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Meinungsfreiheit im Internet
Debatte über digitale Wahlempfehlungen

Annegret Kramp-Karrenbauer hat Regeln für "Meinungsmache" im Internet ins Gespräch gebracht und damit viel Kritik geerntet. Die Äußerungen der CDU-Chefin könnten aber zumindest eine wichtige Debatte anstoßen, sagte der Medienethiker Alexander Filipović im Deutschlandfunk.

Alexander Filipović im Gespräch mit Bettina Köster |
Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundesvorsitzende der CDU, spricht auf einer Wahlkampfveranstaltung der CDU Hessen zur Europawahl
Annegret Kramp-Karrenbauer hat mit ihren Äußerungen zur "Meinungsmache" im Internet für viel Kritik gesorgt (dpa/Arne Dedert)
Dass kurz vor der Europawahl mehr als 70 YouTuber in Deutschland einen gemeinsamen Aufruf gegen CDU und SPD veröffentlicht haben, sorgt weiter für Diskussionen. Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer sagte am Montag in Berlin: "Was wäre eigentlich in diesem Lande los, wenn eine Reihe von, sagen wir, 70 Zeitungsredaktionen zwei Tage vor der Wahl erklärt hätten, wir machen einen gemeinsamen Aufruf: Wählt bitte nicht CDU und SPD. Das wäre klare Meinungsmache vor der Wahl gewesen."
Kramp-Karrenbauer sagte außerdem, dass "mit Blick auf das Thema Meinungsmache" zu klären sei, welche Regeln für den digitalen Bereich gelten.
"Beispielloser Angriff auf die Meinungsfreiheit"
Mit diesen Aussagen hat die CDU-Politikerin viel Kritik ausgelöst. Zum Beispiel twitterte die Parlamentarische Geschäftsführer der Linken-Fraktion im Bundestag, Niema Movassat, von einem "beispiellosen Angriff auf die Meinungsfreiheit". Kramp-Karrenbauer wies die Vorwürfe zurück. Es gehe ihr nicht um eine Einschränkung der Meinungsfreiheit.

Nach Ansicht des Medienethikers Alexander Filipović von der Hochschule für Philosophie München sind Kramp-Karrenbauers Aussagen "ein willkommener Anlass, nochmal neu über Meinungsfreiheit nachzudenken". Bei einem demokratischen Diskurs dürfe freie Meinungsäußerung aber in keiner Weise eingeschränkt werden, sagte Filipović im Deutschlandfunk.
Kaum Wahlempfehlungen in Deutschland
Dass sich Prominente immer wieder öffentlich politisch bekennen, hat die CDU in der Vergangenheit selbst für sich genutzt. Auf einer Internetseite der CDU begründeten zum Beispiel im vergangenen Bundestagswahlkampf mehrere Prominente, warum sie sich für Bundeskanzlerin Angela Merkel einsetzen.
Journalisten aber geben in Deutschland traditionell nur sehr selten Wahlempfehlungen ab. Eine Ausnahme bildete die "Financial Times Deutschland", die sich im Jahr 2002 für eine Wahl des damaligen Unions-Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber aussprach. "Journalismus tendiert dazu, sehr zurückhaltend zu sein und parteiübergreifend zu berichten und auch zu kommentieren" sagte Filipović. Deswegen sei es "erfrischend, wenn jetzt ein YouTuber gut recherchiert konkret Kritik übt".