Dienstag, 19. März 2024

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Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt
"Glyphosateinsatz in meiner Amtszeit um ein Drittel gesunken"

Die Diskussion über den Einsatz von Glyphosat werde in Deutschland als Symbolthema missbraucht, sagte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt im Dlf. Die Frage sei nicht so sehr, wann Glyphosat in Deutschland nicht mehr verwendet werde, sondern welche Alternativen es gebe.

Christian Schmidt im Gespräch mit Christiane Kaess | 18.01.2018
    Bundesernährungsminister Christian Schmidt (CSU) gibt am 03.01.2018 in Berlin eine Pressekonferenz zum Ernährungsreport 2018.
    Bundesernährungsminister Christian Schmidt (CSU) gibt am 03.01.2018 in Berlin eine Pressekonferenz zum Ernährungsreport 2018 (dpa / picture alliance / Britta Pedersen)
    Um langfristig Alternativen zu schaffen und auf eine möglichst geringe Nutzung hin zu arbeiten, sei intensive Forschungsarbeit notwendig. Außerdem sei in seiner Amtzeit der Glyphosateinsatz um ein Drittel gesunken. Auch mit dem Deutschen Bauernverband, der auf die Notwendigkeit eines Einsatzes beharre, werde man "irgendwie zusammenkommen", versicherte Schmidt.

    Das Interview in voller Länge:
    Christiane Kaess: Der Einsatz des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat, der bestimmte in den letzten Wochen die Diskussion in der Agrarpolitik. Gestritten wird zum einen darum, ob Glyphosat krebserregend ist oder nicht. Dazu gibt es unterschiedliche wissenschaftliche Einschätzungen. Viele Landwirte finden das Mittel unverzichtbar. Umweltverbände warnen dagegen, es sei auch umweltschädlich, weil es Kräuter und Pflanzen vernichtet, von denen Insekten leben.
    Für erheblichen Wirbel hat hier Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt von der CSU gesorgt. Er hatte auf EU-Ebene für eine weitere Zulassung von Glyphosat gestimmt, obwohl der Koalitionspartner, die SPD, und mit Namen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks dagegen war. Die Geschäftsordnung der Bundesregierung sieht eigentlich für solche Fälle eine Enthaltung vor.
    Extra brisant war der Moment von Schmidts Votum, denn es ging gerade darum, ob SPD und Union doch über eine weitere Große Koalition sprechen sollten, nachdem die Gespräche für eine Jamaika-Koalition geplatzt waren. Jetzt wollen SPD und Union den Einsatz von Glyphosat schließlich beenden – ein Thema auf der weltgrößten Landwirtschaftsmesse, der Internationalen Grünen Woche in Berlin.
    Am Telefon ist jetzt Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt von der CSU. Guten Morgen!
    Christian Schmidt: Guten Morgen.
    "Zielgerichtet auf eine möglichst geringe Nutzung hinarbeiten"
    Kaess: Herr Schmidt, die Sondierungsergebnisse zwischen Union und SPD, die lassen das Datum offen, an dem Glyphosat in Deutschland nicht mehr eingesetzt wird. Wann ist Schluss damit?
    Schmidt: Ich kann mich auch nicht ganz anfreunden mit der Diskussion, wann der letzte Tropfen Glyphosat verwendet wird. Die Frage ist, welchen Ausstieg wir und welche Alternativen wir schaffen. Das heißt nicht Hebel umlegen, sondern zielgerichtet auf eine möglichst geringe Nutzung schon jetzt hinzuarbeiten.
    Kaess: Aber das mit dem Ausstieg ist schon ernst gemeint?
    Schmidt: Ja, das ist ernst gemeint. Aber es ist ernst gemeint im Hinblick darauf, dass wir den Pflanzenschutz natürlich schon auch mit anderen Mitteln dann erhalten müssen.
