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Lärmstudie NORAH
Zweifel an den Ergebnissen

Vor wenigen Tagen präsentierten Wissenschaftler in Frankfurt am Main die Ergebnisse einer Studie, die die Auswirkungen des Lärms vom Flug-, Schienen- und Straßenverkehr auf die Gesundheit und Lebensqualität der betroffenen Menschen zeigen sollte. Einige Mediziner stehen der Studie allerdings reserviert gegenüber und üben Kritik an der Erhebung.

Von Mirko Smiljanic | 03.11.2015
    Eine Maschine der British Airways im Landeanflug am Flughafen Heathrow in London.
    Ein Flugzeug im Anflug am Londoner Flughafen Heathrow. Wie krank macht der Lärm? (AFP / Justin Tallis)
    Eine Passagiermaschine startet am Flughafen Frankfurt am Main. Wer diesem Krach Tag für Tag - womöglich sogar nachts - ausgesetzt ist, wird auf Dauer krank. Aber woran genau erkrankt er? Und in welchem Ausmaß? Die Lärmwirkungsstudie NORAH soll diese Fragen beantworten. In Teilstudien untersuchten Wissenschaftler die Lebensqualität, den Schlafverlauf, die Häufigkeit von Krankheiten im Rhein-Main-Gebiet und den Blutdruck in lärmbelasteten Regionen. Subjektiv fühlten sich zunächst einmal alle Menschen, die in der Näher der untersuchten Flughäfen leben, belästigt. Diese Beeinträchtigung der Lebensqualität sei bei gleichbleibendem Dauerschallpegel in den vergangenen Jahren sogar gestiegen. Medizinisch relevant sei aber etwas anderes.
    "Das größte Risiko besteht für Depressionen, wo wir schon in mittleren Schallintensitäten sehr große Risikoerhöhungen gesehen haben, die auch statistisch signifikant sind; das zweite sehr deutliche Risiko, in der Größenordnung etwas kleiner aber statistisch signifikant und überall zu sehen, ist die Herzschwäche, die Herzinsuffizienz, das war in dieser Art noch nicht bekannt vorher, wir hatten Vermutungen, allerdings ist es jetzt sehr schön gezeigt worden."
    Kaum Auswirkungen auf den Blutdruck
    Neu sei zudem - so Professor Wolfgang Hoffmann, Direktor des Instituts für Community Medicine an der Universität Greifswald und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates Qualitätssicherung der NORAH-Studie - dass der Dauerschallpegel wahrscheinlich harmloser ist als einige wenige hohe Spitzenwerte. Und noch ein weiteres Ergebnis war neu: Lärm erhöht den Blutdruck nur in begrenztem Maße.
    "Bluthochdruck ist durchgängig erhöht, es gibt positive Dosis-Wirkungs-Beziehungen, die sind allerdings flach und sind in nur sehr wenigen Fällen statistisch signifikant. Wir haben also beim Blutdruck eher weniger gefunden, als in anderen Studien berichtet wurde, es gab auch schon früher Studien, die keine Blutdruckerhöhungen gefunden haben."
    Verdacht: Die Studie ist "gekauft"
    Kaum erhöhter Blutdruck bei großem Lärm? Vor allem dieses Ergebnis der Studie löste bei vielen Medizinern heftige Kritik aus. "Die Blutdruckstudie selbst liefert überhaupt keine brauchbaren Ergebnisse, zum einen, weil die Messungen auf eine Art und Weise vorgenommen worden sind, die allen Regeln für Blutdruckmessungen widerspricht; zum andern, weil bei der Blutdruckstudie von vornherein all diejenigen ausgeschlossen wurden, denen der Arzt schon mal gesagt hat, sie hätten einen hohen Blutdruck, und das führt zu einer gewaltigen Verzerrung", sagte Professor Eberhard Greiser, Epidemiologe an der Universität Bremen im Fernsehsender "rheinmaintv". Ein methodisches Problem sei zudem, so Greiser, das Fehlen einer Kontrollgruppe aus lärmunbelasteten Regionen.
    "Darüber hinaus sind noch in dieser Studie nach meinem Ermessen zu viele weiche Faktoren, das heißt 'subjektives Lärmempfinden', was nicht immer mit den wirklichen körperlichen Beschwerden deckungsgleich ist, mit eingeflossen, sodass diese Studie sehr unter Vorbehalt zu sehen ist", so Petra Becker im Fernsehen des Hessischen Rundfunks, eine von 100 Medizinern, die der Studie reserviert gegenüberstehen. Hinter der Kritik steht der Verdacht, die Ergebnisse der Studie seinen "gekauft". Verständlich, immerhin beteiligen sich das Land Hessen, sowie die Luftverkehrsunternehmen Fraport AG und Lufthansa an der Finanzierung. Ihnen käme das Ergebnis "Lärm schädige die Gesundheit weniger als angenommen" gerade recht. Ob der Verdacht sich bestätigen wird, weiß zurzeit niemand.