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Medizin
Der Kampf gegen multiresistente Keime

Sie könnten den medizinischen Fortschritt des vergangenen Jahrhunderts bedrohen: Einige Mikroben haben sich in Kliniken, Pflege- und Altenheimen, in den Ställen der Massentierhaltung oder in den Abwässern zu multiresistenten Erregern entwickelt. Die Gefahr: Die gängigen Antibiotika sind wirkungslos.

Von Dagmar Röhrlich | 07.07.2017
    Hände werden im Spandauer Vivantes-Klinkum in Berlin desinfiziert.
    Trotz besonderer Hygiene-Vorschriften verbreiten sich multiresistente Keime vor allem in Krankenhäusern. (picture alliance / dpa / Stephanie Pilick)
    Das Caritas-Krankenhaus in Bad Mergentheim. Der moderne Bau am Stadtrand liegt auf einem Hügel über dem Taubertal. Entstanden ist die Klinik 1946 zur Behandlung von 800 Tuberkulose-Patienten. Inzwischen ist daraus ein akademisches Lehrkrankenhaus geworden, das rund 22.000 stationäre Patienten pro Jahr betreut. Ärztlicher Direktor ist Christoph Eingartner.
    "Wir sind ja hier ein Krankenhaus im ländlichen Raum. Wir sehen zum Beispiel viele Patienten, die zu Hause eine Landwirtschaft haben und dann mit multiresistenten Keimen kommen."
    Multiresistente Keime, das sind Erreger, die nicht mehr auf die gängigen Antibiotika reagieren oder sogar auf gar keines mehr, beschreibt Christoph Eingartner.
    "Wir finden bestimmt drei, vier, fünf Patienten pro Jahr, die MRSA beispielsweise in der Nase tragen. Die haben aus ihrer Tierzucht, aus ihrer Landwirtschaft die multiresistenten Keime dabei."
    MRSA-Ausbreitung nicht nur in Krankenhäusern
    MRSA - der methicillin-resistente Staphylococcus aureus. Er entstand schon in den 1950er Jahren, als das Antibiotikum Methicillin gerade klinisch erprobt wurde. Von da aus trat er den Weg um die Welt an: Zunächst fand man ihn nur in Krankenhäusern, seit Mitte der 1990er Jahre im ambulanten Bereich, seit 2005 durch den Einsatz von Antibiotika in der Tiermast auf den Bauernhöfen, und von da aus kehrt MRSA zurück in die Kliniken.
    "Der Staphylococcus aureus beispielsweise, das ist ein Alltagskeim, den hat jeder von uns dabei. Blöd ist es nur, wenn er sich beispielsweise in einer Wunde befindet. Dann ist es eine Infektion. Das kann eben große Probleme machen im Zusammenhang mit einem abwehrgeschwächten Patienten, die eben mit diesem Keim auch nicht alleine fertig werden, sondern wo es eben eine entsprechende antibiotische Therapie braucht. Und eine Reihe von gängigen Antibiotika sind eben bei diesen Keimen nicht mehr wirksam.
    Der methicillin-resistente Staphylococcus aureus ist nicht allein. Wenn die Wunderwaffe Antibiotikum gegen Bakterien ausfällt, können Operationen, Chemotherapien, Dialyse oder intensivmedizinische Behandlungen zur tödlichen Gefahr werden. Infektionen drohen wieder ihren alten Schrecken zu erlangen. 2016 kam der vom damaligen britischen Premier David Cameron in Auftrag gegebene O’Neill Report zu dem Schluss: Wenn Antibiotika weiterhin so breit eingesetzt werden wie bisher, werden im Jahr 2050 mehr Menschen durch antibiotikaresistente Bakterien sterben als durch Krebs.
    Immer mehr Antibiotika verlieren ihre Wirksamkeit
    "Antibiotika sind von herausragender Bedeutung, und deswegen ist der Umstand, dass immer mehr Antibiotika ihre Wirksamkeit verlieren, ja wirklich eine globale Bedrohung für die moderne Medizin. Weil wenn wir in ein gleichsam Vor-Penicillinzeitalter, ohne die wirksame Waffe Antibiotika gegen Infektionskrankheiten zurückfielen, dann würde eben von Infektionskrankheiten, die heute leicht behandelbar sind, plötzlich wieder eine dramatische Gefahr ausgehen. Und das ist schon eine Herausforderung, die uns national, aber eben auch weil es eine weltweite Tendenz ist, international sehr beschäftigen muss."