    Die Diskussion geht zum Pflanzenschutz allgemein schon sehr viel tiefer und ich will ein bisschen davor warnen, dass da gerade mal ein Symbolthema genommen wird und eigentlich das, was dahinter liegt, die Schwierigkeiten, die auch zum Beispiel mit Insektenschutz zusammenhängen, dass nicht das Glyphosat, sondern die Frage der Möglichkeit von Wildblüten beispielsweise ist, von Grünstreifen, dass wir das nicht vernetzt sehen. Da ist die Diskussion in Deutschland nicht so ganz tiefgehend.
    Sorgen um den intensiven Einsatz in Südamerika
    Kaess: Ja, gut. Aber andere Länder auf der anderen Seite, die machen ja da viel mehr Druck. Frankreich zum Beispiel will bis 2020 aussteigen. Und es gibt sogar eine Initiative von Frankreich, Belgien, Luxemburg und Slowenien. Die fordern von der EU-Kommission einen Plan zum Ausstieg. Warum ist Deutschland da nicht dabei?
    Schmidt: Ein Plan zum Ausstieg heißt, wir wollen ja auch gerade – und das haben wir ja in diesen Sondierungsvereinbarungen besprochen; das, was übrigens in Deutschland in den letzten Jahren auch passiert ist; in meiner Amtszeit ist der Glyphosat-Einsatz um ein Drittel reduziert worden -, dass wir schärfere, strengere Maßnahmen machen. Die Sorgen, die Glyphosat betreffen, sind für mich sehr viel mehr auch diejenigen, wie es beispielsweise in Südamerika intensiv genutzt wird. Wir müssen beschränken, reduzieren und mit mechanischem Pflanzenschutz oder anderen Pflanzenschutzmitteln arbeiten, und das ist schon ein Stück Arbeit. Das macht man nicht mit Hebel umlegen, sondern da muss intensiv geforscht werden. Ich lade die Kollegen, gerade die französischen Kollegen, mit denen ich im engen Austausch bin, auch ein, in diese Richtung zu gehen.
    Kaess: Wenn Glyphosat oder der Einsatz davon in Deutschland jetzt sowieso auslaufen soll, da hätten Sie in Brüssel gar nicht mehr Ja sagen müssen und damit den Koalitionspartner und die Bundeskanzlerin vor den Kopf stoßen.
    Schmidt: Das, was getan und entschieden worden ist, auf wissenschaftlicher Ebene von der Kommission, wäre ja sowieso zu entscheiden gewesen. Aber ich will doch noch mal sagen: Das ist kein Ausweichen von mir. Aber das ist doch nicht das zentrale Thema vom Pflanzenschutz und von der Zukunft der Landwirtschaft. Es gibt eine ganze Reihe von Pflanzenschutzmitteln, über die man reden kann.
    Kaess: Ja, Herr Schmidt. Aber im Moment lassen Sie uns gerade noch beim Glyphosat bleiben. Ich möchte schon noch mal den Punkt einbringen, wenn Sie jetzt sagen, die EU-Kommission hätte dann verlängert, was ja in der Tat auch stimmt. Das hätte allerdings eine andere Wirkung gehabt.
    Schmidt: Ja, das ist so, und das muss man doch mal sagen dürfen.
    Kaess: Das stimmt ja auch so, habe ich auch gesagt. Das stimmt!
    Schmidt: Ich habe zum Beispiel …
    Kaess: Herr Schmidt! Darf ich mal kurz ausreden?
    Schmidt: Ja, gerne.
    "Wir wollen aus Glyphosat aussteigen"
    Kaess: Das hätte eine andere Wirkung gehabt, denn die EU-Kommission hätte dann den Druck gehabt, diese Genehmigung sehr restriktiv zu gestalten, wenn die halbe EU dagegen gewesen ist. Das war ja eine Patt-Situation.
