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Neue Leitungen - bessere Speicher
Stabile Stromversorgung mit Sonne und Wind

Der Anteil von Windkraft und Fotovoltaik an den Energiemärkten wächst schnell. Im vergangenen Jahr kam schon rund ein Viertel des Angebots aus diesen Quellen. Und das ist erst der Anfang: Bis Mitte des Jahrhunderts sollen in Deutschland rund 80 Prozent des Stroms erneuerbar produziert werden. Das Stromnetz stabil zu halten, wird dadurch immer schwieriger.

Von Georg Ehring |
    Ein Windkraftwerk neben einem Strommast inmitten eines Rapsfeldes unter blauem Himmel
    Wenn die Lichter auch in Zukunft nicht ausgehen sollen, reicht es nicht, Windparks und Solaranlagen zu installieren, deren Stromerzeugung unabhängig vom Bedarf schwankt. (picture alliance)
    Irgendwas läuft schief - in der Netzleitstelle bei Westnetz in Wesseling bei Köln ertönt der Alarmgong. Sascha Mäser schaut auf seinen Bildschirm, doch sehr beunruhigt wirkt er nicht:
    "Da haben wir jetzt eine Warnmeldung. Das wird dann hier signalisiert vom System. Einmal durch einen Gong und eben durch dieses blinkende Signal. Das kann man sich im System dann anschauen, es war eine kurzzeitige Fernwirkstörung in der Umspannanlage Flamersfeld."
    Mit ein paar Klicks löst Sascha Mäser das Problem - meistens läuft es so. In dem großen Raum voller Bildschirme wachen jederzeit drei Personen über die Stabilität der Stromnetze - 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr. An der Wand leuchten vor schwarzem Hintergrund bunte Linien, jede steht für eine Hochspannungsleitung. Bei Bedarf zoomt der Schaltingenieur eine Region heran, um die genauen örtlichen Verhältnisse beurteilen und dann eingreifen zu können etwa durch Ab- und Zuschaltung von Leitungen. Doch die Routine kann auch täuschen: Die Stabilität der Netze zu erhalten, ist eine Aufgabe, die anspruchsvoller geworden ist. Der Grund ist die Energiewende: Seitdem immer mehr Strom aus Sonne und Wind erzeugt wird, schwankt nicht nur der Stromverbrauch, sondern auch das Angebot -abhängig vom Wetter, nicht etwa von der Nachfrage. Thomas Lehmann, Leiter der Netzführung Süd bei der RWE-Tochter Westnetz.
    "Das Netz steht heute deutlich mehr unter Stress als das früher der Fall war, alleine schon, weil die Auslastungen der Betriebsmittel deutlich höher gewählt werden als es früher der Fall war."
    Stromversorgung unter Druck
    Immer mehr Kunden sind heute auch Stromanbieter und wenn die Sonne scheint, fließt Energie anders herum - also aus der Solaranlage im Privathaus ins Netz. Vor allem an Tagen, an denen viel Wind weht, kommt das an seine Grenzen - rein physikalisch. Sascha Mäser.
    "Wir haben dann Grenzwertmeldungen, die dann kommen, wenn Betriebsmittel 70 Prozent oder 90 Prozent oder 100 Prozent belastet sind, wird uns das hier auch signalisiert, durch eine Grenzwertmeldung und die können an Tagen, wo viel Windeinspeisung ist, auch öfters auftauchen."
    Die Stromversorgung in Deutschland ist nicht zufällig unter Druck geraten - der Umbau ist gewollt, um Umwelt und Klima zu schützen. In sieben Jahren soll das letzte Atomkraftwerk vom Netz gehen, auch die Kohlenutzung soll später auslaufen, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel beim G7-Gipfel in Elmau bekräftigte.
    "Wir wissen, dass wir dafür tiefe Einschnitte bei weltweiten Treibhausgasemissionen brauchen und haben uns deshalb dazu bekannt, dass wir im Laufe dieses Jahrhunderts eine Dekarbonisierung der Weltwirtschaft brauchen."
