Dienstag, 14. Mai 2024

Archiv


Kauder verteidigt Ermittlungen gegen Journalisten

Der Vorsitzende des BND-Untersuchungsausschusses, Siegfried Kauder, hat die Ermittlungen gegen Journalisten wegen des Verdachts der Beihilfe zum Geheimnisverrat verteidigt. Die "deutliche Behinderung der Ausschussarbeit" durch Presseveröffentlichungen könne nicht mehr hingenommen werden, sagte der CDU-Politiker.

Moderation: Christoph Heinemann | 03.08.2007
    Christoph Heinemann: Herr Kauder, Sie hätten das Ermittlungsverfahren angestoßen, berichtet die ARD. Warum befürworten Sie Ermittlungen gegen Journalisten?

    Siegfried Kauder: Die Frage ist nicht korrekt gestellt. Ich habe keine Ermittlungen gegen Journalisten befürwortet, ich habe einen Zustand dem Bundestagspräsidenten mitgeteilt, den ich als Ausschussvorsitzender nicht einfach so im Raume stehen lassen konnte. Ich musste in den öffentlichen Sitzungsteilen erleben, dass Ausschussmitglieder sich statt auf geheime Akten zu berufen Presseberichterstattungen herangezogen haben, so hatten wir auf einmal geheime Sachverhalte in öffentlichen Sitzungen. Aufgrund dieser Gefechtslage gab es auch Hinweise aus dem Bundeskanzleramt, dass dann, wenn dieser Zustand nicht abgestellt werde, in Zukunft eingestufte Akten nicht mehr an die Ausschussmitglieder verteilt würden, sondern in der Geheimschutzstelle eingesehen werden könnten. Das bedeutet also eine deutliche Behinderung der Ausschussarbeit, und wenn ich mir überlege, dass wir möglicherweise noch bis zum Jahr 2009 mit den Aufgaben im Untersuchungsausschuss beschäftigt sind, könnte ich mir vorstellen, wenn ich hier nicht für Ordnung sorge, wo wir mit unserem Ausschuss letztendlich enden.

    Heinemann: Aber ermittelt wird gleichwohl gegen Journalisten.

    Kauder: Ermitteln tue nicht ich, ich bin nicht Staatsanwalt, sondern Vorsitzender eines Untersuchungsausschusses, ich habe diesen Sachverhalt dem Bundestagspräsidenten mitgeteilt mit der Bitte zu prüfen, ob die Ermächtigung für ein Ermittlungsverfahren erteilt wird, ohne eine bestimmte Stoßrichtung anzugeben. Ich habe aber in diesem Anschreiben an den Bundestagspräsidenten auch darauf hingewiesen, dass im Fall einer Ermächtigung selbstverständlich die Grundsätze der Cicero-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Februar 2007 zu berücksichtigen sind.

    Heinemann: Sie sind aber auch nicht ... Entschuldigung.

    Kauder: Die Vorgaben dieser Verfassungsgerichtentscheidung sind ja recht deutlich, alleine der Umstand, dass aus geheimen Akten zitiert wird, reicht noch nicht, um eine Beihilfehandlung indiziell feststellen zu können.

    Heinemann: Also, fest steht, dass gegen Journalisten ermittelt wird, das ist ein bisschen über Bande, Sie wollen eigentlich ganz andere treffen?

    Kauder: Es geht nicht darum, wen ich treffen will. Meine Arbeit ist abgeschlossen mit dem Bericht an den Bundestagspräsidenten. In welche Richtung dann eine Staatsanwaltschaft ermittelt, entzieht sich meiner Kompetenz.

    Heinemann: Herr Kauder, Sie haben den Ausschuss mit einem Schweizer Käse verglichen. Wer hat, Ihren Vermutungen zufolge, die Löcher gebohrt?

    Kauder: Wenn ich das wüsste, wäre meine Arbeit einfacher. Es ist ein großer Personenkreis, der Zugang zu den vertraulichen Unterlagen hatte, ich habe gar nicht die Möglichkeiten, von mir aus zu ermitteln, wer dafür in Betracht käme, deswegen habe ich mich auch an den Bundestagspräsidenten gewendet und um Mithilfe gebeten.

    Heinemann: Ihr Ausschusskollege Max Stadler von der FDP, Obmann, hat gesagt, es wären wohl SPD-Politiker gewesen, die da durchgestochen haben mit dem Ziel, Bundesaußenminister Steinmeier in ein besseres Licht zu rücken. Sehen Sie das auch so?

    Kauder: Ich werde mich als Ausschussvorsitzender nicht an wilden Spekulationen beteiligen.

    Heinemann: Ist das eine wilde Spekulation?

    Kauder: Aus meiner Sicht ist es eine wilde Spekulation.

    Heinemann: Legen Sie für die CDU-Mitglieder Ihre Hand ins Feuer?

    Kauder: Ich lege für niemanden die Hand ins Feuer, das ist auch nicht meine Aufgabe, aber ich habe nicht den Eindruck, dass Ausschussmitglieder ihren Pflichten nicht gerecht geworden sind.

    Heinemann: Herr Kauder, Rüdiger Bagger, Oberstaatsanwalt in Hamburg, hat gesagt, dieses Ermittlungsverfahren sei überflüssig und wörtlich: "Nach dem Cicero-Urteil ist ein solches Verfahren Quatsch". Wie beurteilen Sie das?