    Schmidt: Wenn wir uns erinnern, haben Sie doch gerade mir völlig zu Wort geredet. Gerade deswegen habe ich doch erreicht mit dieser Entscheidung, dass die Biodiversität, dass die Transparenz, dass die mit reingenommen worden ist in diese Entscheidung. Eigentlich ist das, was Sie jetzt gerade gesagt haben, eine Unterstützung einer konstruktiven Arbeit, aber wir wollen aus Glyphosat aussteigen. Das ist in der Sondierung so besprochen. Da gibt es keinen Sieger und Besiegten, sondern es gibt eine nüchterne, vernünftige, an der Sache orientierte Arbeit. Und mir wäre es schon, glaube ich, wichtig, dass wir dieses Thema über die nächsten Jahre auch in der Öffentlichkeit durchaus begleiten.
    Kaess: Da sagt der Bauernverband jetzt als Gegenargument zum Glyphosat-Ausstieg, das ist überhaupt nicht praktikabel.
    Schmidt: Genau dazwischen sind doch die Dinge, die wir jetzt mit der Forschung und der Entwicklung, die übrigens bereits läuft, auch machen wollen. Es ist ja nicht so, dass man die Hände in den Schoß legt. Glyphosat ist auch eine teure Substanz, oder die Pflanzenschutzmittel. Deswegen ist alles das, was der Landwirt stattdessen machen kann, um Erträge zu haben, dann auch: Das darf nicht zu seinen Lasten gehen. Da müssen wir ihm helfen dabei. Das sind die Themen, da kommt man schon zusammen, auch mit dem Bauernverband.
    Kaess: Herr Schmidt, wie rechnen Sie sich Ihre Chancen aus, dass Sie in einer neuen Regierung wieder als Landwirtschaftsminister die Agrarpolitik gestalten werden?
    Schmidt: Fragen Sie mich doch mal lieber, wie die Politik der neuen Bundesregierung aussieht. Da arbeiten wir dran.
    Kaess: Aber da ist ja gar nicht uninteressant, was Ihre Position dann wäre.
    Schmidt: Meine Position ist die, dass wir in einer neuen Bundesregierung die Rolle …
    Grüne Woche: Wir müssen neue Dinge machen
    Kaess: Ich meine Ihr Amt mit Position.
    Schmidt: Falls Sie das noch nicht wissen? Über die Entscheidung einer Kabinettsbildung entscheiden am Schluss diejenigen, die Bundeskanzler werden, wenn es eine gemeinsame Koalition geben wird, und andere. Hier sollten wir doch heute mal über die Sache reden. Ich finde, die Grüne Woche, die der Höhepunkt der Kommunikation dankenswerterweise in ganz Deutschland über Fragen von Landwirtschaft und Ernährung ist, da steht im Vordergrund keine einzelne Person. Da steht im Vordergrund die Frage, wohin geht in einer gemeinsamen zukünftigen Agrarpolitik die Landwirtschaft in Deutschland. Wir müssen dort umbauen. Wir müssen neue Dinge machen. Wir dürfen aber es nicht so machen, dass wir die Landwirtschaft in Deutschland sozusagen wirtschaftlich nicht mehr existieren lassen können. Dann kommen nämlich unsere Nahrungsmittel von woanders her und wir haben keine Kontrolle darüber, wie sie dort produziert werden.
    Kaess: Und die Grüne Woche, Herr Schmidt, die zeigt ja gerade bei Ihren Kritikern, dass Sie für die ein sogenannter Ankündigungsminister sind, so werden Sie von denen bezeichnet, unter dem es vier Jahre Stillstand in der Agrarpolitik gab. So der Vorwurf.
    Schmidt: Na gut, wenn Sie das so sagen wollen. Geschenkt!
    Kaess: Lassen Sie mich gerade kurz mal ausreden?
    Schmidt: Nein! – Entschuldigung! – Was wollen wir denn heute diskutieren? Wollen wir diskutieren, was irgendeiner auf Plakate schreibt, weil seine Positionen nicht durchgekommen sind? Ich will Sie mal daran erinnern.
    Kaess: Nein, Herr Schmidt!
    Schmidt: Sie haben mich doch gefragt oder gesagt, dass ich ein Ankündigungsminister wäre.
    Kaess: Nein, ich wollte diesen Vorwurf noch zu Ende führen, denn es geht ja ganz konkret ums Tierwohl.
    Schmidt: Dann begründen Sie ihn mal.
