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Griechenland und die EU
Geld-gegen-Reformen-Prinzip alternativlos

Die Politik, wonach Griechenland Unterstützung nur gegen harte Sparauflagen bekommt, sei erkennbar gescheitert, finden die europäischen Linken und führende Wirtschaftswissenschaftler. Die Arbeitslosigkeit ist in Griechenland von zehn auf 25 Prozent angewachsen und die Haushaltseinkommen um etwa ein Viertel gesunken. Die Belastungen der Sparpolitik sind ungleich verteilt.

Von Ulrike Winkelmann |
    Zwei Demonstranten, im Hintergrund ein Plakat mit der Aufschrift: "No more austerity, we demand jobs and growth"
    Laut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung ist die Steuerlast für die ärmere Hälfte der Bevölkerung um 337 Prozent gestiegen - für die bessergestellte Hälfte dagegen um nur neun Prozent. (dpa/picture alliance/Katia Christodoulou)
    Hat das Sparprogramm der Troika den Griechen genützt oder geschadet?, ist eine wesentliche Frage, die der Debatte über die Zukunft des Landes zugrunde liegt.
    Weitgehend unbestritten ist dabei, dass sich die Lage im Land seit dem ersten Hilfspaket der Europartner und des Internationalen Währungsfonds IWF insgesamt verschlechtert hat.
    Steuerlast für die ärmere Bevölkerung gestiegen
    Die Staatsverschuldung ist seit 2010 auf 175 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angestiegen. Die Arbeitslosigkeit ist von zehn auf 25 Prozent angewachsen. Die Haushaltseinkommen sind um etwa ein Viertel gesunken, wobei die Belastungen ausgesprochen ungleich verteilt sind. Laut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung ist die Steuerlast für die ärmere Hälfte der Bevölkerung um 337 Prozent gestiegen - für die bessergestellte Hälfte dagegen um nur neun Prozent.
    Die Vizechefin der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht, fasste die Situation diese Woche im Deutschlandfunk so zusammen:
    "Das Land ist seit 2010 pleite, und seit 2010 wird diese Situation dadurch verschleiert, dass man neue Kredite gibt, um alte Schulden zu bezahlen, und das mit Auflagen verbindet, die das Land immer ärmer gemacht haben."
    "Austerität hat nie funktioniert"
    Die Politik, wonach Griechenland Unterstützung nur gegen harte Sparauflagen bekommt, sei erkennbar gescheitert - darin finden die europäischen Linken Rückhalt von einem prominenten Teil der internationalen Wirtschaftswissenschaft. Hier heißt die Sparpolitik "Austerität". Der Nobelpreisträger und ehemalige IWF-Chefökonom Joseph Stiglitz erklärte der BBC:
    "Austerität hat nie funktioniert. (...) Wenn die Wirtschaft schwach ist, machen Einschnitte in den Staatsausgaben sie noch schwächer. Das haben wir in ganz Europa gesehen."
    Genauso argumentiert der offene Brief, den mehrere international bekannte Ökonomen, darunter Thomas Piketty und Jeffrey Sachs, diese Woche an Kanzlerin Angela Merkel schrieben:
    "Die Medizin, die in Berlin und Brüssel zusammengebraut wird, ist schlimmer als die Krankheit selbst."
    Auch der IWF selbst hat bereits 2013 zugegeben, dass er die Auswirkungen der Austerität unterschätzt habe. Man sei von zu optimistischen Annahmen ausgegangen - nämlich, dass die Wirtschaft stark genug sei, die Sparauflagen zu verkraften. Schuld seien neben dem IWF aber auch die EU und die Europäischen Zentralbank.
    Schlecht durchdacht
    Inzwischen gilt vielen Vertretern dieser Troika das 2010er Programm als schlecht durchdacht. Sie sehen jedoch zu dem Prinzip "Geld gegen Reformen" keine Alternative. Zumal sich die Haushaltslage doch zuletzt - bis zum Antritt der Tsipras-Regierung - ein klein wenig gebessert habe, erklären sie.
    Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble sagte im Frühjahr in der ARD:
    "Weil immer gesagt wurde, wir seien schuld an den Problemen, unter denen Menschen in Griechenland leiden müssten - denen es übrigens zum Teil besser geht als Menschen in anderen europäischen Ländern, die für Griechenland Solidarität leisten müssen -, an dem sind die Verantwortlichen in Griechenland über Jahrzehnte schuld. Vielleicht sollte Griechenland schauen, dass man ein bisschen vor der eigenen Tür kehrt."
    Etwa seit 1980 hat Griechenland durchgehend wesentlich mehr importiert als exportiert. Die Importe wurden mit Krediten bezahlt, die das Land unter dem Euro umso günstiger bekam. Eine konkurrenzfähige Wirtschaft entstand in derselben Zeit jedoch nicht. Sprichwörtlich geworden sind das Olivenöl und die Orangen, die Griechenland aus Italien und Spanien einführt. Die EU reagierte allerdings erst, als Griechenland 2009 im Zuge der Finanzkrise zu straucheln begann: Jetzt sei es Zeit für Haushaltsdisziplin, hieß es plötzlich.
    Der deutsche Ökonom und Regierungsberater Clemens Fuest erklärte damals, es werde der griechischen Regierung sogar helfen, wenn sie zu einem Sparkurs gedrängt werde. "Griechenland kann harte Maßnahmen leichter durchsetzen, wenn sie von der Euro-Zone erzwungen werden", so lautete das Argument.