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Im Kampf gegen Steuerhinterziehung "gibt es keinen Weg zurück"

Für manche Länder wie Luxemburg sei der Abschied von lieb gewordenen Steuertraditionen nicht einfach, meint Steffen Kampeter, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Die Ergebnisse des Brüsseler Gipfels seien aber ein "starkes Signal" für die Handlungsfähigkeit der EU.

Steffen Kampeter im Gespräch mit Mario Dobovisek | 23.05.2013
    Mario Dobovisek: Steuern sparen, Steuern vermeiden, Steuerlast senken – all das kann mit legalen Mitteln geschehen. Doch wer bewusst Steuern hinterzieht, das Finanzamt also betrügt, der begeht eine Straftat. Dank vieler Steuerschlupflöcher ist der Grat zwischen Legalem und Illegalem ein durchaus schmaler und manchmal verschwindet er auch vollends im Nebel, und in genau diesem stochern dann die Steuerfahnder bislang auf der Suche nach Steuerflüchtigen. Da bedarf es schon der einen oder anderen Steuer-CD aus dubiosen Quellen. Der Steuerflucht und dem Steuerbetrug haben die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union gestern auf ihrem Gipfel in Brüssel den Kampf angesagt.
    Am Telefon begrüße ich Steffen Kampeter, der CDU-Politiker ist Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Guten Morgen, Herr Kampeter!

    Steffen Kampeter: Guten Morgen, ich grüße Sie.

    Dobovisek: Wir wollen natürlich über die Aspekte der Steuerhinterziehung und den Kampf dagegen mit Ihnen sprechen, gestern am Gipfel. Angela Merkel sagt ganz klar: Es gehe ein starkes Signal vom Gipfel aus gegen Steuerhinterziehung. Dagegen sagt François Hollande, Frankreichs Präsident, wörtlich: Ich muss ehrlich sagen, dass Luxemburg und Österreich nicht das Ende des Bankgeheimnisses akzeptiert haben. Waren beide, Herr Kampeter, auf dem gleichen Gipfel?

    Kampeter: Ja, natürlich waren beide auf dem gleichen Gipfel, denn jetzt fängt die Arbeit im Detail an. Das Signal des Gipfels ist: Wir haben in zwei Bereichen wichtige interne Meinungs-, Auffassungsunterschiede überbrückt. Das Thema eins ist die Frage des automatischen Datenaustausches. Hier haben Luxemburg und Österreich in den vergangenen Jahren auf die Bremse getreten, und mit Möglichkeiten des automatischen Datenaustausches wird die klassische Steuerhinterziehung von Privatpersonen, aber auch von Unternehmen erheblich erschwert. Jetzt muss man das gesetzestechnisch umsetzen, da gibt es sicherlich noch Detailwiderstände. Zum anderen die Frage der fairen Besteuerung von Gewinnen innerhalb der Europäischen Union, da gibt es für die Unternehmensbesteuerung in einzelnen Ländern Spezialregelungen und da soll jetzt bis zum Jahresende ein Maßnahmenkatalog aufgestellt und gegebenenfalls auch teilweise schon umgesetzt werden, der diese faire Besteuerung dann auch gestalten wird.

    Dobovisek: Bleiben wir, Herr Kampeter, doch bitte noch kurz beim Bankgeheimnis, bevor wir weiter sprechen. Wann wird Ihrer Meinung nach das Bankgeheimnis fallen?

    Kampeter: Ich bin jetzt nicht bereit, mit Ihnen über Zeitpunkte zu spekulieren. Tatsache ist: In der Vergangenheit haben die Österreicher und die Luxemburger gesagt, wir machen da überhaupt gar nicht mit. Jetzt haben sie zum ersten Mal gesagt, natürlich machen wir mit. Sie haben daran bestimmte Erwartungen geknüpft, die es jetzt umzusetzen gilt. Aber Herman van Rompuy, die Bundeskanzlerin und andere haben klar kommuniziert, man ist jetzt sich im Klaren, dass für die Ausländer innerhalb der Europäischen Union ein Bankgeheimnis nicht gilt, das lediglich dem Zwecke der Verschleierung von Besteuerung dient, und das ist ein großes und starkes Signal, dass die Europäische Union in diesem Bereich auch Handlungsfähigkeit zeigt.

    Dobovisek: Luxemburg ziert sich offenbar weiter, stellt Bedingungen für das Lüften ihres Bankgeheimnisses. Sie wollen etwa die Verhandlungen mit der Schweiz abwarten, mit anderen Staaten, wie es heißt. Wie klingt das für Sie? Spielt Luxemburg weiter auf Zeit?

    Kampeter: Dass für manche der Abschied von lieb gewordenen Steuertraditionen nicht einfach ist, das zeigt die Luxemburger Position. Aber in der Sache selbst, glaube ich, gibt es keinen Weg zurück.

    Dobovisek: Es heißt aber auch, dass die Verhandlungen mit der Schweiz möglicherweise sich ebenso hinziehen könnten und damit der Zeitplan bis Ende des Jahres, wie ja die Gipfelteilnehmer gestern gesagt haben, alles andere als sicher sein wird.

    Kampeter: Die Verhandlungen mit Drittländern – und es geht ja hier nicht nur um die Schweiz, sondern auch um Liechtenstein und …

    Dobovisek: Luxemburg verweist auf die Schweiz, die Schweiz verweist auf Hongkong, Hongkong verweist und so weiter. Das kann ja ewig dauern.

