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"Griechenland ein bisschen Luft verschaffen"

Der von den Finanzministern der 16 Euro-Länder gestern vereinbarte Notfallplan für Griechenland birgt nach Ansicht des FDP-Europaabgeordneten Wolf Klinz einige Gefahren. Er könnte für andere Länder geradezu eine Einladung sein, nun ebenfalls finanzielle Unterstützung zu fordern.

Wolf Klinz im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 16.03.2010
    Dirk-Oliver Heckmann: Noch hat die griechische Regierung unter dem Sozialisten Papandreou bei der EU gar nicht um finanzielle Hilfe nachgesucht, um den drohenden Staatsbankrott abzuwenden. Beobachter gehen aber davon aus, dass das nur noch eine Frage der Zeit sein wird. Um im Fall der Fälle schnell reagieren zu können, haben die Finanzminister der Euro-Zone gestern beschlossen, mit wohl milliardenschweren Krediten auszuhelfen, um Schaden vom Euro abzuwenden.

    Kurz vor der Sendung haben wir mit Wolf Klinz gesprochen. Er sitzt für die FDP im Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments. Ihn habe ich gefragt, ob er eine Zustimmung zu dem Notfallplan empfehlen kann.

    Wolf Klinz: Ja. Ich glaube, es hat sich ja schon seit ein paar Tagen, oder vielleicht sogar schon seit zwei, drei Wochen angedeutet, dass irgendetwas dieser Art vorbereitet wird. Ich würde schon allerdings Wert darauf legen, dass wir von einem Notfallplan zu sprechen haben und dass es keine garantierte Zusage ist. Also ich glaube, alle Mitgliedsstaaten der Euro-Zone sind nach wie vor darauf bedacht, alles zu versuchen, dass Griechenland die Krise alleine meistert. Griechenland hat ja auch bisher noch nicht offiziell um eine finanzielle Unterstützung, weder durch einen anderen Mitgliedsstaat, noch durch die EU insgesamt gebeten, und wenn es zu einer Hilfestellung kommen sollte – und ganz ausschließen kann man das sicherlich nicht; das hängt nicht zuletzt auch von der Entwicklung der Märkte ab -, dann muss das so passieren, dass das Gesetzeswerk, also die vertragliche Grundlage für die Einführung des Euro, nicht beschädigt wird.

    Heckmann: Darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen, denn der EU-Vertrag untersagt ja, dass Mitgliedsländer, die sich überschulden, herausgekauft werden sozusagen.

    Klinz: Richtig!

    Heckmann: Wäre also die Umsetzung dieses Notfallplans im Prinzip nicht ein Verstoß gegen das Vertragswerk?

    Klinz: Es kommt darauf an, wie die Umsetzung konkret erfolgt. Es wäre sicherlich ein Verstoß gegen das vertragsrechtliche Werk und die Grundlagen, wenn jetzt andere Mitgliedsstaaten – nehmen wir mal an Deutschland, Frankreich und vielleicht noch ein paar andere – einfach hergingen und würden Griechenland finanzielle Unterstützung gewähren durch Überweisung von Geld, oder durch direkten Ankauf von Staatsanleihen der griechischen Regierung und dergleichen. Also man wird versuchen, das so zu konstruieren, dass es zumindest in der Grauzone bleibt.

    Heckmann: Wie kann das geschehen?

    Klinz: Wenn zum Beispiel die Kreditanstalt für Wiederaufbau als deutsche, in Staatsbesitz befindliche Bank Staatsanleihen der Regierung Griechenlands aufkauft, dann wäre das zumindest im Grauzonenbereich. Da gibt es Interpretationen der Maastricht-Verträge, die sagen, das ist kein Verstoß, und es gibt andere Interpretationen, die sagen, das ist eigentlich doch ein Verstoß. Also das ist zumindest in der Grauzone.

    Heckmann: Wie immer man es drehen und wenden will, in jedem Fall muss sich Deutschland wohl auf milliardenschwere Zusatzkosten einstellen, oder?

    Klinz: Da wäre ich nicht so sicher. Zunächst einmal, Herr Heckmann, wenn, dann ist eine solche Hilfestellung sicherlich nur gedacht als eine temporäre Hilfestellung, die auch verzinst wird. Das geht also darum, Griechenland, wenn man es salopp ausdrücken will, ein bisschen Luft zu verschaffen. Wir dürfen nicht vergessen, dass im April und im Mai wiederum Umschuldungen anstehen. Das heißt, es müssen neue Staatsanleihen von der Regierung Griechenlands im Markt verkauft werden. Man will durch diese Ankündigung einer möglichen Hilfestellung sicher sein, dass derartige Aktionen tatsächlich erfolgreich verlaufen können. Die letzte Anleihe, die Griechenland vor ein paar Wochen herausgebracht hat, ist immerhin dreimal überzeichnet worden. Also es ist schwierig, es ist schlimm, aber es ist nicht völlig aussichtslos, und die Märkte haben immerhin durch die dreimalige Überzeichnung zu verstehen gegeben, dass das aktuelle Zinsniveau von rund sechs Prozent durchaus hoch genug ist, um Anleger zu motivieren, in diese Papiere zu investieren.

    Heckmann: Wie groß, Herr Klinz, ist die Gefahr, dass sich andere Länder geradezu ermutigt fühlen, ermuntert fühlen, es Griechenland gleich zu tun, wenn es eben zu solchen Hilfszahlungen kommt?