    So beschreibt Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, CDU, das Problem, das so drängend ist, dass es Mitte Mai in Berlin Thema beim ersten Treffen der G20-Gesundheitsminister war. Und jetzt steht es auch bei dem in Hamburg stattfindenden Gipfel der Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer auf der Tagesordnung, was Saskia Nahrgang vom Europabüro der Weltgesundheits-Organisation WHO sehr begrüßt.
    "Wir sind als WHO Programm, das sich mit Antibiotikaresistenz beschäftigt, sehr froh darüber, dass das Thema in diesen sehr hohen Foren behandelt wird und dass es jetzt wiederholt auf der Agenda steht."
    Globales Problem
    Denn Antibiotikaresistenzen sind ein globales Problem, bei dem alle Beteiligten an einem Strang ziehen müssen, erläutert die Expertin für Antibiotikaresistenzen der WHO.
    "Die Tiermedizin ist wichtig, die Pharmazeutik ist wichtig, die Finanzministerien sind wichtig, um Aktionspläne auch entsprechend zu finanzieren. Und das ist vielleicht einer der wichtigsten Beiträge, die eben die G20 leisten kann, das Thema zu platzieren, das Bewusstsein für das Thema in den Köpfen der hohen Regierungsvertreter zu verankern, und dass das hoffentlich dann auch dazu beiträgt, dass die Arbeit in den Ländern über die Ministerialgrenzen hinaus erleichtert wird."
    Dem Bundesgesundheitsministerium zufolge infizieren sich in Deutschland jährlich zwischen 400.000 und 600.000 Menschen während eines Klinikaufenthalts. Schätzungen zufolge gehen etwa sechs Prozent dieser Infektionen auf das Konto resistenter oder multiresistenter Keime. Keime, bei denen die Therapiemöglichkeiten eingeschränkt sind. Eine Studie in der Europäischen Union aus dem Jahr 2009 geht davon aus, dass in Europa etwa 25.000 Menschen aufgrund von antimikrobieller Resistenz sterben - und dass pro Jahr Kosten von etwa 1,5 Milliarden Euro entstehen - durch längere Krankenhausaufenthalte, teurere Medikamente oder durch die Kosten der Isolierung der Patienten. In einem großen Krankenhaus fallen dafür um die 200.000 Euro pro Jahr an.
    Multiresistente Enterobakterien in einer Petrischale nachgewiesen.
    Multiresistente Keime stellen nicht nur Forscher vor neue Herausforderungen. (Axel Hamprecht/IMMIH/dpa)
    Der Kampf gegen die Bildung von Multiresistenzen ist so schwierig, weil es der natürliche Prozess ist, mit dem sich Bakterien seit Milliarden Jahren anpassen.
    Christoph Eingartner: "Keime existieren überall unter den widrigsten Umständen. Die sind extrem anpassungsfähig, und sie lernen eben auch in der Gegenwart von Antibiotika zu leben - auf gut Deutsch: Sie entwickeln Resistenzen."
    Allerdings nur, wenn es sich für sie lohnt - sprich: im Kontakt mit dem Antibiotikum.
    Kostbares Gut Antibiotikum
    Und wenn ein paar Bakterien den Einsatz überleben, weil die Dosierung zu niedrig oder weil es das falsche Antibiotikum war, weil es zu früh abgesetzt wurde oder weil es ins Abwasser gelangt ist und damit in eine ideale Kinderstube für multiresistente Keime. Das Problem wächst von Jahr zu Jahr, betont Georg Schütte, Staatssekretär am Bundesforschungsministerium.
    "Man hat in den Niederlanden Bodenproben aus den 1940er Jahren. In diesen Bodenproben hat man resistente Gene entdeckt. Wenn man die mit Bodenproben heute vergleicht, dann ist die Resistenz um mehr als das 15fache gewachsen."
    Die multiresistenten Erreger in Schach zu halten, ist ein komplexes Unterfangen. Auf politischer Ebene arbeiten Gesundheits-, Landwirtschafts- und Forschungsminister zusammen. Das Schlagwort dazu gibt es auch: One Health, eine Gesundheit, ein Begriff, den die WHO geprägt hat. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe:
    "Jeder - und das beginnt beim aufgeklärten Patienten oder der Patientin -, Landwirtschaft, Humanmedizin, an allen Stellen müssen wir wissen, das kostbare Gut Antibiotikum darf nicht seine Wirksamkeit verlieren durch übermäßigen Gebrauch."