    Kauder: Das mögen seine Kollegen beurteilen. Wenn das ganze Verfahren Quatsch ist, hätten die Staatsanwaltschaften ein Ermittlungsverfahren gar nicht eröffnen dürfen, denn ein Ermittlungsverfahren setzt einen hinreichenden Tatverdacht und die Möglichkeit eines Ermittlungsansatzes voraus.

    Heinemann: Was bedeutet das jetzt für die Zukunft? Max Stadler, eben schon zitiert, sagt, der Gesetzgeber müsse nun eine Klarstellung im Gesetzbuch zugunsten der Pressefreiheit vornehmen. Ist das in Ihrem Sinne?

    Kauder: Also, ich bin der Meinung, dass dann, wenn man die Grundsätze des Cicero-Urteils beachtet, die Presse hinreichend Schutz genießt.

    Heinemann: Inwiefern?

    Kauder: Dass eben die Publikation aus geheimen Unterlagen alleine noch nicht als Indiz für eine Beihilfehandlung ausreicht. Wenn sich ein Journalist mit einem Informanten zusammentut und sagt, wir gemeinsam veröffentlichen aus geheimen Unterlagen, ist es sicherlich ein Straftatbestand, aber es gibt halt auch andere Konstellationen. Und die einzuschätzen ist Sache der Staatsanwaltschaft im konkreten Ermittlungsverfahren.

    Heinemann: Hans Leyendecker von der Süddeutschen Zeitung hat bei uns im Deutschlandfunk gesagt, teilweise seien leere Seiten, teilweise Zeitungsartikel geheimgestempelt worden, das klingt nach viel Lärm um nichts.

    Kauder: Das passiert immer wieder mal. Es ist ja ein Riesenwust von Akten, dass sich unter VS-NfD, also vertraulich für den Dienstgebrauch, auch hin und wieder leere Blätter oder Gerichtsentscheidungen finden. Du kannst ja nicht jedes Blatt durchfilzen, da wird dann der gesamte Ordner gestempelt und gilt dann als eingestuft. Also, das ist nichts ungewöhnliches, das hatten wir im Visa-Untersuchungsausschuss auch schon.

    Heinemann: Erwarten Sie, Herr Kauder, von Journalisten, dass sie als geheim eingestuftes Material in den Müll werfen, wenn sie in den Besitz geraten?

    Kauder: Es kommt darauf an, auf welche Weise sie in den Besitz geraten und wie die Zusammenarbeit mit dem Informanten ist, doch das ergibt sich deutlich aus der Cicero-Entscheidung.

    Heinemann: Was sollen Journalisten tun mit solchem Material?

    Kauder: Sie dürfen nicht kollusiv mit dem Informanten zusammenwirken, wenn sie es als Hintergrundinformation bekommen haben und dann nach Prüfungen zu dem Ergebnis kommen, es muss der Öffentlichkeit mitgeteilt werden, ist da strafrechtlich nichts einzuwenden. Alles Verfahrensgrundsätze aus der Cicero-Entscheidung.

    Heinemann: Herr Kauder, ist es nicht naiv anzunehmen, Akten in Parlamentsausschüssen könnten so geheim gehalten werden wie im Panzerschrank einer Behörde? Dort werden schließlich auch parteipolitische Konflikte ausgetragen.

    Kauder: In dem Untersuchungsausschuss, der im Verteidigungsausschuss geführt wird, geht das. Also, man kann sich auch den umgekehrten Weg vorstellen, dass man sagt, dann ist eben alles nicht öffentlich, dann funktioniert es vielleicht etwas besser.

    Heinemann: Was bedeutete dies?

    Kauder: So wie es im Verteidigungsausschuss auch läuft - dass die gesamte Ermittlungstätigkeit des Ausschusses nicht öffentlich ist, nur am Ende ein Bericht abgegeben wird.

    Heinemann: Die andere Möglichkeit wäre, dass, und das deutet sich jetzt auch schon, dass sich die Ermittlungen eigentlich auch gegen ihre Urheber wenden, nämlich, dass letztendlich damit auch Untersuchungsausschüsse in Frage gestellt werden.

    Kauder: Das war ja meine Intention. Mich interessiert der Urheber.

    Heinemann: Nein, die Untersuchungsausschüsse an sich in Frage gestellt werden, das meinte ich jetzt.

    Kauder: Kann ich mir nicht vorstellen, Untersuchungsausschüsse nehmen eine wichtige Funktion im Parlamentsbetrieb wahr, also, Untersuchungsausschüsse abschaffen wäre sicherlich nicht die Lösung, sondern einen Weg zu finden, dass Vertraulichkeit in Zukunft besser gewahrt werden kann.

    Heinemann: Kann die Justiz das nicht besser?

    Kauder: Ein Untersuchungsausschuss ist zu Recht ein politisches Gremium. Da geht es ja nicht um Ermittlungstätigkeiten, die am Ende zu einem Urteil oder zu einem Freispruch führen, sondern auch um politische Wertungen, politische Einschätzungen, das kann ein Ermittlungsverfahren, das bei der Staatsanwaltschaft geführt wird, nicht leisten.

    Heinemann: Weisen die undichten Stellen nicht auch ein bisschen auf die Schwäche des Ausschussvorsitzenden hin, der seine Leute nicht im Griff hat?

    Kauder: Ich kann nicht jedem nachstellen und ihn tagtäglich kontrollieren, ob er Unterlagen herausgibt, das muss jeder für sich selbst entscheiden. Jeder Abgeordnete hat selbst die Verpflichtung, Geheimhaltungspflichten einzuhalten, jeder Mitarbeiter hat die Verpflichtung. Ich will nicht der Staatsanwalt in einem Untersuchungsausschuss sein.