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Niedersachsen
Register für Transparenz in der Forschung

In Deutschland genießen die Universitäten Freiheit in der Forschung – manche sind so frei, mit Militärgeld für das Militär zu forschen. Mit einem öffentlich einsehbaren Register und verpflichtenden Leitlinien will das Land Niedersachsen nun mehr Transparenz wagen und zugleich die Forschungsgemeinde für das Problem sensibilisieren.

Von Alexander Budde | 12.02.2015
    Gabriele Heinen-Klajić hat durchaus eine Meinung, wo sich deutscher Forschergeist zurückhalten sollte, Forschungsprojekte etwa im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums sind ihr ein Graus. Doch Zivilklauseln und gesetzliche Auflagen, wie es sie in einigen Bundesländern gibt, sind nicht wirklich zielführend, sagt die grüne Ministerin für Wissenschaft und Kultur:
    "Ich glaube, es ist wichtiger statt eines starren Gesetzes, was viele Auslegungsmöglichkeiten hat und im Zweifelsfall immer wieder an Artikel 5 des Grundgesetzes scheitern wird, eine breite Debatte zu haben, die streitbar ist, die lebendig ist."
    Die Selbstverpflichtung der Hochschulen zur Transparenz soll grundsätzlich für alle Forschungsvorhaben gelten. So steht es im Hochschulentwicklungsvertrag. Konkret sehen die Leitlinien vor, dass die Hochschulen ein Register aller laufenden Drittmittelprojekte anlegen, zum Stichtag 1. März ins Internet stellen, sodass für einen jeden einsehbar ist, was die Absicht einer Studie, wer ihr Auftraggeber und wie viel Geld dafür geflossen ist. Ein echtes Novum, preist Wolfgang Uwe Friedrich, der Vorsitzende der Landeshochschulkonferenz.
    "Ich betrachte es als Fortschritt, dass wir wirklich eine Sammlung machen, laufender Drittmittelprojekte. Die Gefahr besteht darin, dass die breite Öffentlichkeit überfordert wird, durch die Komplexität der einzelnen Themen, aber die Chance besteht darin, dass wissenschaftliche Forschung stärker öffentlich diskutiert wird."
    Negativliste unerwünschter Auftraggeber
    Eine Senatskommission für Forschungsethik soll das möglich machen. Den Forscher etwa bei der Beurteilung denkbarer Folgen ihrer Forschungsarbeit beratend zur Seite stehen, sie für die den Gefahren durch Missbrauchs sensibilisieren, nach Möglichkeit gar eine Negativliste unerwünschte Auftraggeber und Forschungsfelder erstellen. Studierende und Doktoranden sind ausdrücklich zur Mitarbeit eingeladen.
    Jürgen Hesselbach, Präsident der TU Braunschweig, hat die Arbeitsgruppe geleitet, die sich bei der Formulierung ihrer Leitlinien auch an den Vorgaben der Deutschen Forschungsgemeinschaft orientiert. Hesselbach betont, dass die Leitlinien, die Verpflichtung auch zur späteren Dokumentation der Forschungsergebnisse, keineswegs gängigen Vereinbarungen zuwiderlaufen, etwa wenn die Partner bei der Einwerbung der kostbaren Drittmittel strikte Vertraulichkeit vereinbart haben.
    "Die Transparenz hat natürlich auch ihre Grenzen: Wenn wir gerade die Industrieauftrags-Forschung nehmen, wo es um Wettbewerbsvorteile, respektive Nachteile eigentlich geht, die durch die Transparenz erzeugt würden. Und ich glaube, das muss man einfach berücksichtigen, weil da gibt es vertragliche Regelungen – und die können Sie nun mit Leitlinien auch nicht aushebeln!"
    Grundsätzlich eine begrüßenswerte Initiative
    Eine systematische Berichtspflicht der Hochschulen über ihre mit öffentlichen Geldern geförderte Forschung sei grundsätzlich eine begrüßenswerte Initiative, sagt der Rüstungskritiker Jürgen Altmann. Er kritisiert jedoch:
    "In den Leitlinien wird nur davon geredet, dass dritte Personen Ergebnisse aus der Forschung zu schädlichen Zwecken einsetzen. Diese dritten Personen könnten aber auch die eigenen Streitkräfte sein, oder aber internationale Streitkräfte überhaupt. Und die durch neue Technik wie zum Beispiel jetzt bei möglichen autonomen Waffensystemen sich entwickelnde Instabilität im internationalen System, die ist im Moment konzeptionell dort überhaupt nicht enthalten."
    Vertragsklauseln werden auch weiterhin in Niedersachsen geheime Forschungsprojekte möglich machen. Im Einzelfall bleibt zu klären, was ethisch fragwürdig erscheint. Es ist ein schwieriger Spagat zwischen Freiheit und Selbstverpflichtung.