    Klinz: Genau das ist der Punkt, Herr Heckmann. Das ist, wenn das nicht sehr vorsichtig geschieht und wenn es nicht mit erheblichen Kautelen verbunden ist, geradezu eine Einladung für die anderen Staaten, nun auch den Antrag auf finanzielle Unterstützung zu stellen, und deswegen muss man hier sehr vorsichtig sein. Griechenland ist gewissermaßen das Beispiel: Kommt es zu einer Domino-Reaktion, oder kommt es nicht zu einer Domino-Reaktion. Ich glaube, nicht zuletzt deswegen arbeiten ja die Regierungen jetzt auch an dem Konzept, einen Europäischen Währungsfonds aufzustellen, der im Fall des Falles zumindest das nächste Mal dann für eine derartige temporäre Hilfestellung zur Verfügung stünde. Für Griechenland wird das zu spät kommen, denn einen solchen Fonds in die Welt zu setzen mit allem, was das erfordert, braucht Zeit. Da müssen neue vertragliche Grundlagen geschaffen werden, da gibt es erheblichen Abstimmungsbedarf, da muss geklärt werden, welche Rechte und Eingriffsmöglichkeiten er hat, wer wie viel einzahlt und, und, und. Also das geht nicht innerhalb von ein paar Wochen.

    Heckmann: Müsste eine Konsequenz nicht auch sein, dass ein Land den Euro verliert, wenn es finanzpolitisch einen solchen Kurs verfolgt wie Griechenland?

    Klinz: Das wäre sicherlich eine sehr starke Botschaft gewesen, wenn man das in die ursprünglichen Verträge in der Form hätte aufnehmen können. Wir sehen ja jetzt, dass es sich schon bitter rächt, dass man in den ersten Jahren relativ lax mit der Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts umgegangen ist, und da müssen wir uns leider auch als Deutsche an die eigene Brust klopfen. Wir selber haben ja mehrere Jahre gegen die Vorschriften des Paktes verstoßen und haben es abgelehnt, auch nur einen blauen Brief in Empfang zu nehmen, geschweige denn irgendwelche Sanktionsmechanismen gegen uns einsetzen zu lassen. Das rächt sich jetzt bitter und deswegen ist es ganz entscheidend, dass man diesmal am Falle Griechenlands ganz klar macht, bis hierher und nicht weiter, wir wollen nicht, dass wir zwei Möglichkeiten haben, die müssen wir beide um jeden Preis vermeiden.

    Erstens: Wir wollen keine Transferunion haben. Das heißt, wir wollen nicht das haben, was wir in Deutschland kennen in Form des Länderfinanzausgleiches. Das darf sich auf europäischer Ebene nicht wiederholen, dass gewissermaßen schwache Mitgliedsstaaten darauf pochen können und damit rechnen können, dass die etwas stärkeren Mitgliedsstaaten einfach Gelder transferieren. Das ist sicherlich nicht akzeptabel. Und das Zweite, was auch nicht akzeptabel ist, dass wir die vertraglichen Grundlagen, die der Euro-Einführung vorangingen, einfach komplett zur Seite schieben und damit den Weg ebnen für eine Weichwährung, dass also quasi der Euro der Zukunft das ist, was in der Vergangenheit Lira, Peseta und Drachme waren.

    Heckmann: Die französische Finanzministerin Christine Lagarde hat die deutsche Exportpolitik mitverantwortlich gemacht für die Schuldenkrise, denn die Preise durch die zurückhaltende Lohnpolitik würden künstlich niedrig gehalten. Müssen wir uns also auch bei diesem Punkt an die eigene Nase packen?

    Klinz: Das halte ich für ziemlich ungerechtfertigt, diesen Vorwurf, denn im Grunde haben die Deutschen das gemacht, was Griechenland versäumt hat, nämlich wir haben immer uns orientiert am globalen Maßstab, oder am globalen Wettbewerb in der Welt und haben dort, wo wir festgestellt haben, unsere Wettbewerbsfähigkeit ist in Gefahr, oder hat sogar schon nachgelassen, dann ganz gezielt rigorose Strukturierungsmaßnahmen angepackt. Nicht zuletzt das ist das, was die deutsche Wirtschaft insgesamt ja ausgezeichnet hat schon über viele Jahrzehnte. Auch in der Vergangenheit ist ja Deutschland mit einer starken D-Mark, die gelegentlich, alle so und so viele Jahre ja immer auch aufgewertet wurde, gut gefahren, weil wir diese Anstrengungen zum Erhalt oder zur Stärkung unserer Wettbewerbsfähigkeit konsequent verfolgt haben. Das hat Griechenland versäumt.

    Das uns jetzt vorzuwerfen, das halte ich schon für ein relativ starkes Stück. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Wir müssen den Griechen und auch den Italienern, Portugiesen et cetera sagen, passt auf, Freunde, wenn ihr euere Hausaufgaben macht, wenn euere Unternehmen, euere Wirtschaft die Hausaufgaben macht, dann hat sie nichts zu befürchten, dann könnt ihr nach wie vor auch den schärfer werdenden internationalen Wettbewerb bestehen.

    Heckmann: Wie kommt Europa aus der Finanzkrise? Dazu war am Telefon Wolf Klinz, der FDP-Abgeordnete im Europäischen Parlament. Herr Klinz, ich danke Ihnen für das Gespräch.

    Klinz: Ich danke Ihnen, Herr Heckmann.