    Massenhafter Antibiotika-Einsatz in deutschen Tierställen
    Allerdings wurden im Jahr 2011 1700 Tonnen Antibiotika in deutschen Tierställen verabreicht. Ein großer Teil ging in die Tierarztpraxen im Agrarland Niedersachen - vor allem in die Landkreise, in denen intensiv Hühner, Puten und Schweine gehalten werden, erläutert der niedersächsische Landwirtschaftsminister Christian Meyer von den Grünen.
    "Deshalb ist es auch klar, um die 90, 95 Prozent wird wirklich in der industriellen Massentierhaltung bei großen Einheiten verwendet. Allein da schon, weil nicht ein Einzeltier behandelt wird in der Regel, sondern ein ganzer Bestand von 80.000 Hühnern oder Puten kriegt übers Tränkewasser diese Medikamente."
    Metaphylaxe nennt sich dieser Einsatz, der aus Sicht der Mikroorganismen ideal ist, um Resistenzen zu züchten. Schließlich ist er alles andere als zielgenau. Und so wundert es nicht, dass Landwirte und Tierärzte in Deutschland auf multiresistente Keime gescreent werden, wenn sie ins Krankenhaus müssen. Um die Brutstätte Stall für multiresistente Keime etwas einzuhegen, ist seit 2014 ein neues Gesetz in Kraft.
    Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer: "Bundesweit müssen die Betriebe ihren Antibiotikaeinsatz melden. Seit zwei, drei Jahren, wo wir dieses Gesetz haben, sinkt der Einsatz von Antibiotika, und wir haben in Niedersachsen fast eine Halbierung erreicht."
    Auf Bundesebene sehen die Zahlen ähnlich aus. Der Trick: Wer mehr als der Durchschnitt einsetzt, muss das begründen und einen Plan zur Senkung vorlegen. Werden mit Antibiotika einfach schlechte Haltungsbedingungen überdeckt, können die Behörden Verbesserung anordnen oder die Zahl der gehaltenen Tiere einschränken. Allerdings hat die Sache auch einen Haken, erklärt Peter Walger. Er ist Leitender Arzt an den Johanniter Kliniken in Bonn und Sprecher des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene.
    "Aber man muss dann auch genau hingucken. Ansteigen tun in der Tiermast Breitspektrum-Antibiotika. Das heißt, das sind einfach in viel kleinerem Milligrammbereich hochpotente Mittel, die dann einen vergleichsweise größeren Selektionsschaden machen. Also nur das Gewicht zu begucken, ohne was ist in der Packung drin, macht das Bild schöner als es tatsächlich ist."
    Wunderwaffen drohen stumpf zu werden
    Weltweit betrachtet ist der Antibiotikaeinsatz in den vergangenen zehn Jahren um rund ein Drittel gestiegen - vor allem in Brasilien, Indien, China, Südafrika und Russland. Und damit steigt auch das Risiko, das irgendwo auf der Welt neue Resistenzen entstehen.
    Ein weiterer Faktor, der beschleunigend wirkt, ist die wachsende Weltbevölkerung, weil dadurch mehr Patienten Antibiotika verordnet werden. Auch der demographische Wandel trägt seinen Teil dazu bei, weil ältere Menschen häufiger in Kliniken behandelt werden oder in Alten- und Pflegeheimen leben, erläutert Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts in Berlin.
    "Dieser Prozess beschleunigt sich kontinuierlich, aber in verschiedenen Regionen der Welt aufgrund von verschiedenen Umständen."
    Die Wunderwaffen der Mediziner im Kampf gegen die Bakterien drohen eine nach der anderen stumpf zu werden.
    Ein Mann zeigt am 09.08.2016 im Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig (Niedersachsen) auf eine Petrischale mit unterschiedlichen Antibiotikaproben. 
    Fast alle Antibiotika sind bereits wirkungslos gegen multiresistente Keime. (dpa / Sebastian Gollnow)
    Staatssekretär Georg Schütte vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF: "Wir sehen, dass wir seit Ende der achtziger Jahre keine neuen Antibiotikaklassen mehr entdeckt haben, d.h. wir sind in der Forschung in einer Situation, wo wir dem Thema wachsende Resistenzen nicht mehr mit neuen Therapeutika begegnen können."
    Der Grund: Alle einfach zu entwickelnden Antibiotika gibt es schon längst.
