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Fortschritte in der Kinderchirurgie

Medizin. - Eines von 2.500 Kindern kommt mit einer angeborenen Fehlbildung zur Welt. Defekte wie ein Loch im Zwerchfell müssen schnell von Chirurgen behoben werden, wenn das Kind überleben soll. Hierbei setzt sich zunehmend die Minimal-Invasive Chirurgie durch.

Von Volkart Wildermuth | 27.04.2012
    Wenn die Speiseröhre nicht geschlossen ist, dann gelangt die Muttermilch in den Brustraum, statt in den Magen. Wenn das Zwerchfell ein Loch hat, drängen Organe aus dem Bauch in die Brust und zwängen die Lungen ein. Für die Kinder war das noch vor gar nicht so langer Zeit ein Todesurteil, erinnert Professor Jörg Fuchs, Ärztlicher Direktor der Kinderchirurgischen Klinik der Universität Tübingen:

    "So sind in den Sechzigern von all diesen Fehlbildungen fast alle Kinder gestorben, das heißt wir haben eine fast 100 Prozentige Mortalität gehabt und wir haben heute erreicht, dass wenn die Kinder in spezialisierten Händen operiert werden 95 Prozent der Kinder überleben."

    Ein großer Fortschritt in der Kinderchirurgie. Die wenigen Todesfälle sind meist auf weitere Fehlbildungen etwa des Herzens zurückzuführen.
    Früher wurde für solche Operationen der Brustkorb der Neugeborenen auf fünf Zentimeter Länge aufgetrennt. Das blieb nicht ohne Folgen. Bei der Heilung verschmolzen manchmal die Rippen oder es kam zu einer Verkrümmung der Wirbelsäule.

    Die Chirurgen suchten deshalb nach Alternativen, wollten minimal-invasiv vorgehen. In der Erwachsenenchirurgie werden dabei Instrumente mit einem Durchmesser von einem halben Zentimeter verwendet, zu groß für Neugeborene. Doch als die Hersteller kleinere Varianten entwickelten, konnten sich die ersten Kinderchirurgen an minimal-invasive Operationen direkt nach der Geburt wagen. Auch Jörg Fuchs in Tübingen gehörte zu diesen Pionieren.

    "Sie müssen sich vorstellen, da ist ein 2,5 Kilo schweres Kind, sie haben einen kleinen Brustkorb, die Speiseröhre ist nicht durchgängig und sie operieren diesen Patienten in einem so kleinen Raum mit drei Millimeter Instrumenten und nähen die Speiseröhre zusammen. Wir konnten heute in Studien zeigen, dass letzen Endes die Ergebnisse was die Funktion betrifft genauso gut sind, wie bei der offenen Operation, dass die Kinder was die Liegedauer und die Beatmungszeit betrifft, davon deutlich profitieren."

    Es sind auch weniger Schmerzmittel notwendig und kosmetisch ist das Ergebnis in jedem Fall besser, als bei der offenen Operation. Das zeigen Vergleichsstudien aus den USA aber auch aus Tübingen. Dort dauert die Operation inzwischen nur noch eine Stunde, und damit auch nicht länger, als beim klassischen, offenen Eingriff.

    An das Handwerk des Chirurgen stellt die minimal-invasive Operation allerdings große Anforderungen. Bei Erwachsenen lässt sich die Lunge einfach zusammendrücken, um ein freies Sichtfeld und Platz für die Operation zu schaffen. Bei den Neugeborenen ist das nicht möglich, wenn sie unter Sauerstoffmangel leiden, kann eine Hirnblutung ausgelöst werden. Deshalb sind Kinderchirurgen wie Jörg Fuchs auf ein eingespieltes Team angewiesen.

    "Die Pflege spielt eine große Rolle, aber auch die Anästhesie die Intensivmedizin. Es muss also das Ganze Setting stimmen und deswegen kann eine solche Therapie auch nur in kompetenten Zentren durchgeführt werden."

    Die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie arbeite an einem Zertifizierungsverfahren für solche Zentren. Jörg Fuchs hofft, dass es in drei bis fünf Jahren etabliert sein wird. Für die Eltern bedeutet das im Zweifelsfall eine weitere Anreise.

    Die meisten Fehlbildungen in Brust und Bauchraum erkennen die Frauenärzte aber schon vor der Geburt im Ultraschall. So kann für die Geburt gezielt eine Klinik mit kinderchirurgischem Zentrum ausgesucht werden.

    Jörg Fuchs und sein Team in Tübingen nutzen inzwischen für alle diese Eingriffe die minimal-invasive Operationstechnik. Damit sichern sie nicht nur direkt das Überleben ihrer kleinen Patienten sondern auch langfristig deren Lebensqualität.

    "Sehr viele Kinder mit diesen angeborenen Fehlbildungen können ein normales Leben führen und sind demzufolge auch, dass muss man mal so sagen, später als Arbeitskräfte für den Staat attraktiv."

    Das sollte sich der Staat auch etwas kosten lassen, meinen die Kinderchirurgen. Sie forderten in Berlin, dass die Krankenkassen es den Klinken ermöglichen sollten, Kinder wie früher üblich schon einen Tag vor der Operation aufzunehmen, um sie optimal auf den Eingriff vorbereiten zu können.