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Jemen
Die Hungertoten eines vergessenen Krieges

Im Jemen tobt seit 2015 ein Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran. Mehr als 10.000 Menschen sind seitdem ums Leben gekommen. Und: Inzwischen weiß jeder Zweite im Land nicht mehr, woher die nächste Mahlzeit kommt - alle zehn Minuten stirbt ein Kind an den Folgen des Krieges.

Von Carsten Kühntopp | 16.01.2017
    Ein Junge steht im Jemen zwischen Häusertrümmern.
    Krieg im Jemen: Kinder sterben an Hunger, Durchfall und Atemsweginfektionen (picture alliance / dpa/ EPA/ Yahya Arhab)
    Aufgedunsene Hungerbäuche, der Körper nur noch Haut und Knochen: Die Bilder von stark unterernährten Kindern, die aus mehreren Teilen des Jemen kommen, zeigen die verheerenden Folgen des Krieges. In einem Krankenhaus in der Stadt Abs berichtet ein junger Mann einem Reporter, dass er gemeinsam mit seinem fünfjährigen Bruder Muhannad gekommen ist - und mit einem Cousin.
    "Mein Cousin ist heute gestorben. Er war etwa zweieinhalb Jahre alt. Ich habe ihn aus der Stadt Hajjah mitgebracht, aber er ist gestorben. Sein Fall war schlimmer als der meines Bruders - er starb unterwegs."
    Nun hofft der junge Mann, dass die Ärzte zumindest noch seinen kleinen Bruder retten können. Wie der verstorbene Cousin ist auch er völlig ausgemergelt.
    Laut Hilfsorganisationen weiß mehr als jeder Zweite im Jemen nicht mehr, woher die nächste Mahlzeit kommt. Sieben Millionen Menschen leiden Hunger. Und alle zehn Minuten stirbt ein Kind an Unterernährung, Durchfall oder Atemwegsinfektionen.
    Mehr als 10.000 Opfer
    Mehr als 10.000 Menschen sind seit Beginn des Kriegs durch Beschuss ums Leben gekommen, mehrere Millionen sind auf der Flucht. Seit dem März 2015 versuchen Saudi-Arabien und mehrere andere Länder, die Houthi-Rebellen aus der Hauptstadt Sanaa und anderen Regionen zu vertreiben.
    Die Aufständischen hatten zuvor Abed Rabbo Mansour Hadi, den international anerkannten Präsidenten, verjagt. Hadi hatte sein Amt während der Wirren des sogenannten Arabischen Frühlings bekommen, sich dann aber durch weitgehende Unfähigkeit ausgezeichnet. Die Houthi-Rebellen gehören zu einer konfessionellen Minderheit innerhalb des schiitischen Islam. Unterstützt werden sie von Iran, einem mehrheitlich schiitischen Land - wie weit diese Unterstützung geht, darüber wird gestritten.
    Mit dem Eingreifen in den Bürgerkrieg an der Seite von Präsident Hadi wollte Saudi-Arabien dem Spuk der Houthis ein Ende bereiten, so Riad Kahwaji von Inegma, einer Denkfabrik in Dubai:
    "Das erklärte Ziel ist es, dass die Rebellen ihre Waffen abgeben und zu einer gewöhnlichen politischen Partei werden. Außerdem muss die legitime Regierung anerkannt werden, sowie ein Friedensplan, den der Weltsicherheitsrat unterstützt. Das eigentliche Ziel hingegen ist es, den Einfluss Irans im Jemen zu stoppen."
    Friedensverhandlungen unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen gingen im vergangenen Jahr ergebnislos zuende. Mittlerweile liegt ein UN-Plan für ein Ende des Konflikts vor. Doch die jemenitische Regierung nahm ihn nicht an. Der Krieg geht also weiter - das Leiden der Menschen ebenfalls.