    Elektrizität aus Wind und Sonne kostet fast nichts mehr
    Der Anteil von Windkraft und Fotovoltaik an den Energiemärkten wächst schnell. Im vergangenen Jahr kam schon rund ein Viertel des Angebots aus diesen Quellen. Und das ist erst der Anfang: Bis Mitte des Jahrhunderts sollen in Deutschland rund 80 Prozent des Stroms erneuerbar produziert werden. Auch 100 Prozent sind möglich, diese Ansicht vertritt zum Beispiel das Umweltbundesamt in einer Studie. Die Stromversorgung in Deutschland steckt mitten in einem kompletten Umbau. Der Umweltschutz gab den Anlass, doch inzwischen gibt es auch betriebswirtschaftliche Argumente: Die Kostenverhältnisse haben sich dramatisch geändert. Die Erneuerbaren Energien sind dabei, billiger zu werden als neue Kohle- oder Atomkraftwerke: Ist die Anlage einmal installiert, kostet die Elektrizität aus Wind und Sonne fast nichts mehr. Patrick Graichen, Chef der Berliner Denkfabrik Agora Energiewende:
    "Warum wir auf Wind und Sonne setzen, das hat einen einfachen Grund: Das sind die beiden kostengünstigsten Erneuerbaren Energieträger. Die Kosten für Solarenergie sind in den letzten Jahren heruntergepurzelt und bei Wind ist auch Kostendegression in Sicht. Das heißt: Das ist die kostengünstigste Art, die Energiewende zu machen."
    Dutzende Sonnenkollektoren stehen am in einem Solarpark des Photovoltaik-Spezialisten IBC Solar an der Autobahn 70 bei Buckendorf (Bayern).
    Besitzer von Fotovoltaik-Anlagen können ihren erzeugten Strom auch speichern. (dpa / David Ebener)
    Doch die Sache hat einen Haken: Das Stromnetz muss zu jedem Zeitpunkt genauso viel Energie bereitstellen, wie gerade gebraucht wird - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wenn die Lichter auch in Zukunft nicht ausgehen sollen, reicht es nicht, Windparks und Solaranlagen zu installieren, deren Stromerzeugung unabhängig vom Bedarf schwankt. Wie also sollen Angebot und Nachfrage künftig zusammenkommen? Von den Antworten auf diese Frage dürfte der Erfolg der Energiewende abhängen - doch Vieles ist noch ungeklärt. Eine Richtung zeichnet sich allerdings ab, vor allem für die nächsten Jahre: Der Ausbau der Stromnetze steht im Mittelpunkt - vor allem große Stromautobahnen von Norden nach Süden werden gebraucht.
    "Tendenziell - je mehr Erneuerbare, desto mehr Infrastruktur," sagt Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur in Bonn, die den Ausbau der Leitungen beaufsichtigt.
    "In Schleswig-Holstein, die werden perspektivisch - wir rechnen da in Zehn-Jahres-Rhythmen - 24 Terawattstunden Strom über ihren Bedarf hinaus produzieren. In Bayern werden 30 Terawattstunden fehlen, in Baden-Württemberg etwas über 20 Terawattstunden, das ist jeweils ein Drittel dessen, was an Strom gebraucht wird, das wird in den Ländern fehlen. Und im Norden - wie gesagt, das Mehrfache dessen produziert, was dort verbraucht wird."
    Homann warnt immer wieder vor Engpässen, es gibt sie vor allem im Höchstspannungsnetz, in dem große Strommengen über weite Strecken transportiert werden.
    Ohne zusätzliche Leitungen fließt der Strom aus Norddeutschland in Nachbarländer ab, etwa nach Polen. Im Süden werden dann zusätzliche Kraftwerke angeschaltet - zu Extrakosten und mit zusätzlicher Emission von CO2.
    "Deswegen haben wir ja bildlich gesprochen Staus im Netz und geben sehr viel Geld dafür aus, diese Staus zu umfahren. Das kostet im Moment uns alle, also die Stromverbraucher, einen dreistelligen Millionenbetrag, den wir aufwenden, um vorhandene Netz-Engpässe irgendwie zu umfahren."
