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Fleisch
"Der Verbraucher sollte ein bisschen zahlungswilliger sein"

Der Markt für Fleisch und Wurst ist in Deutschland hart umkämpft. Die Preise sind deutlich niedriger als in anderen europäischen Ländern. Bessere Qualität könne es nur geben, wenn die Verbraucher bereit seien, mehr zu bezahlen, sagte der Lebensmittelökonom Markus Mau im DLF.

Markus Mau im Gespräch mit Benjamin Hammer |
    Ein durchwachsenes, rohes Rindersteak, dekoriert mit einem Rosmarinzweig.
    Wer eine bessere Fleischqualität will, muss mehr bezahlen. (dpa / picture alliance / Marco Stirn)
    Benjamin Hammer: Wer gestern Abend im Ersten eine Doku über die Schweinezucht in Deutschland gesehen hat, dem könnte heute der Appetit auf das Schnitzel vergangen sein. Da war zu sehen, wie in manchen Schweineställen Mitarbeiter scheinbar wahllos mehrere Ferkel aus dem Stall griffen und am Geländer totschlugen - ein Ferkel nach dem nächsten, immer wieder. Der Grund für die Praxis, so die Autoren des Films, der extreme Preisdruck auf dem Markt für Wurst und Fleischwaren. Heute kam eine Nachricht aus Bonn, die zu diesem Preisdruck und Preiskampf passen könnte. Das Bundeskartellamt verhängt eine Strafe von über 330 Millionen Euro gegen 21 Wursthersteller wegen unerlaubter Absprachen.
    Preise von der Homepage einer großen Supermarktkette: 200 Gramm Schinkenwurst 79 Cent, 500 Gramm Hackfleisch gemischt 2,29 Euro, Teewurst, 125 Gramm, 85 Cent. Ganz klar: Fleisch kann kaum billiger sein. Vielleicht haben sich deshalb 21 Wurstfabrikanten getroffen und illegal Preiserhöhungen abgesprochen. So berichtete es heute das Bundeskartellamt.
    Mitgehört hat Markus Mau. Er ist Professor für Ökonomie an der Universität Gießen und beschäftigt sich viel mit der Frage, wie teuer Lebensmittel eigentlich sind und wie billig sie sein dürfen. Guten Tag, Herr Mau.
    Markus Mau: Guten Tag, Herr Hammer.
    Hammer: Gleich 21 Wurstfabrikanten sprechen sich ab, wollen irgendwie die Preise erhöhen. Warum machen die das?
    Mau: Ja, das ist ganz schön verdächtig, wenn 21 sozusagen am gleichen Strang ziehen. Das hängt ganz gewaltig damit zusammen, dass man seine Marke schützen will, dass man die Gewinnspannen, die man mit seiner Marke erzielen kann, dann auch realisieren möchte, und das geht in einem starken Wettbewerb besonders gut, wenn man sich abspricht.
    In Deutschland sind die Preise sehr niedrig
    Hammer: Wie teuer ist unser Fleisch eigentlich im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn?
    Mau: In Deutschland sind die Lebensmittelkosten insgesamt deutlich niedriger. Genau das gleiche gilt dann auch für Wurst und Fleischwaren. Sie haben ja die Preise vorhin in Ihrem Beitrag auch schon genannt. Das sind ja Centbeträge. Das kann selten mit einer sehr guten Qualität einhergehen. Sehr niedrig in Deutschland sind die Preise.
    Hammer: Warum sind die Preise so niedrig?
    Mau: Ja, wir haben einen sehr starken Wettbewerb im Lebensmittelhandel insbesondere. Die Lebensmittelhändler drücken sozusagen auf die Preise. Dadurch erklärt sich auch dieser Kartellversuch oder dieses reale Kartell, was es gegeben hat. Damit probiert man, niedrige Einstandspreise durchzusetzen gegenüber den Produzenten und dem Urprodukt.
    Hammer: Jetzt kaufe ich, Herr Mau, 500 Gramm Hackfleisch für zwei Euro. Wie glücklich waren dann die Schweine?
    Mau: Das hat der Beitrag gestern in der ARD gezeigt: Da ist nicht viel mit glücklichen Schweinen, weil da geht es um Produktionskosten und ein Stall ist teuer. Je mehr Schweine auf engem Raum stehen, umso günstiger die Produktion.