    Entwicklung neuer Antibiotika ist teuer
    "Große Probleme bei der Entwicklung neuer Antibiotika liegen darin, dass wir ganz wenige neue Zielorte an den Bakterien haben", sagt Siegfried Throm, Geschäftsführer Forschung, Entwicklung und Innovation beim Verband der forschenden Arzneimittelhersteller in Berlin.
    "Die Firmen sind darauf angewiesen, dass aus der Wissenschaft neue Angriffsziele bekannt werden, gegen die sie dann gezielt Wirkstoffe entwickeln können. Gegen die bisher bekannten Angriffsziele, zum Beispiel die Zellwand oder der Zellkern oder die Proteinfabrik der Bakterien, da gibt es schon eine ganze, ganze Reihe von Antibiotika. Und es mangelt sehr an diesen neuen Angriffszielen."
    Die Entwicklung neuer Antibiotika ist ein teures Geschäft. Eine Studie der Boston Consulting Group im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums bezifferte die Gesamtkosten - von der Idee bis zur Markteinführung auf rund 700 bis 1100 Millionen Euro. Und das angesichts eines "begrenzten Marktanreizes", wie Georg Schütte vom BMBF ausführt.
    "Wenn Sie ein neues Antibiotikum entwickelt haben, ist die beste Art es dann zum Einsatz zu bringen, es möglichst selten zu verwenden, um nicht direkt die neue Resistenzentwicklung zu befördern. Die Kosten, die sie in die Entwicklung reinstecken, können sie erst über einen viel, viel längeren Zeitraum wieder amortisieren."
    So überlegen Ökonomen, wie die Forschung trotzdem attraktiv gemacht werden kann. Mit einer Entkopplung von verkaufter Menge und Erträgen der pharmazeutischen Industrie beispielsweise, oder über Finanzspritzen für die Entwicklung. Doch selbst wenn das Finanzielle geregelt wäre, dauert es immer länger, bis neue Produkte marktreif sind, eben weil potentielle Angriffspunkte für neue Wirkstoffe immer schwieriger aufzuspüren sind. Immerhin haben die forschenden Pharmaunternehmen derzeit Mehreres in der Pipeline.
    Siegfried Throm: "Die gute Nachricht ist, dass wir in der jetzigen Periode, die von 2011 bis 2020 dauert, wahrscheinlich auf etwa 16 neue Antibiotika kommen können."
    Sofern sie zugelassen werden, denn von zehn potentiellen Wirkstoffen, die in die klinische Erprobung kommen, wird letztendlich nur einer zugelassen. Doch selbst wenn alle durchkämen, es würde nur Zeit kaufen. Denn gleichgültig, wie viele neue Mittel auf den Markt kommen, die Bakterien werden Abwehrstrategien gegen jedes einzelne von ihnen entwickeln.
    Antibiotika-Resistenzstrategie
    Resistenzbildung lässt sich nur verlangsamen. Und schon das ist kompliziert. Deutschland verfolgt seit 2008 eine nationale Antibiotika-Resistenzstrategie, die 2015 verschärft worden ist. So müssen unter anderem Ärzte geschult werden, damit sie Antibiotika effizient und zielgenau einsetzen und Patienten müssen lernen, sie auch korrekt einzunehmen. Vor allem geht es um Prävention, um die Verbesserung der Hygiene in Arztpraxen, in Pflege- und Altenheimen und in den Kliniken, um die Infektionshäufigkeit zu reduzieren.
    Lothar Wieler vom Robert-Koch-Institut: "Das ist natürlich ein ganz besonders wichtiger Punkt, denn je weniger Infektionen auftreten, desto weniger resistente Bakterien treten natürlich auch auf und desto weniger Antibiotika werden eingesetzt."
    Christoph Eingartner ist als ärztlicher Direktor in Bad Mergentheim auch für die Hygiene zuständig. Die hohen Anforderungen der Krankenhaushygiene seien den Klinikmitarbeitern mittlerweile sehr bewusst, urteilt er.
    "Im Grunde genommen haben schon immer alle alle Lampen an, um sich da jeweils richtig zu verhalten."
    Allerdings stehe der Hygieneaufwand, der ganz einfach betrieben werden müsse, in einem krassen Missverhältnis zum Personalschlüssel.
    Problem Krankenhausfinanzierung
    "In keinem Land der Welt hat eine Pflegekraft im Krankenhaus sich um so viele Patienten zu kümmern. Auf einer Intensivstation, wenn es da piepst und da pfeift, und da ist dieses, und da ist jenes und das Telefon und das sollte eigentlich schon längst... Und da entsteht natürlich eine Arbeitslast, die es manchmal schwer macht, die immer aufwendigeren Hygienemaßnahmen tatsächlich auch bis ins Letzte einzuhalten und zu erfüllen."
