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Mützenich: UN-Resolution als klares Rücktrittssignal an Assad

Auch ohne Option auf eine militärische Intervention, die Russland unbedingt verhindern will, sei eine UN-Resolution gegen Syrien wirkungsvoll, findet der außenpolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Rolf Mützenich. Sie sei ein "Zeichen an Assad, dass auch die letzten Verbündeten die Unterstützung aufgeben".

Rolf Mützenich im Gespräch mit Peter Kapern | 01.02.2012
    Peter Kapern: Es bleibt dabei: der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ist in der Syrien-Frage gelähmt. Da hatte die Arabische Liga nach dem Scheitern ihrer Beobachtermission einen eindringlichen Hilferuf nach New York gesandt, hatte die Weltorganisation aufgefordert, mit einer Resolution politisch in das Morden einzugreifen. Der russische Botschafter, Witali Tschurkin, beendete in der vergangenen Nacht das Feilschen um diese Resolution, allerdings mit einem kurzen und bündigen Njet.
    China und Russland, diese beiden Länder sind es also, die sich seit Monaten gegen eine Resolution des Sicherheitsrats in Sachen Syrien stemmen.

    Bei mir im Studio ist jetzt Rolf Mützenich, der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag. Herr Mützenich, welchen Reim machen Sie sich auf das beinharte Nein aus Moskau?

    Rolf Mützenich: Nun, man muss das bedauern, und ich glaube, das Kalkül, was Moskau hat, Assad offensichtlich an der Macht zu lassen und damit auch sozusagen willfährig gegenüber Moskau, das wird langfristig nicht aufgehen. Wir haben ja gesehen, dass offensichtlich die Arabische Liga willens ist, diesen Konflikt auf eine internationale Bühne zu holen. Und ich glaube, da gehört er zum jetzigen Zeitpunkt auch hin.

    Kapern: Wenn das Kalkül langfristig nicht aufgehen kann, warum beharrt dann Moskau so sehr auf seiner Position? Denn die russische Regierung hätte ja, wenn es zu einem Regimewechsel in Syrien kommt, dann doch mit Zitronen gehandelt.

    Mützenich: Also das glaube ich schon, und deswegen muss auch ein Appell an Moskau, auch an China gerichtet werden, hier eben nicht mit einem Veto zu drohen, sondern sich konstruktiv an Gesprächen zu beteiligen. Und ich glaube, es gibt ja offensichtlich auch Hinweise darauf, dass die Arabische Liga mit dem Entwurf, den Marokko jetzt eingebracht hat, auch mit westlicher Hilfe, durchaus noch zu Kompromissen bereit ist, insbesondere an alle Konfliktparteien durch diese Resolution auch zu appellieren, und damit geht man ja auch auf einen Entwurf, den die Russen eingebracht haben, indirekt zu.

    Kapern: Wir haben ja eben in dem Beitrag aus New York gehört, dass der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Link, durchaus optimistisch ist, was die weiteren Verhandlungsentwicklungen angeht. Teilen Sie diesen Optimismus und wenn ja, worauf stützt sich der denn, denn Moskaus Nein hat ja schon sehr lange Bestand?

    Mützenich: Ich glaube, dass der Kollege Link offensichtlich über Informationen verfügt, die außerhalb der öffentlichen Sitzung gewesen sind, dass vielleicht Moskau auch angedeutet hat, das es in Gesprächen, die jetzt auf Botschafterebene in diesen Tagen stattfinden, stärker Kompromissbereitschaft zeigt, als es das vielleicht öffentlich getan hat. Anders kann ich mir keinen Reim auf diese Aussagen machen.

    Kapern: Schauen wir doch mal auf das eine oder andere Argument, das Moskau gegen diese Resolution vorbringt. Da heißt es zum Beispiel, Moskau wolle auf keinen Fall die Hand reichen zu einem militärischen Eingreifen in Syrien. Dieser Resolutionsentwurf, wie er da vorliegt, hat der ein Hintertürchen für militärische Optionen?

    Mützenich: Nach meinem Dafürhalten nicht, weil ja offensichtlich auch alle an dem Konflikt beteiligten Kräfte, auch die Opposition in Syrien, aber auch außerhalb, eben kein militärisches Eingreifen wollen. Und auch der derzeitige Vertreter der Arabischen Liga, der katarische Außenminister, hat ja noch mal eindeutig erklärt, es geht überhaupt nicht um militärische Eingriffe, sondern es geht darum, auf Gewalt zu verzichten und insbesondere einen Appell an das Regime von Assad auszusenden, zu Verhandlungen bereit zu sein, aber offensichtlich eben ohne Assad, und ich glaube, das ist offensichtlich auch Linie der Opposition in Syrien.

    Kapern: Stellt sich doch einmal mehr die Frage: Warum dann das harte Nein aus Moskau?