    Die Mehrheit will günstig einkaufen
    Hammer: Jetzt könnte man ja sagen, es ist doch toll, wenn die Wurstfabrikanten geschlossen die Preise erhöhen, sich nicht mehr vielleicht dem Diktat der Märkte, der Supermärkte ergeben, es ist endlich Schluss mit diesem Billigfleisch. Ganz so einfach ist es jetzt natürlich nicht, aber was müsste passieren, damit Preise und Qualität, Preise und Tierschutz ein besseres Gleichgewicht finden?
    Mau: In letzter Konsequenz liegt es am Verbraucher. Wenn wir im Supermarkt bereit sind, ein bisschen mehr zu zahlen, dann bekommen wir auch eine bessere Qualität. Solange wir alle auf diese Preisangebote reinfallen, die wir wunderschön im Farbabdruck jede Woche im Briefkasten liegen sehen, solange können wir das nicht erwarten. Solange die Mehrheit günstig einkaufen will, sehen sich die Händler natürlich genötigt, möglichst günstig Ware zu beschaffen.
    Hammer: Warum ist das so? Wir sehen Dokus, wir werden aufgeklärt von Verbraucherschutz-Organisationen, und es gibt wahrscheinlich kaum Leute, denen das nicht nahegeht, wenn sie Bilder sehen von kleinen Ferkeln, die an Geländern totgeschlagen werden, wenn man dann zum Supermarkt an die Ecke geht?
    Mau: Ja, das liegt am deutschen Einkaufsverhalten. Die Preise sind niedrig im Vergleich zum europäischen Ausland. Unsere Lebensmittel-Haltungskosten sind gering und wir sind alle sehr sensible preisgesteuerte Kunden. Das heißt, wir achten ganz gewaltig darauf, in welchem Supermarkt welche Warengruppen wie günstig angeboten werden, und Fleisch ist auch für die Händler eine ganz wichtige Warengruppe, um sich zu profilieren, und zwar im Preiskampf, um zu zeigen, wie günstig man "gute" Fleischqualität bieten kann. Was gut bedeutet, können wir als Verbraucher, wenn wir vor der Kühltruhe stehen, nicht erkennen.
    Kurz innehalten, bevor man zugreift
    Hammer: Wir können das nicht erkennen. Die Verbraucher sorgen eher für Preissenkungen, nicht für Preissteigerungen. Ist da die Politik gefragt?
    Mau: Wie sollte das funktionieren? Eigentlich ist noch mehr Sensibilität der Verbraucher gefragt. Die Preise, die in den Angebotszetteln genannt sind, Hackfleisch für solche Kampfpreise, welche Qualität soll in der gesamten Wertschöpfungskette da drinstecken? Das ist gar nicht möglich. Und wenn man nur kurz innehalten würde, bevor man zugreift, wird einem das klar. Und wenn man dieses kleine Mehr an Kosten sieht, was man real pro Verbraucher für die relativ kleine Menge Fleisch, die ich als Einzelperson esse, sieht, sollte man durchaus auch ein bisschen zahlungswilliger sein.
    Hammer: Können Sie da eine Faustformel nennen? Wie viel Prozent für glückliche Schweine?
    Mau: Ja, das ist natürlich nicht ganz einfach. Wer hat was davon? Es gibt völlig unterschiedliche Warengruppen. Das Schwein besteht ja auch aus völlig unterschiedlichen Stücken. Aber wenn man einfach mal vereinfacht von 20 Prozent mehr ausgeht, dann ist das nicht viel. 20 Prozent auf den Kilopreis hört sich vielleicht noch relativ viel an und ist genau das Abschreckende in der Werbung. Aber wenn Sie sich überlegen, wenn Sie zu einem günstigen Preis kaufen, sieben Euro je Kilo, und dann schlagen Sie was drauf, dann zahlen Sie für die Portion, die eine Einzelperson isst, vielleicht gerade 20, 25 Cent mehr, also sehr überschaubar.
    Hammer: Der Preis des Fleisches - warum 21 Wurstfabrikanten illegal die Preise abgesprochen haben. Das waren Einschätzungen von Markus Mau, Lebensmittelökonom an der Universität Gießen. Besten Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.