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Islamische Theologie
Nachwuchsschmiede für eine bessere Integration

Die meisten der hierzulande tätigen Imame und muslimischen Religionslehrer wurden in der Türkei oder in arabischen Ländern geprägt. An der Berliner Humboldt-Universität hat jetzt das sechste islamische Theologieinstitut in Deutschland seine Arbeit aufgenommen. An der Spitze: kein Moslem, sondern ein deutscher Historiker.

Von Claudia van Laak | 27.03.2017
    Ein Imam in der Sehitlik-Moschee am Columbiadamm in Berlin.
    Ziel der Politik: Die Ausbildung von Imamen und Religionslehrern an deutschen Universitäten. (picture alliance / dpa / Rainer Jensen)
    Michael Borgolte heißt er, der Gründungsbeauftragte des Instituts für Islamische Theologie. Er ist emeritierter Historiker, sein Schwerpunkt: die Geschichte Europas im Mittelalter. Damit hat sich die Humboldt-Universität für einen ihr bestens bekannten deutschen Wissenschaftler entschieden und gegen einen Moslem mit ausländischen Wurzeln. Sabine Kunst, Präsidentin der Humboldt-Universität, über Michael Borgolte:
    "Er hat sich mit dem europäischen Selbstverständnis und der Geschichte Europas nicht nur aus den christlichen und jüdischen Traditionen beschäftigt, sondern sich insbesondere und gleichermaßen auch mit dem Islam und den europäischen Muslimen befasst und dabei auch die wesentlichen Prägungen Europas durch diese wissenschaftlich über Jahrzehnte bearbeitet."
    Lehrerausbildung sowie Bachlor- und Masterstudiengang
    Die Humboldt-Uni will noch in diesem Jahr vier Professuren für das neue Institut ausschreiben. Neben einem Bachelor- und einem Masterstudiengang Islamische Theologie wird das Institut auch eine Lehrerausbildung anbieten sowie den Masterstudiengang "Islam und Gesellschaft". 13 Millionen Euro stellt das Land Berlin in den nächsten Jahren dafür zur Verfügung. Der Gründungsbeauftragte Michael Borgolte:
    "Ich möchte ausdrücklich unterstreichen, dass ich glaube, dass gerade dieses Konzept, ein Institut für Islamische Theologie zu errichten und dann auch Nachwuchskräfte auszubilden für den akademischen Unterricht und für den Schulunterricht oder andere Funktionen, ein glänzendes Instrument auch für die Integration der Muslime in unserer Gesellschaft ist und deshalb lohnt es sich, größte Anstrengungen darauf zu verwenden."
    Viel Konfliktpotential um die Deutungshoheit des Islam
    Doch der Gründungsbeauftragte hat kaum mit der Arbeit begonnen, da liegt der erste Konflikt bereits auf seinem Schreibtisch. Er betrifft den Beirat des Instituts. Die Aleviten haben dieses Gremium bereits wieder verlassen, und DITIB, der Dachverband der türkisch-islamischen Moschee-Gemeinden in Deutschland, ist zu einem problematischen Partner geworden, sagt zum Beispiel die liberale Muslima und Menschenrechtsanwältin Ayran Ates. Sie ist der Ansicht, DITIB-Vertreter sollten aus dem Beirat des Instituts für Islamische Theologie ausgeschlossen werden.
    "Ich würde sagen, in dieser aktuellen Situation darf sich deutsche Politik nicht mehr erlauben, mit der DITIB an einem Tisch zu sitzen und die Deutungshoheit des Islams der Türkei zu übergeben. Sobald zur Zeit mit der DITIB verhandelt wird, wird mit der Türkei und direkt mit Herrn Erdogan verhandelt. Und dass kann sich Deutschland doch gar nicht leisten."
    Gründungsbeauftragter sieht keinen Konflikt mit DITIB
    Die Humboldt-Universität verweist darauf, dass dem Dachverband der türkisch-islamischen Moschee-Gemeinden nur einer von 15 Sitzen im Beirat des Instituts zusteht, und dass die DITIB deshalb die Arbeit des Beirates nicht bestimmen kann. Gründungsbeauftragter Borgolte:
    "Ich habe bisher keine Konfliktpunkte mit der DITIB feststellen können. Es gibt einen Vertreter der DITIB in diesem Kreis von 15 Personen, im Unterschied zu anderen Universitäten, bei denen die DITIB sehr viel stärker vertreten ist. Ich habe nicht den Eindruck, dass es da zu Konflikten kommt. Im Augenblick kann man nichts anderes sagen."
    Einen Gebetsraum soll es nicht geben
    Ein weiterer möglicher Konflikt: Spätestens, wenn die ersten Studierenden der islamischen Theologie den Campus der Humboldt-Universität nutzen, wird sich die Frage des Gebetsraumes für Muslime neu stellen. An mehreren Hochschulen gab es schon Streit um solche Räume und auch Schließungen. Mit ihr als Präsidentin werde es so einen Gebetsraum nicht geben, machte Sabine Kunst heute klar.
    "Wenn wir auch als Universität uns auch zu bekenntnisorientierter Lehre und Forschung bekennen, so ist andererseits unser Neutralitätsgebot auch ein hohes Gut, sodass wir keine Gebetsräume für Muslime einrichten."
    So gebe es auch keine gesonderten Räume für Christen oder Juden. Kein Gebetsraum für Muslime: Einige Studierende bedauern dies.
    "Weil die Hochschule ist nicht nur eine Hochschule, das ist ein Lebensmittelpunkt für sehr viele Studierende. Und eine Hochschule bzw. eine Bildungseinrichtung sollte auch die Möglichkeit geben, seine Kinder, wo immer sie herkommen, die Möglichkeit zu geben, sich zu entfalten, zu leben. Und Gebet gehört dazu."
    Klar ist schon jetzt: Das noch zu gründende Institut für Islamische Theologie an der Berliner Humboldt-Universität wird unter Beobachtung stehen – die ersten Studierenden starten voraussichtlich im Wintersemester 2018/19.