    Mützenich: Nun, ich glaube, wir dürfen nicht in dem Sinne uns darauf einen Reim machen. Die Russen haben innenpolitische Herausforderungen, Putin kämpft um eine Präsidentschaft, es gibt Widerstände auch, glaube ich, innerhalb des Systems, Medwedew spielt in dem Sinne keine Rolle mehr, wie er es vielleicht noch bei der Libyenresolution gemacht hat. Also ich glaube, sehr starke innenpolitische Gründe haben mit diesem Nein Russlands letztlich auch im Sicherheitsrat zu tun, und nach meinem Dafürhalten wird sich vielleicht an diesem Widerstand erst in den nächsten Wochen etwas ändern.

    Kapern: Hinter der russischen Position scheinen ja auch die Erfahrungen mit Libyen zu stecken. Und in der Tat: Wenn man sich die Situation dort anschaut, die massiven Gewalt- und Foltervorwürfe gegen die neue Regierung, gegen die siegreichen Aufständischen, da stellt sich die Frage, ist ein Regimewechsel wirklich die beste Option?

    Mützenich: Es geht ja in dem Sinne nicht um einen kompletten Regimewechsel, sondern alle Kräfte in Syrien sollen eingebunden werden. Das spricht dann natürlich auch ...

    Kapern: Aber ohne Assad?

    Mützenich: Ja, ohne Assad. Aber immerhin weiß man natürlich, dass die Aleviten eine wichtige Position, die ja Assad unter anderem auch vertritt, in Syrien weiterhin haben müssen, auch weiterhin haben werden. Ich habe den Eindruck, dass Libyen sehr stark vorgeschoben ist. Wir reden ja immer darüber, dass es eine Resolution 1973 gegeben hat im Hinblick auf Libyen, wo also die Flugverbotszone eingerichtet wurde, die mit Sicherheit auch von einzelnen Kräften missbraucht wurde dann zum Schluss. Aber vorher gab es eine Resolution 1970 zu Libyen, wo ein Waffenembargo zum Beispiel beschlossen wurde vom Sicherheitsrat, und ich finde, an diese Resolution muss angeknüpft werden und da sollte von Seiten Russlands eben auch kein Veto eingelegt werden. Das wäre im Interesse aller, nämlich das wäre ein deutliches Zeichen, auf Gewalt letztlich zu verzichten.

    Kapern: Herr Mützenich, Sie haben eben deutlich nachgezeichnet, dass dieser Resolutionsentwurf kein Hintertürchen für eine militärische Option hat. Dann stellt sich natürlich auch die Frage, was kann eine solche Resolution, die ein zahnloser Tiger sein würde, überhaupt bewirken?

    Mützenich: Es ist insbesondere, glaube ich, ein Zeichen an Assad, dass auch die letzten Verbündeten die Unterstützung aufgeben, also die Internationalisierung, die Öffentlichkeit, dass man eben im Grunde genommen ein klares Signal gibt: trete zurück. Und ich glaube, dass wäre mit einer solchen Resolution, die eben kein Hintertürchen hat, letztlich auch machbar, und daran sollte sich Russland auch beteiligen.

    Kapern: Macht Assad auf Sie den Eindruck, dass er sich beeindruckt zeigen würde durch Resolutionen, Internationalisierung, durch papierene Appelle?

    Mützenich: Ich glaube, dass er auf jeden Fall weiterhin Interesse hat, Kräfte an seiner Seite zu haben, außerhalb Syriens, und dass ihm das auch mit vielen arabischen Ländern offensichtlich in den letzten Wochen nicht mehr gelungen ist. Und wenn dann auch Russland sozusagen zur Seite tritt, wird das möglicherweise schon auch seine Wahrnehmung für diesen Konflikt ändern.

    Kapern: Wer kann Russland möglicherweise noch vor Verabschiedung einer Resolution dazu bewegen, Assad keine Waffen mehr zu liefern?

    Mützenich: Nun, das haben ja offensichtlich sehr stark Großbritannien, Frankreich und auch die US-amerikanische Außenministerin gestern versucht, auch durch ihre öffentliche Anwesenheit. Ich glaube, das sind die Kräfte, die auch weiterhin daran arbeiten müssen, aber auch die Europäische Union und sprich auch die Bundeskanzlerin werden jetzt auch bei ihrem Besuch in Peking andere Mächte, andere Länder darauf drängen müssen, eben an dieser Resolution konstruktiv mitzuwirken.

    Kapern: Wenn diese Resolution verabschiedet würde - in dem Sinne des Entwurfs, der jetzt vorliegt -, dann bräuchte es einen Moderator, der vermittelt, die Opposition, die Regierung in Syrien aufeinander zuführt. Wer könnte das sein?

    Mützenich: Nun, ich bin immer noch der festen Überzeugung, dass die Vereinten Nationen ein wichtiges Gremium sind und unter Umständen auch der Generalsekretär eine wichtige Rolle zugewiesen bekommen würde. Und vielleicht wäre dies eine Person, auf die alle Kräfte, auch die sich in diesem Konflikt offensichtlich befinden, vielleicht ein stärkeres Vertrauen aufbauen würden.

    Kapern: Das Tauziehen um eine Resolution zu Syrien im UN-Sicherheitsrat dauert an - das war bei uns im Studio Rolf Mützenich, der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Herr Mützenich, vielen Dank für den Abstecher in unser Funkhaus.

    Mützenich: Vielen Dank, Herr Kapern.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.