    Kampeter: Die Kraft des Gipfels ist stärker als die politischen Widerstände in einzelnen Mitgliedsstaaten. Da bin ich überzeugt. Und jetzt lassen Sie uns doch erst mal abwarten. Vor einem halben Jahr war dieser Verhandlungsstand, den wir innerhalb der Staats- und Regierungschefs erreicht haben, überhaupt gar nicht denkbar. Das ist ein großer Erfolg und eigentlich ein Signal, das jeder Einzelne, der sich mit Steuerhinterziehung befasst, positiv bewertet. Aber Sie dürfen auch nicht gering schätzen, dass die Frage der Unternehmensbesteuerung, die ja im Ergebnis vielleicht ein sehr viel größeres Volumen hat, solche Dinge wie Lizenzboxen – klingt alles sehr, sehr technisch, ist aber milliardenschwer – jetzt endlich angegangen werden. Da sind andere Länder in der Europäischen Union betroffen, beispielsweise eher Irland. Auch hier haben wir das Signal, wir wollen eine faire Besteuerung, und Gewinnverlagerungsstrategien, wie sie beispielsweise jetzt auch von Amerika für amerikanische Konzerne kritisiert werden, die in Europa stattfinden, sie sollen beherzt angegangen werden. Wir wollen, dass die Erträge, die in Europa erwirtschaftet werden, auch in Europa besteuert werden. Das ist wahrscheinlich im Ergebnis für die öffentlichen Haushalte noch ein viel nachhaltigeres Signal als der automatische Datenaustausch.

    Dobovisek: Hessens Finanzminister Thomas Schäfer und gleichzeitig auch Ihr Parteifreund zieht in Zweifel, dass Wolfgang Schäuble als Finanzminister gut genug oder mit Nachdruck genug gegen diese Steuerhinterziehung vorgehen möchte und auch die Steuergerechtigkeit, die Sie ja jetzt auch ansprechen, verfolgt, und fragt auch offen, wo endet fairer Wettbewerb und wo beginnt Steuerdumping, zum Beispiel mit Blick auf Irland.

    Kampeter: Es wird ja ein Thema sein jetzt auch bei der Finanzministerkonferenz morgen. Tatsache ist, dass Wolfgang Schäuble bereits im Herbst des vergangenen Jahres noch mit dem damaligen amerikanischen Finanzminister Tim Geithner dieses Thema auf die Agenda der G20 gesetzt hat. Wir haben bei den letzten Finanzministertreffen ein internationales abgestimmtes Vorgehen vereinbart, was über die EU intern hinausgeht. Gemeinsame Besteuerung von Unternehmen ist eben nicht eine Sache, die man als einzelner Nationalstaat bestimmt, sondern international abstimmen muss, und deswegen ist der Prozess vielleicht etwas schwieriger, als man sich im hessischen Finanzministerium derzeit vorstellen kann. Aber wir arbeiten seit dem vergangenen Jahr auf der internationalen Ebene mit Hochdruck daran und ich glaube, das Basisprinzip muss sein, dass man Gewinne in Lizenzboxen beispielsweise nicht einfach verschieben kann von Deutschland nach Irland und nach Holland und dann mit Niedrigstbesteuerung in den USA in den Bilanzen konsolidieren kann. Der deutsche Steuerzahler guckt dumm drein und ist erstaunt, dass er Steuern zahlen muss, aber multinationale Konzerne in Deutschland nicht. Das ist unfair und das hat nichts mit fairem Steuerwettbewerb, sondern vielmehr mit Steuerdumping einzelner EU-Mitgliedsstaaten zu tun.

    Dobovisek: Braucht die Europäische Union einen einheitlichen Satz für zum Beispiel Mehrwert-, Einkommens- und Kapitalertragssteuer?

    Kampeter: Wir brauchen keine einheitlichen Sätze bei allen Steuerarten. Was wir brauchen, ist erst mal eine Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlagen und dann einen fairen Steuerwettbewerb. Da wird es eher um Rahmendatensetzung gehen. Ich glaube nicht, dass es zum Beispiel sinnvoll ist, dass die Mehrwertsteuer in Deutschland fundamental angehoben wird, weil viele andere EU-Staaten beispielsweise, eine Mehrheit einen höheren Mehrwertsteuersatz hat. Wer von Steuervereinheitlichung redet, der muss sehr genau wissen, was er sagt, und deswegen, glaube ich, geht es nicht um einheitliche Sätze in der Union, aber um faire Prinzipien und vor allen Dingen um gemeinschaftliche Bemessungsgrundlagen, die diesen Wettbewerb auch transparent ermöglichen.

    Dobovisek: Wenn ich mir die Gewerbesteuer in Deutschland ansehe, dann gibt es auch hier sozusagen Steuerdumping zwischen den Gemeinden, großen Wettbewerb. Müssten wir da nicht erst mal den eigenen Keller aufräumen?

    Kampeter: Bei der Gewerbesteuer, glaube ich, ist die eigentliche Frage: Ist diese Steuer noch zeitgemäß? Wir haben ja in dieser Legislaturperiode den Gemeinden angeboten, die Gewerbesteuer zu ersetzen durch andere kommunale Steuern. Beispielsweise war diskutiert worden eine Beteiligung der Gemeinden an der Körperschafts- oder an der Umsatzsteuer, weil die Gewerbesteuer im deutschen Steuersystem eher ein systemfremdes und auch im internationalen Bereich eher unbekanntes Moment ist. Im Übrigen ist es nicht richtig, dass die Gewerbesteuersätze frei zu wählen sind. Da gibt es in den einzelnen Ländern Höchst- und Mindestsätze und das beschreibt die Bandbreite auch des Gewerbesteuerwettbewerbs.

    Dobovisek: Der CDU-Politiker Steffen Kampeter, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Ich danke Ihnen für das Gespräch.

    Kampeter: Herzlich gerne!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.