    Vier große Stromautobahnen sollen solche Staus künftig verhindern. Nach Ansicht von Jochen Homann ist das das Mindeste, was erforderlich ist.
    "Es wäre schön, wenn die Gleichstromübertragungsleitungen, also unter anderem Südlink, dann fertig sind, wenn das letzte Kernkraftwerk vom Netz geht - das ist Ende 2022 der Fall. Das ist nicht mehr lange hin für so ein Riesen-Infrastrukturprojekt wie eine Stromleitung zu bauen. Deswegen sind wir heute schon ziemlich eng in der Zeit. Was passiert, wenn wir nicht fertig werden in der Zeit? Dann steigen die Kosten für die Stauumfahrung, die wir heute schon haben."
    Enorme Kosten verursacht allerdings auch der Ausbau der Leitungen - und je schneller die Erneuerbaren ausgebaut werden, desto mehr Leitungen sind erforderlich. Der Strom muss teilweise vom Meer an Land und dann weiter nach Süden transportiert werden.
    "Im Moment ist es so, dass die Schätzungen der Netzbetreiber für das Übertragungsnetz bei 20 Milliarden Euro über zehn Jahre liegen. Das ist allerdings Freileitungsplanung, die dahinter steht, bei Erdkabel wird es teurer werden. Dann kommen hinzu die Kosten des Offshore-Netzes, die sind auch glaube ich mindestens noch mal so hoch. Und dann kommt noch dazu der Ausbau des Verteilnetzes, da kursieren Zahlen, die liegen irgendwo zwischen 23 und 49 Milliarden, das kommt sehr auf die Technologie an."
    Kühe auf einer Wiese zwischen modernen Windrädern
    Experten sind sich uneins wie viel der Ausbau der Netze tatsächlich kosten wird. (Imago / CHROMORANGE)
    Bezahlen müssen die Stromkunden. Mehr als 20 Prozent der Stromkosten eines Privathaushalts entfallen auf die Netznutzung. Teuer wird es auch für die herkömmlichen Energieversorger, die trotz der Energiewende lange auf die Kohle gesetzt haben: Je mehr der Ausbau der Erneuerbaren voran schreitet, desto mehr gerät das Geschäftsmodell der mit Kohle und Gas betriebenen Kraftwerke unter Druck. Sie laufen immer seltener, weil die Erneuerbaren vorrangig genutzt werden müssen - Überkapazitäten sind die Folge. Die Branche fordert jetzt eine Bezahlung für das Vorhalten von Kapazitäten. Thomas Lehmann von der RWE-Tochter Westnetz:
    "Ich persönlich bin der Auffassung, dass es absolut sinnvoll ist, weil genau dadurch würde man den Effekt erzielen, möglichst viel der Erneuerbaren einsetzen zu können, parallel aber dieses sichere Backup, was wir brauchen, auch aufrecht zu erhalten und zwar wirtschaftlich betreibbar zu machen, auch wenn das Kraftwerk nicht läuft."
    Die Bundesregierung will diese zusätzlichen Subventionen im durchregulierten Energiemarkt allerdings vermeiden. Eine Alternative erläutert Patrick Graichen von Agora Energiewende:
    "Und die andere Variante ist, zu sagen: Nein, das regelt der Markt. Wir brauchen keine Kraftwerke, die da eine Zahlung für bekommen. Wir werden eine kleine Reserve bilden für den Fall, dass es tatsächlich knapp ist, aber ansonsten soll das der Markt regeln und dadurch, dass der Strom in den Zeiten, in denen kein Wind und keine Sonne da ist, knapp wird, werden dann auch die Preise an der Börse in diesen Stunden hoch sein und so können sich die Kraftwerke refinanzieren."
