flächenhandel alleine nicht als möglichen Lösungsansatz sieht. Es müsste im günstigsten Fall kombiniert werden mit einer durchdachten Planung, mit einer Strukturpolitik, die klare Ziele macht und aber auch Öffnungsklauseln hat, damit man reagieren kann, wenn sich die Rahmenbedingungen dramatisch ändern."
    Das effektivste Mittel, den Flächenverbrauch zu lenken und zu begrenzen, ist für ihn eine verbindliche Landes- und Regionalplanung, bei der die Kommunen der Region gemeinsam überlegen, wo welche Flächen ausgewiesen werden sollen. Denn nur so könne man das ruinöse Werben um neue Einwohner und Unternehmen Einhalt stoppen. Ein Flächenhandel dagegen fördere eher den Wettbewerb unter den Kommunen. Ein Wettbewerb, den der Bund ja eigentlich begrenzen will.