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Konflikt im Jemen
"Saudis wollen iranisch dominiertes Umfeld verhindern"

Saudi-Arabien versuche mit seinem militärischen Eingreifen im Jemen, weiteren iranischen Einfluss zu verhindern - so sieht es der Journalist Rudolph Chimelli. Der langjährige Auslandkorrespondent sagte im DLF, der Westen müsse die Saudis jetzt zur Zurückhaltung mahnen.

Rudolph Chimelli im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Huthi-Rebellen in der jemenitischen Stadt Sanaa im September 2014
    Saudi-Arabien geht mit Luftangriffen gegen die Huthi-Rebellen im Jemen vor. (imago stock&people)
    Der Jemen sei auch ohne Einfluss von außen in einer schwierigen Situation. "Es gibt Gegensätze noch und noch", sagte Rudolph Chimelli im DLF. Zum einen prallten zwei Konfessionsgruppen aufeinander, es gebe viele verschiedene Stämme und Stammesverbände und der Süden des Landes sei zudem zwangsvereinigt worden mit dem viel stärkeren Norden. Chimelli hält den Konflikt zwischen Huthi-Rebellen und der jemenitischen Regierung zurzeit noch für einen inneren Konflikt.
    Die Einmischung von außen sei den Interessen Saudi-Arabiens geschuldet. "Sie wollen verhindern, dass in ihrer Umgebung ein iranisch dominiertes Umfeld entsteht. Im Irak ist das bereits der Fall, der Jemen wäre die andere Seite. Das ist für die Saudis alles sehr unerfreulich", so Chimelli. Saudi-Arabien hat zusammen mit anderen Staaten Luftangriffe gegen die Huthi-Rebellen im Jemen aufgenommen.
    Chimelli sieht dies auch als Störfeuer gegen die Atom-Verhandlungen mit dem Iran. Riad wolle verhindern, dass die Verhandlungen erfolgreich sind und dann Sanktionen des Westens gegen den Iran aufgehoben werden. Der Westen müsse nun Saudi-Arabien zur Zurückhaltung mahnen.