    Noch werden konventionelle Kraftwerke gebraucht -sie müssen noch Jahre oder Jahrzehnte in der Lage sein, die Leistung der Erneuerbaren sehr kurzfristig zum großen Teil zu übernehmen. Thomas Lehmann von Westnetz:
    "Also wir haben heute immer noch Situationen, wo die Einspeisung aus Erneuerbaren Energien nahezu null ist. Und das auch zu Zeiten, wo wir trotzdem eine hohe Nachfrage nach Energie haben seitens der Kunden und der Industrien, die angeschaltet sind, sodass wir heute zumindest in einigen Zeitpunkten nahezu den kompletten Energiebedarf in Deutschland aus konventioneller Energie decken müssen. Wir haben heute noch nicht diese Speicherbausteine, die das kompensieren könnten."
    Begrenztes Ausbaupotenzial bei Speichern
    Auch im bisherigen Stromsystem gibt es zwar Speicher, die bei ganz kurzfristig hohem Bedarf in Sekunden einspringen können. Es sind vor allem Pumpspeicherkraftwerke. Bei Stromüberschuss pumpen sie Wasser in einen höher gelegenen Speichersee. Bei Bedarf fließt das Wasser durch eine Turbine wieder nach unten, die Turbine erzeugt Strom. Ähnlich funktionieren Druckluft-Kraftwerke, bei beiden Techniken ist das Ausbaupotenzial begrenzt. Das Gleiche gilt für Biogas aus der Landwirtschaft, das ebenfalls zur Stromerzeugung verwendet wird.
    Doch nicht nur bei der Erzeugung, auch bei der Speicherung von Strom hat die Zukunft längst begonnen. Zum Beispiel bei Familie Lang in Windhagen bei Bonn, gleich neben dem Schuhregal. Dort steht ein roter Kasten, etwa so groß wie eine Truhe. Ein Akku, der Solarstrom vom eigenen Dach speichert. Familienvater Erwin Lang zur Bilanz eines halbwegs sonnigen Tages:
    "Heute haben wir vom Netz 2,1 KW mehr oder minder bezogen, haben aber 9,6 ins Netz geliefert. In den Speicher sind 1,8 KW gegangen, aus dem Speicher haben wir über den Tag nur 0,6."
    Die Kapazität des roten Kastens ist begrenzt. Der Elektroherd und andere Großverbraucher bekommen bei Bedarf ihren Strom aus dem Netz und nicht aus dem Speicher.
    "Dafür ist dieser Akku auch nicht ausgelegt. Für den Ofen, für die Herdplatte und für solche Dinge, die holt sich nicht den Strom daraus. Das heißt: Wir haben das Grundlicht, wir haben die Heizung da drauf, wir haben einige Steckdosen im Haus verteilt und das war es dann eigentlich schon. Das heißt: Alles, was die wirklich schweren Verbraucher sind, da geht dann so ein Akku ziemlich schnell an seine Leistungsgrenzen."
    Für Erwin Lang waren Interesse an der Technik und der Wunsch nach Unabhängigkeit Gründe für die Anschaffung. Denn finanziell rechnet sie sich noch nicht, das meint auch Aribert Peters, der Chef des Bundes der Energieverbraucher:
    "Die Batterien sind eine ganz gute Lösung, nur: Sie sind im Moment noch zu teuer, denn: Die Speicherung in Batterien, die schlägt zurzeit noch mit 20 bis 50 Cent pro Kilowattstunde gespeicherten Sonnenstrom zu Buche. Das heißt: Die Speicherung frisst den wirtschaftlichen Vorteil uns einfach weg, den wir hier uns erhoffen, indem wir den selbst gemachten Strom speichern."
    Ein Mitarbeiter einer Dresdner Solarfirma steht auf einer Leiter und legt letzte Hand an einer Photovoltaikanlage an, bei der die Solarzellen senkrecht an einer Wand angebracht sind.
    Solarstrom wird immer billiger. (dpa / Arno Burgi)
    Doch die heute erhältlichen Akkus sollen nur der Anfang sein: Die Leistungsgrenzen verschieben sich schnell - und Energiespeicher werden billiger. Ralph Kampwirth vom Ökostrom-Anbieter Lichtblick erwartet, dass Solaranlagen für Privatverbraucher bald auch mit Energiespeicher wirtschaftlich werden.