    "Tierwohllabel ist überhaupt nicht gefloppt"
    Kaess: Darum geht es auch im Moment unter anderem gerade auf der Grünen Woche. Sie haben vor einem Jahr zur Grünen Woche ein Logo präsentiert, das für bessere Standards bei der Tierhaltung sorgen sollte. Daraus ist bis heute nichts geworden. Warum ist das gefloppt?
    Schmidt: Das ist überhaupt nicht gefloppt. Ich finde es auch ein bisschen unfair, dass man diejenigen, die für dieses Label intensiv arbeiten, jetzt da so anspricht. Ich habe gemeinsam übrigens mit dem Präsidenten des Tierschutzbundes und mit dem Präsidenten der Verbraucherzentralen vor einem Jahr das vorgestellt. Es waren Bundestagswahlen dazwischen. Wir brauchen ein Gesetz. Es gab Streit über die Frage, wie genau die Kriterien sind, und ich kann an uns nur alle appellieren, dass wir diesen Detailstreit zurückstellen im Sinne des großen Ganzen. Deswegen ist doch die gute Botschaft, dass es gelungen ist, meinen Vorschlag für das Tierwohl-Label in die Sondierungspapiere mit einzubringen, das von SPD und CDU/CSU getragen wird.
    Kaess: Das war davor innerhalb von einem Jahr nicht zu regeln?
    Schmidt: Ja, das ist relativ kompliziert.
    Kaess: Deswegen gibt es bis heute keine verbindlichen Standards?
    Schmidt: Die Standards, die werden jetzt in den Sondierungsverhandlungen, wenn am Sonntag die SPD sich dafür entscheidet, dass wir Koalitionsverhandlungen machen, sicher eine Rolle spielen. Da wird aber auch nicht der letzte Quadratzentimeter erörtert. Diese Fragen werden im Koalitionspapier gemacht werden. Da muss gearbeitet werden. Das geht nicht so einfach mal von schneller Hand. Das muss halten, muss nachhaltig sein, und deswegen bitte ich einfach um Verständnis, dass man diese Dinge auch nicht gerade von heute auf morgen macht.
    "Wildschweinbestand in Deutschland muss reduziert werden"
    Kaess: Lassen Sie uns zum Schluss kurz noch auf ein anderes Thema gucken: die Schweinepest. Es soll heute eine Sonderkonferenz von Ihnen mit den Agrarministern der Länder geben, auch zu diesem Thema. Welche Maßnahmen planen Sie? Es gibt jetzt schon Alarm von Tierschützern, die warnen vor einer Massenjagt auf Wildschweine, die nichts bringen würde.
    Schmidt: Der Wildschweinbestand in Deutschland ist viel zu groß. Wir müssen ihn reduzieren, er ist ein möglicher Übertragungsweg. Gott sei Dank haben wir diese Tierseuche, die übrigens auf den Menschen nicht übertragbar ist, in Deutschland noch nicht. Und wir werden dort auch in der nächsten Zeit alle Maßnahmen tun. Ich bin bereits seit dem letzten Jahr unterwegs in Tschechien, wo die nächste Stelle ist gegenüber Deutschland, um alles zu tun, dass die Übertragungswege nicht stattfinden. Das heißt aber auch, dass jeder vorsichtig sein muss, der ein Wurstbrot …
    Kaess: Das heißt konkret? Darf ich noch mal nachfragen? Wildschweine werden reduziert werden auf alle Fälle?
    Schmidt: Ja, die müssen reduziert werden. Wir sind mit dem Deutschen Jagdverband auch in einem sehr engen Austausch und es werden Wildschweine geschossen, sehr viel mehr als bisher. Ich habe auch ein Wildschwein-Monitoring, übrigens seit zwei Jahren, das bei erlegten Wildschweinen dann untersucht, ob irgendwelche Krankheitserreger da sind. Bisher ist der Befund dankenswerterweise negativ.
    Kaess: Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt war das von der CSU. Vielen Dank für Ihre Zeit heute Morgen.
    Schmidt: Gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.