    Hier das vollständige Interview:
    Friedbert Meurer: Arabia Felix, das glückliche Arabien, das ist seit Jahrhunderten der Beiname des Jemen. Glückliches Arabien - lang ist's her. Das Land war in zwei Teile zerrissen, in zwei Staaten, und wurde vor knapp 25 Jahren dann wiedervereinigt. Aber diese Wiedervereinigung hat den Jemen nicht sicherer und stabiler und friedlicher gemacht. Zurzeit tobt ein Bürgerkrieg, in den Saudi-Arabien mit massiver militärischer Macht eingreift, zu Gunsten des amtierenden Präsidenten Hadi. Der ist übrigens heute Nacht in Riad aufgetaucht in Saudi-Arabien. Dort hat er Zuflucht gesucht.
    Rudolf Chimelli ist lang gedienter Journalist, gilt als der Durian der Berichterstattung über die arabische Welt. Wir erreichen ihn heute Morgen in München. Guten Morgen, Herr Chimelli!
    Rudolf Chimelli: Guten Morgen.
    Meurer: Was ist das Besondere des Jemen im Vergleich zu den anderen Staaten in der Region?
    Chimelli: Das Besondere ist - Sie haben es schon gesagt -, dass der Jemen eigentlich kein Land sein will. Der Süden, der früher britisch beherrscht war, wurde zwangsvereinigt mit dem viel stärkeren Norden. Außerdem hat der Jemen viele Stämme, Stammesverbände und er ist in zwei Konfessionen geteilt. Es gibt eine kleine, knappe sunnitische Mehrheit, aber die Schiiten sind auch stark. Es gibt Gegensätze noch und noch.
    Meurer: Wissen Sie, warum man den Jemen trotzdem als "Glückliches Arabien" bezeichnet hat?
    Chimelli: Das ist eine Bezeichnung aus der Antike, als der Jemen am Rande der bekannten Welt lag. Von dort kam Weihrauch, von dort kamen Gewürze, da herrschte die sagenhafte Königin von Saba. Man hat sich über die Realitäten, die damals wohl auch nicht immer glücklich waren, keine genauen Vorstellungen gemacht.
    "Es ist das ärmste Land der arabischen Welt"
    Meurer: So manches aus der Vergangenheit könnte man ja sehen, wenn man als Tourist in den Jemen fliegen könnte, wenn das nicht zu gefährlich wäre. Wie viel Potenzial geht dem Jemen im Tourismus durch die ewigen Auseinandersetzungen verloren?
    Chimelli: Alles, denn der Tourismus war eine sehr wichtige Einnahmequelle. Die Landwirtschaft liegt danieder aus dem Grund, dass die Wasservorräte, die aus der Tiefe gepumpt werden, fast erschöpft sind. Erdöl gibt es nicht viel. Es ist das ärmste Land der arabischen Welt.
    Meurer: Ist der Jemen ein hoffnungsloser Fall?
    Chimelli: Das ist eine schwierige Frage. Man könnte sagen wenn man die üblichen Kriterien anwendet, ja. Aber wie man weiß: Viele Länder sind in einem Zustand, die nicht in den Abfluss geschwemmt werden können, weil der Abfluss nicht groß genug ist. Sie existieren weiter.
    Meurer: Saudi-Arabien greift militärisch ein mit Truppen und mit Kampfjets. Dem Iran wird nachgesagt, dass er die schiitische Minderheit der Huthi-Rebellen unterstützt. Was glauben Sie, Herr Chimelli, ist das ein innerjemenitischer Konflikt, oder mehr ein Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran?
    Chimelli: Es ist vorläufig das erstere, aber alle fürchten, es könnte zum Stellvertreterkrieg werden. Nun muss man sagen, dass die jemenitischen Schiiten zwar entfernte Glaubensbrüder der Iraner sind, aber das ist ein anderer Zweig der Schia. Da gibt es Sympathien, da gibt es Affinitäten, aber das ist nicht einfach dieselbe Religion.
    Auf der anderen Seite muss man auch sagen, die Berichte von Waffenlieferungen - man spricht von 145.000 Tonnen in vier Jahren - halte ich für stark übertrieben. Ich glaube, eine große Rolle spielt, dass es für die Saudis wichtig war, in diesem Augenblick ein Störfeuer zu entfachen, ein Störfeuer während der Schlussphase der iranisch-amerikanischen Atomverhandlungen, denn die Saudis möchten unter keinen Umständen, dass da ein Erfolg zustande kommt.
    Auf der anderen Seite zeigen die Iraner Zurückhaltung. Sie werden nicht scharf auf die saudischen Luftangriffe reagieren, denn sie wollen die Lage in Genf am Verhandlungsort nicht unnötig belasten. Da ist alles noch offen.
    Übrigens die Saudis greifen mit Jagdbombern an, mit etwa 100 Bombern, die im Einsatz sind, ihre Verbündeten mit etwa noch mal zwei Dutzend, aber Bodentruppen sind nicht im Spiel.
    "Man sollte zur Zurückhaltung mahnen"
    Meurer: Das klingt trotzdem, Herr Chimelli, so, dass Sie sagen, das liegt im Moment eher an Saudi-Arabien, dass es da militärisch hart zur Sache geht, und weniger am Iran?
    Chimelli: Das scheint mir ganz offensichtlich, wenn man die Dinge nüchtern betrachtet. Es gab für das Ganze, für den aktuellen Vorstoß der Huthis in Richtung Aden einen aktuellen Anlass. Ende der vergangenen Woche gab es einen schweren Selbstmordanschlag auf die große Huthi-Moschee in Sanaa, in der Hauptstadt. Das scheint, sie besonders dazu animiert zu haben, mit dem Rest des Landes aufzuräumen. Der Militärflugplatz, den sie vor zwei Tagen besetzt haben, liegt nur 60 Kilometer von Aden. Dort waren auch die Amerikaner und einige Briten stationiert, die sich wahrscheinlich mit dem Drohnen-Programm beschäftigt haben. Aber die sind schon abgezogen.
    Meurer: Saudi-Arabien ist Verbündeter der USA. Auch das Verhältnis zur Bundesregierung bezeichne ich jetzt mal als freundschaftlich. Was sollten Berlin oder Washington den Saudis sagen?
    Chimelli: Man sollte zur Zurückhaltung mahnen. Die Saudis werden sich nicht darum kümmern, weil sie nur ihre eigenen Interessen im Auge haben, wie die meisten Mächte auf Erden. Sie wollen verhindern, dass in ihrer Umgebung ein iranisch dominiertes Umfeld entsteht. Im Irak ist das bereits der Fall. Der Jemen wäre die andere Seite. Das ist für die Saudis alles sehr unerfreulich.
    Meurer: Der Publizist und Nahost-Kenner Rudolf Chimelli kritisiert das Verhalten vor allen Dingen Saudi-Arabiens im jemenitischen Bürgerkrieg. Herr Chimelli, schönen Dank und auf Wiederhören nach München.
    Chimelli: Danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.