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Justizreform in Polen
Letzte Hoffnung Veto

Die Regierungspartei PiS entwickele sich mit ihren Justiz-Gesetzen zu einer Gefahr für den Rechtsstaat, warnt die Opposition. Jetzt steht der Oberste Gerichtshof im Visier: Der stellt die Rechtmäßigkeit von Wahlen fest. Kritiker fürchten Manipulationen zur Sicherung der Macht.

Von Florian Kellermann | 20.07.2017
    Demonstrationsgruppe bei Nacht, zentral hält jemand eine Kerze in die Höhe
    Die Opposition fürchtet sich: Am 16.07.2017 demonstrieren in Warschau tausende Menschen gegen die Justizreform der Regierung. Anderthalb Jahre nach Regierungsantritt weitet die PiS ihre Macht über die Judikative aus. (Deutschlandradio/ Florian Kellermann)
    Der Sejm hat seine Arbeit heute Morgen wieder aufgenommen. Voraussichtlich noch im Lauf des Tages wird er das letzte Gesetz zur umstrittenen Justizreform beschließen - es betrifft den Obersten Gerichtshof.
    Die Atmosphäre im Plenarsaal war sofort wieder höchst angespannt. Katarzyna Lubnauer von der liberalen Oppositionspartei "Die Moderne" erklärte:
    "Ihr habt ein Gesetz ins Parlament eingebracht, das den Obersten Gerichtshof praktisch abschafft. Ihr hebt die Unabhängigkeit der Justiz auf. Dabei verletzt Ihr noch alle möglichen Grundsätze der Parlamentsarbeit und die Regularien des Sejm."
    Großer Einfluss von Regierung und Parlament
    Damit sprach Lubnauer die Sitzung des Justizausschusses in der vergangenen Nacht an. Die Abgeordneten der rechtskonservativen Regierungspartei PiS verwarfen die über 1000 Änderungsanträge der Opposition en bloc. Die Redezeit der Abgeordneten wurde beschränkt.
    Das Gesetz über den Obersten Gerichtshof ist das umstrittenste innerhalb der Justizreform. Es sieht vor, dass alle Richter dort automatisch in den Ruheverstand versetzt werden. Präsident Andrzej Duda, der aus der PiS stammt, wird entscheiden können, welche Richter doch bleiben können.
    Ein anderes, schon vergangene Woche beschlossenes Gesetz, stellt sicher, dass Regierung und Parlament großen Einfluss auf die Wahl neuer Richter haben werden. Änderungen, die Präsident Duda verlangt hat, führen lediglich dazu, dass sich die PiS dafür von Fall zu Fall informelle Koalitionspartner suchen muss.
    Kritiker sehen politische Abhängigkeit der Obersten Gerichtshofs
    Kritiker sehen die neue politische Abhängigkeit des Obersten Gerichtshofs auch deshalb als so gravierend an, weil das Gesetz dort eine neue Kammer installiert. Sie soll mit Disziplinarverfahren gegen Richter befasst sein.
    Der Vorsitzende der Partei PiS Jaroslaw Kaczynski begründete die Reform damit, dass es eine Kontrolle der Gerichte geben müsse. Gestern sagte er:
    "Die Justizreform ist nötig, damit Gerechtigkeit herrscht, damit es in Polen vor dem Gesetz keine Privilegierten mehr gibt und niemanden, der behandelt wird, als habe er gar keine Rechte. Heute gibt es in Polen Privilegien für manche, die mitunter sehr drastische und für die Gesellschaft sehr teure Verbrechen begehen."
    Heute Abend veranstalten Bürgerinitiativen wieder Demonstrationen in polnischen Großstädten. Die PiS-Gegner hoffen, dass Präsident Duda sein Veto gegen die Gesetze zur Justizreform einlegt.