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Hamburg
Studiengang für Türkischlehrer vor dem Aus

Türkisch ist die am zweithäufigsten gesprochene Sprache in Hamburg. An 30 Hamburger Schulen wird es auch als Fach unterrichtet - doch damit könnte bald Schluss sein. In ein paar Jahren will die Hamburger Uni den Studiengang für angehende Türkischlehrer einstellen.

Von Axel Schröder |
    Die Lehrerin Hava Kolbasi (l) unterrichtet am Dienstag (19.02.2008) an der Katharina-Henoth Gesamtschule in Köln in einer 11. Klasse türkischstämmige Schüler in ihrer Muttersprache. An der Schule wird Türkisch im Unterricht als zweite Fremdsprache angeboten.
    Auch in Köln gibt es Türkischunterricht an Schulen. (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    Die Empörung bei den Hamburger Grünen und der Linken in der Bürgerschaft ist groß. Erst verabschiedete der alleinregierende SPD-Senat das neue Hochschulgesetz, das aus grüner Sicht den Fakultäten zu geringe Mitwirkungsrechte einräumt. Dann wurde bekannt, dass die Uni in vier, fünf Jahren die Ausbildung von Türkischlehrern einstellen will.
    Stefanie von Berg, schulpoltische Sprecherin der Hamburger Grünen, warnt: Ein Mangel an Türkischlehrkräften wird weitreichende Auswirkungen für das schulische und interkulturelle Leben haben. Denn Türkisch ist die am zweithäufigsten gesprochene Sprache in Hamburg, so von Berg. Der AStA-Vorstand Moritz Lamparter schließt sich dem an:
    "In der Stadt hier haben wir ja eine gewisse Diversität, die sich auch in der Uni abbilden muss. Und wenn jetzt einfach aus finanziellen Gründen gesagt wird, dass man einzelne Bereiche wie Türkisch-Lehramt einstellt, dann fehlt irgendwo der Anspruch, diese breite Massenuni überhaupt zu haben und zu leben und das ist relativ exemplarisch, dass genau dieser einzelne Teil eingestampft werden soll."
    Obwohl das Interesse am Studiengang durchaus vorhanden ist, so Lamparter. Im letzten Semester begannen zwar nur elf Studenten ihr Lehramtsstudium Türkisch für die Grundschule, nur eine Person für das Gymnasium. Aber das liege nur daran, dass viele der interessierten Bewerberinnen und Bewerber am hohen Numerus Clausus der zwingend vorgeschriebenen Zweitfächer scheiterten, so Lamparter. Hier hätte die Uni-Leitung aktiv werden und die Zugangsvoraussetzungen herunter setzen können. Rechtlich möglich wäre das, räumt Holger Fischer ein, der Vizepräsident der Hamburger Universität:
    Mangel an Türkischlehrkräften befürchtet
    "Es wäre allenfalls denkbar, wenn es ein extremes 'Mangelfach' wäre an den Schulen. Sodass von den Arbeitgebern, von der Politik, die Forderung erhoben werde: 'Hier gibt es einen solchen Mangel, dass wir unter Brechung des allgemeinen Grundsatzes, dass man den NC insgesamt schaffen muss, hier eine Sonderregelung schafft!' Dieser Tatbestand liegt aber nicht vor."
    An 30 Hamburger Schulen werde Türkisch unterrichtet, das Interesse daran sei aber verschwindend gering, so Holger Fischer. In ganz Hamburg stünde zudem pro Jahr nur eine einzige Referendariatsstelle für Türkisch-Lehrer zur Verfügung. Zwei Jahre lang hätte man nach Lösungen gesucht, so der Vizepräsident. Und sei sich der politischen Dimension der Abwicklungspläne bewusst gewesen.
    Rund ein Dutzend türkische Verbände und Gemeinden haben sich bei der Uni-Leitung darüber beschwert. Um auch in Zukunft Türkischlehrerinnen und -lehrer auszubilden zu können, hätte das bestehende Personal – eine befristete Juniorprofessur und eine wissenschaftliche Hilfskraft – aufgestockt werden müssen. Pro Jahr seien dazu rund 250.000 Euro nötig, so Fischer, die die Universität nicht aufbringen kann.
    Türkische Verbände demonstrieren gegen geplante Einstellung
    Yavuz Köse, Turkologie-Professor in Hamburg, bedauert die Entscheidung, wirkt aber fast erleichtert, dass endlich Klarheit herrscht und sich der chronisch unterbesetzte Fachbereich nun auf die Turkologie-Forschung und –Lehre konzentrieren kann:
    "Aus der Perspektive der Turkologie muss man natürlich sagen: Wir haben über lange Jahre zwei Studiengänge mit deutlich geringeren personellen Ausstattung wie vergleichbare andere Einrichtungen gehabt. Das ist in der Tat eine Mammutaufgabe gewesen. So gesehen ist das für die Turkologie derzeit – so negativ das für das Lehramt Türkisch ist – zumindest eine Entspannung. Und wir würden uns natürlich wünschen, dass das Lehramt weitergeht. Aber dann eben mit entsprechenden Ressourcen."
    Yavuz Köse weiß, dass die Universität diese Ressourcen nicht bereitstellen wird. Und er kennt die Haltung der Hamburger Wissenschaftsbehörde, die sich nicht einmischen will in universitäre Angelegenheiten. Die Hoffnung auf eine Zukunft des Türkischlehrer-Studiums in Hamburg will der Professor aber nicht aufgeben. Wenn demnächst der Bund den BAföG-Anteil der Länder übernehmen wird, rechnet die Hamburger Wissenschaftsbehörde mit rund 30 Millionen Euro, die dann zusätzlich zur Verfügung stehen. Vielleicht rettet ein kleines Stück vom großen Kuchen das Türkisch-Lehrer-Studium in Hamburg ja doch noch.