    An diesem Punkt verliert man sich in den Untiefen Krankenhausfinanzierung - wobei schnell klar wird, dass beim Kampf gegen Multiresistenzen alles mit allem zu tun hat. Bis hin zum Investitionsstau. In vielen Häusern ist die Gemeinschaftstoilette auf dem Gang immer noch kein Relikt aus vergangenen, wenig hygienischen Zeiten. Und oft fehlen die Einzelzimmer um Patienten mit multiresistenten Erregern zum Schutz der anderen zu isolieren.
    "MRSA-Abstrich!!!!!!!!! Bitte daran denken !!!!!!!!!!" steht am 27.02.2014 auf einem Zettel in der Notaufnahme einer Klinik in Berlin. MRSA nennt man Methicillin-resistente Stämme von Staphylococcus aureus. Diese Bakterien sind gegen viele verschiedene Antibiotika resistent.
    Die Gefahr, die von den Antibiotika-resistenten MRSA-Keimen ausgeht, ist in Krankenhäusern bekannt. (dpa/picture-alliance/Wolfram Steinberg)
    Peter Walger: "Also die Politik hat reagiert mit Aufmerksamkeit, es gibt viele gute Vorschläge. Aber die eigentlichen Weichenstellungen, mehr Geld in das System der Renovierung, der Umstrukturierung der Krankenhäuser einerseits und mehr Geld in das Pflegepersonal, Aufstockung der Personalbestände, um günstigere Schlüssel zu haben. Das sind zurzeit eigentlich die beiden wichtigsten Weichenstellungen."
    Immerhin läuft seit 2013 ein von den Krankenkassen unterstütztes Hygienesonderprogramm, das mit einigen 100 Millionen Euro die Aus- und Fortbildung des Personals stützt.
    Globale Herausforderung
    In Zeiten einer hochmobilen Gesellschaft reisen auch die multiresistenten Keime mit Menschen und Tieren um die Welt, brauchen nur wenige Stunden von einem Kontinent zum nächsten. Und doch kann die Bekämpfung des Problems nur regional erfolgen.
    Lothar Wiehler vom Robert-Koch-Institut: "Jedes Land, jede Region muss sich eigene Zeitpläne setzen. Aber die Regionen müssen offen miteinander umgehen, und das ist der Grund warum es wirklich große supranationale Anstrengung gibt, inzwischen bis zur UN hoch ist ein Expertenteam eingerichtet worden, damit die Welt sich möglichst gut koordiniert. Wir müssen aufhören, bestimmte Länder oder bestimmte Regionen dafür verantwortlich zu machen, dass Antibiotikaresistenzen entstehen, sondern man muss dieses Problem gemeinsam lösen."
    Während es bei den Industriestaaten vor allem darum geht, die Verschwendung einzudämmen, wünschen sich viele ärmere Staaten erst einmal überhaupt einen Zugang zu einer breiten Palette von Antibiotika. Und dafür ist viel Hilfestellung notwendig.
    Lothar Wieler: "Das Wichtigste ist wirklich, die Gesundheitssysteme vor Ort zu stärken. Bevor die nicht gestärkt sind, genug Ärzte, genug Kliniken, genug medizinisches Personal, vorher hat es natürlich sehr sehr wenig Sinn andere Maßnahmen zu fordern, denn erst dann wird ja auch sinnvoll mit Antibiotika umgegangen."
    Im Mai hatten sich die Gesundheitsminister der G 20 dazu verpflichtet, ab dem kommenden Jahr in die Antibiotikaverbrauchsüberwachung der WHO einzusteigen und auch zu einer weltweiten Verschreibungspflicht.
    Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe: "Wenn sich die Staats und Regierungschefs mit diesem Thema Antibiotikaresistenzen - was wir dagegen tun müssen - beschäftigen, dann unterstreicht das die Dringlichkeit der Herausforderung. Es ist eben nicht die Sache eines Ministeriums, es ist Querschnittsaufgabe, es muss national wie international auch ein Stück weit Chefsache sein, und es schafft öffentliche Aufmerksamkeit für ein Thema. Und die brauchen wir dringend, damit auch die einzelnen, jeder an deinem Platz, vernünftig mit Antibiotika umgeht. Und insofern ist das ein großer Schritt nach vorne in der Aufmerksamkeit für ein dringliches Thema."