    "Solarstrom wird immer preiswerter. Wenn wir mal zurück gucken, sehen wir, dass die Kosten für Solarpaneele in den letzten 25 Jahren um über 90 Prozent gesunken sind und im Grunde genommen erwarten wir eine ähnliche Entwicklung auch in der Batterietechnologie und dann ist die Kombination auch sehr wirtschaftlich.
    Energieversorger wie Lichtblick trauen den Speichern noch mehr zu: Sie könnten auch überschüssigen Strom aus dem Netz aufnehmen und bei Bedarf wieder abgeben. In die gleiche Richtung wirkt eine Glättung des Stromverbrauchs - beides bekannt unter dem Stichwort "smarte Netze". Im privaten Haushalt können Geräte wie die Spül- oder die Waschmaschine vorzugsweise zu Zeiten laufen, in denen Strom aus der eigenen Solaranlage zur Verfügung steht oder dann, wenn der Strom besonders billig ist. In Haushalten sind die Effekte überschaubar, doch in Betrieben ist eine solche Verlagerung in größerem Maße möglich. Patrick Graichen von Agora Energiewende nennt ein Beispiel:
    "Nehmen wir mal das Beispiel einer großen Kühlhalle, bei der das, was in der Halle ist, immer bei minus 18 Grad gekühlt werden muss. Aber es ist auch kein Problem, wenn die Kühlhalle zwischendurch mal minus 20 oder minus 24 Grad hat. Das heißt: Ich kann in Zeiten, in denen viel Windstrom oder Sonnenstrom im Netz ist, die Kühlhalle runterkühlen auf zum Beispiel minus 24 Grad, um dann langsam, je nach Isolierung wird es dann in der Halle wärmer werden, wenn man nicht mehr weiter kühlt, um dann bei minus 18 Grad wieder zu kühlen. Und wenn ich diese Schwankungen genau so mache, wie eben Wind- und Sonnenstrom einspeisen, kann ich meine Stromnachfrage in diesem Beispiel eben in die Zeiten verlagern, in denen viel Strom aus Erneuerbaren da ist."
    Um großtechnisch Strom speichern zu können, müssen Batterien vor allem billiger werden. Darum kümmern sich Forscher wie Christian Doetsch. Er entwickelt als Professor beim Fraunhofer Umsicht Institut in Oberhausen Batterien der Zukunft. Vor ihm liegt eine schwarze Folie mit aufgedruckten transparenten Quadraten:
    "Das sind zum Beispiel neue sogenannte Bipolar-Platten, die wir hier bei uns entwickeln, sehr sehr kostengünstig, die wir auch gut bearbeiten können. Das ist alles laserbearbeitetes Material, mit denen wir Batterien viel günstiger darstellen oder auch bauen wollen in Zukunft."
    Batterien müssen billiger werden
    Doetsch forscht an Redox-Flow-Batterien, die sich in großer Zahl hintereinander schalten lassen. Solche Speicher sollen vor allem die örtlichen und regionalen Stromnetze entlasten und sie sollen dafür sorgen, dass kurzfristig immer genügend Strom zur Verfügung steht. Christian Doetsch:
    "Man kann diesen Schattenkraftwerkspark sicherlich deutlich minimieren durch Speicher, entweder dezentral bei dem Haus oder auch zentral bei der Erzeugungsanlage, zum Beispiel bei Windanlagen. Man kann es dadurch minimieren. Die Frage ist, ob man es zu 100 Prozent minimieren möchte am Ende und ob das ökonomisch sinnvoll ist oder ob man einen gewissen Kraftwerkspark sich beibehält auch zur Not fossil getrieben, einfach um diese zwei Wochen Windflaute mit wenig Sonnenschein auch abzudecken."
