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Foto-Blog "Laden-Helden"
Klein, fein und gemütlich

Kleine Läden machen den Charme eines jeden Stadtviertels aus. Zwar sind sie im Vergleich zur Online-Konkurrenz meist teurer, stehen aber für mehr Beratung, Menschlichkeit und bringen Leben in die Straßen. Mit ihrem Foto-Projekt „Laden-Helden" porträtieren die Münchener Blogger Verena Gremmer und Dirk Tacke die schrullig-skurrilen Betreiber individueller Läden.

Von Andi Hörmann | 12.08.2015
    Pittoreske Frontalansicht eines Tante-Emma-Ladens auf der Ile St. Louis in Paris
    Klein, aber fein: Ein Tante-Emma-Laden in Paris (dpa-Zentralbild)
    "Ich mag alles, was nicht Mainstream ist und alles, was nicht offensichtlich ist, sondern alles, wo man ein bisschen genauer hinschauen muss, oder was eine Geschichte hat."
    Die verborgenen Geschichten liegen nicht auf der Straße, sondern stecken hinter den knarzenden Türen kleiner Läden.
    "Ich fahre von mir zu Hause zu meiner Arbeit in mein Fotostudio und komme eigentlich an ganz, ganz vielen Leuten vorbei, die anfangen, am Morgen ihre Läden herzurichten. Und irgendwie hat mir das immer gefallen."
    Verena Gremmer und Dirk Tacke machen sie zu Helden, die selbständigen Ladenbesitzer in München. Mit ihrem Foto-Blog Laden-Helden porträtieren sie die schrullig-skurrilen Betreiber individueller Läden inmitten ihres zum Verkauf angebotenen analogen Krimskrams: bunte Stoffe, zuckersüße Backwaren, knisterndes Vinyl. Verena Gremmer:
    "Sowohl um Mode, Bücher, Musik zu entdecken, sind kleine Läden super. Und sie machen halt auch das Stadtbild interessant. Also selbst, wenn sie am Sonntag geschlossen sind und du durch die Stadt gehst und in die Schaufenster rein schaust, da ist immer irgendwas zu entdecken. Wenn du dir vorstellst, jeder kauft nur noch bei Amazon, dann wird es sehr traurig in jeder Stadt ausschauen."
    Designbüros verdrängen Tante-Emma-Läden
    München ist ein hartes Pflaster für kantige Krämer- und trashige Trödel-Läden, und natürlich die aus der Zeit gefallenen Tante-Emma-Läden. Sie weichen immer mehr polierten Architektur- und Designbüros. Die Mietpreise in der Innenstadt explodieren, die Lebenshaltungskosten gehen durch die Decke. Ein Teufelskreis, ein Trauerspiel!
    Im Arbeitszimmer bei Verena Gremmer zuhause bekommen sie eine Plattform im Internet, die Münchner "Laden-Helden":
    "Zu sehen ist erst mal ein Foto, das der Dirk gemacht hat. Man sieht da in dem Fall den Gutfeeling Record Store von außen und in der Tür lehnt der Besitzer, der Andreas. Wenn man dann weiter runter scrollt, gibt es erst mal so einen kleinen Text, der beschreibt was Gutfeeling ist und was man da bekommt, wo er ist und den Link zur Webseite. Dann kommt mein Video, das ist auf Youtube hochgeladen und im Blog eingebettet.
    Dann gibt es darunter noch ein Porträt, also ein Foto, der Laden-Held aus der Nähe. Und dann, weil der Dirk ja ein Still-Lifer ist, gibt es dann noch ein Still-Life."
    Zu sehen sind:
    "Einige persönliche Dinge und Dinge aus dem Laden. Also zum Beispiel ein Schlüsselbund, ein altes Feuerzeug, ein Stempel, Tonbandspulen ... Und das ist auf dem Boden des Ladens fotografiert. Also man bekommt so ein Gefühl dafür, wie es in dem Laden innen ausschaut. Dass dieser Laden auch über die Zeit gewachsen ist und alles eine Geschichte hat, was da drin ist."
    Stoff aus dem Glockenbachviertel
    Das zweite Porträt ist gerade in Arbeit. Diesmal ist es eine "Laden-Heldin" aus dem Münchner Szeneviertel schlechthin:
    "Mein Name ist Gesa Götting. Ich besitze einen kleinen Stoffladen mit angeschlossenem Kinder-Label im Münchner Glockenbachviertel. Und der Laden heißt Roly Poly."
    Der Laden liegt in der Klenzestraße, die eigentlich schon sinnbildlich ist für das Glockenbachviertel. Da ist einiges los:
    "Wir haben eigentlich schon eine ganz gute Bandbreite von wahnsinnig schönen kleinen Läden in der Straße. Und die Mischung stimmt. Das ist noch so richtig Glockenbach. Wir sagen immer: jenseits der Frauenhoferstraße beginnt dann der richtige Trubel. Wir sind noch klein, fein und gemütlich."
    Klein, fein und gemütlich - besser lassen sie sich nicht beschreiben, die originellen Läden in bester Innenstadtlage. Verena Gremmer und Dirk Tacke setzen ihnen mit ihrem Foto-Blog "Laden-Helden" ein Denkmal im Internet: gegen das Ladensterben durch den Einkauf per Mausklick, für ein familiäres Einkaufserlebnis - Beratung und Begegnung inklusive. Das Online-Dossier "Laden-Helden" ist kein großes Kunstformat: Es sind handwerklich gut gemachte Bilder und die Tonqualität im Video ist eher seicht. Aber die Idee ist äußerst charmant, sagt Dirk Tacke:
    "Wir wollen sie natürlichen ein bisschen hypen, ihnen sagen: hey, was ihr da macht, das ist nicht alltäglich, das ist etwas Besonderes, das bleibt uns vielleicht nicht auf Ewigkeit. Darum großen Respekt. Und das zeigen wir jetzt auch allen, in der Hoffnung, dass das andere auch ähnlich empfinden."