    Die Redox-Flow-Batterien sind geeignet, um kurzfristig Strom zu speichern. Steigt der Anteil der Erneuerbaren bei der Energieversorgung auf deutlich mehr als 60 Prozent, wächst jedoch auch der Bedarf an Langzeitspeichern – und dafür sind Batterien nach Ansicht von Christian Doetsch vermutlich nicht die erste Wahl. Die Strommengen wären zu groß und die Speicher zu teuer. Das gilt bisher allerdings auch für die Alternativen, die schon erwähnten Pumpspeicher- oder Druckluftkraftwerke. Oder die Power-to-Gas-Variante. Auch hier wird nicht der Strom gespeichert, sondern Gase das dann wieder Strom erzeugen kann.
    "Die meisten gehen Richtung Power to Gas. Das heißt: Erzeugung mit Elektrolyse von Wasserstoff und/oder Methan, um dieses dann zu speichern. Der Nachteil des Prinzips ist: Relativ hohe Kosten und ein eher bescheidener Gesamtwirkungsgrad."
    Doetsch plädiert deshalb dafür, die Energiewende breiter zu denken: Fossile Energieträger werden schließlich nicht nur für die Stromerzeugung verwendet, sondern auch für die Erzeugung von Wärme und für den Straßenverkehr. Langfristig sollen Öl und Gas auch hier ersetzt werden.
    "Ich kann mit dem Geld, das ich investiere, viel größere Anteile Erneuerbare Energien in die anderen beiden Marktsegmente bringen, als wenn ich versuche, das letzte Prozentchen noch im Stromsektor zu eliminieren. Das ist relativ aufwendig. Und es ist aus meiner Sicht inkonsequent, im Stromsektor irgendwann mal 100 Prozent anzustreben und zugleich mit Erdgas noch meine Wohnung zu beheizen und mit Erdöl noch mein Auto zu betreiben."
    Energiebranche wird eine IT-Branche
    Derzeit führen elektrisch betriebene Wärmepumpen bei Hausheizungen und Elektroautos noch ein Schattendasein. Doch sie haben Potenzial - und sie könnten nebenbei auch das Stromnetz entlasten, wenn sie Energie vor allem zu Zeiten aufnehmen, in denen sie reichlich vorhanden ist.
    Wie werden Energieversorger aussehen, wenn die Zeit der Großkraftwerke vorbei ist. Ralph Kampwirth vom Ökostrom-Anbieter Lichtblick sieht die Zukunft der Branche so:
    "Dieser ganze Wandel hat natürlich viel auch mit den Unternehmen zu tun. Im Grunde genommen wird die Energiebranche eine IT-Branche. Und das ist natürlich sehr spannend, weil: Diese Vernetzung funktioniert ja nur, wenn Sie vernünftige IT-Technologien bereitstellen. Das heißt: Wir erleben auch einen sehr starken Wandel der Anbieter, die sind gar nicht mehr in Zukunft nur Versorger, das wird immer weniger die Rolle spielen. Sondern die werden im Grund Dienstleister, die eben diese Optimierungsdienstleistungen zur Verfügung stellen. Sie spielen eine ganz andere Rolle und brauchen dafür ganz andere Kompetenzen."
    Der Wandel wird teuer, das ist heute schon klar, auch wenn noch niemand sagen kann, was ein Stromspeicher in 20 Jahren kosten wird. Noch haben die Kunden das Nachsehen und müssen regelmäßig draufzahlen. Aribert Peters beobachtet die Preisentwicklung für den Bund der Energieverbraucher. Und er sieht die Zukunft so:
    "Ich denke: Wir gehen durch ein Tal der Tränen im Moment durch die Preissteigerung. Ich denke auf jeden Fall, dass wir wieder günstigere Preise sehen werden, auch deswegen, weil die Verbraucher es nicht mehr hinnehmen werden, dass sie mit überhöhten Preisen über den Tisch gezogen werden. Das heißt: Die Möglichkeiten für Verbraucher, sich eigenen Strom zu erzeugen, die werden zunehmen und die werden sich auch nicht mehr wegdiskutieren lassen. Wenn die erst mal technisch zu günstigen Preisen auf dem Markt sind, dann ist die Stunde gekommen, wo auch das Stromangebot von den Versorgern mithalten muss, das heißt, deutlich sinken muss. Und das kann der Staat auch nicht verhindern."