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NSA-Affäre
Ströbele lehnt Gegenspionage ab

Hans-Christian Ströbele hat sich für eine "Sockelbeobachtung" befreundeter Staaten ausgesprochen. Eine Eskalation der Spionage zu befördern sei jedoch der falsche Weg, sagte der Grünen-Abgeordnete im Deutschlandfunk.

Hans-Christian Ströbele im Gespräch mit Silvia Engels | 17.02.2014
    Der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen)
    Der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen) (dpa / picture-alliance / Kay Nietfeld)
    Silvia Engels: Der Vertrauensverlust in der Großen Koalition bestimmt die Agenda heute früh, doch es gibt auch noch andere Themen: zum Beispiel neue Konzepte in Sachen Spionage. Die Folgen der NSA-Affäre wirken offenbar nach. Zwischen den USA und Deutschland ist bekanntlich kein No-Spy-Abkommen in Sicht und nun berichtet das Magazin "Der Spiegel", dass die Bundesregierung gegenüber den USA und auch anderen westlichen Staaten über härtere Konsequenzen nachdenkt: Gegenausspähen. Clemens Binninger, Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums von der CDU, verlangt in dieser Sache, alle auf gleiche Höhe zu bringen, und der CSU-Innenpolitiker Mayer sagt, man darf befreundete Staaten nicht außer Acht lassen. – Am Telefon ist nun Christian Ströbele, für die Grünen im Parlamentarischen Kontrollgremium. Guten Morgen, Herr Ströbele.
    Hans-Christian Ströbele: Ja, guten Morgen!
    Engels: Haben die Herren Binninger und Mayer recht?
    Ströbele: Nun ja, man darf der NSA das natürlich nicht durchgehen lassen, auch der US-Administration nicht. Aber wenn man jetzt eine Eskalation der Spionage betreibt, also Gegenspionage und Spionage, die schaukeln sich gegenseitig hoch, auch gegenüber den USA, dann ist das der falsche Weg. Es ist auch schon jetzt die Rechtslage, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz als eine der wichtigsten Aufgaben hat, Spionage abzuwehren. Das ist aber was anderes als Gegenspionage. Das heißt, das Bundesamt für Verfassungsschutz hätte sich die ganze Zeit schon damit beschäftigen müssen, was eigentlich diese Antennen auf der US-Botschaft oder auch auf der britischen Botschaft in Berlin bedeuten, wer damit welche Signale auffängt, ob damit Spionage betrieben wird und Ähnliches. Das haben wir immer kritisiert, dass sie das nicht getan haben, aber die haben uns immer gesagt, Freunde spioniert man nicht aus. Und wenn ich die Frage an bestimmten Gelegenheiten gestellt habe, dann wurde ein Gesicht gemacht, als wenn es hieß, wie können Sie überhaupt danach fragen, wie können Sie uns so was zumuten, dass wir unsere Freunde ausspionieren.
    Engels: Na ja. Nun ist die Situation etwas anders und wer Spionage abwehren will, der muss ja wichtige Informationen vorher haben. Sind also die Grenzen zwischen Spionageabwehr und Gegenspionage nicht fließend?
    Ströbele: Natürlich gibt es da Bereiche, gerade wenn es ums Inland geht, wo sich das überlappt. Wir haben ja auch in der Vergangenheit immer wieder auch die CIA gehabt in Deutschland, die personell hier tätig werden, die Niederlassungen in Deutschland haben, die mit verdeckten Firmen arbeiten und Ähnliches, und da gab es immer schon mal den Verdacht, dass die beispielsweise in Neu-Ulm Aktionen gemacht haben, die mit deutschem Recht nicht zu vereinbaren sind. Deshalb haben wir da nachgefragt, aber da wurde uns immer beschieden, darum kümmern wir uns. – Nein, es geht natürlich darum: Soll der Bundesnachrichtendienst beispielsweise – das ist ja der Auslandsgeheimdienst – in den USA dasselbe machen, was die NSA jetzt in Deutschland gemacht hat? Dazu ist er erst mal nicht in der Lage und zweitens glaube ich, dass die Beziehungen zu den USA doch etwas nachhaltiger gestört würden, wenn nun dann herauskommt, dass auch das Telefon oder das Handy von Herrn Obama abgehört wird durch den deutschen Nachrichtendienst.
    Engels: Aber wäre das nicht genau der Druck, ohne dass es ja direkt zum Ausspähen des Handys von Herrn Obama kommen muss? Wäre das nicht der Druck in Richtung Washington, den Sie sich immer gewünscht haben?
    Ströbele: Nein. Der Druck, den muss man erst mal jetzt bei der Aufklärung erzeugen. Da traut man sich nicht, mal klare Fragen zu stellen. Das ist ja bisher so. Da sind zwar Fragen eingereicht worden, schon im Juni, die wurden aber nicht beantwortet und die Bundesregierung ist immer vertröstet worden. Da kann man doch mal Tacheles reden, das ist ja bisher nicht gemacht worden, dass man sagt, jetzt wollen wir mal wissen, wie viele Millionen Deutsche, Bundesbürger mit ihrer Telekommunikation abgehört worden sind, die Verbindungen ausgespäht worden sind, gespeichert und ausgewertet worden sind. Da könnt ihr doch mal sagen, waren es jetzt zehn oder waren es 50 Millionen oder waren es 80 Millionen Bundesbürger und wo ist das geschehen. Da hat man sich bisher viel zu wenig getraut, die entscheidenden Fragen zu stellen, auch wenn beispielsweise die Chefs der US-Dienste hier in Deutschland waren. Der Chef der NSA, der war mehrfach auch nach Aufdeckung dieses Skandals, nach den Enthüllungen von Snowden hier in Deutschland.
    Engels: Aber ist es nicht naiv anzunehmen, durch Tacheles reden würde man hier Informationen bekommen, wo sich die USA ja beispielsweise auch querstellen, wenn es um ein No-Spy-Abkommen mit Deutschland geht?
    Ströbele: Na ja. Bei dem No-Spy-Abkommen war ich von Anfang an skeptisch, weil da ging es nie darum, dass überhaupt nicht spioniert wird, sondern da ging es darum, dass man beispielsweise Wirtschaftsunternehmen in Deutschland nicht ausspioniert und das Handy der Kanzlerin und der Regierung nicht ausspioniert. Doch das ist doch gar nicht das Hauptproblem. Das Hauptproblem ist die Massenspionage von unverdächtigen Personen, also Millionen oder zig Millionen Deutsche, die da ausspioniert werden, und das sollte sowieso nie Gegenstand eines No-Spy-Abkommens sein. Das heißt, wir müssen natürlich unabhängig davon, was die USA uns zubilligen, oder die NSA, müssen wir natürlich Vorkehrungen treffen in Deutschland, dass hier die deutschen Gesetze eingehalten werden, und da gibt es noch viele andere Möglichkeiten, als nun ein großes Netz von Gegenspionage über den USA anzulegen.
    "Wenn man solche Freunde hat, muss man feststellen, ob die großen Schaden anrichten"
    Engels: Geplant ist laut "Spiegel"-Bericht vom Bundesamt für Verfassungsschutz eine sogenannte "Sockelbeobachtung" westlicher Partner. Dabei würde man also nicht auf die Methoden wie Telefone abhören schauen, aber insgesamt sollte intensiver geguckt werden, was denn die Botschaftsmitarbeiter so arbeiten, wer dort arbeitet. Würden Sie da noch mitgehen?
    Ströbele: Aber auf jeden Fall! Nur ich sage – und das wird auch ein Punkt sein, den wir im Untersuchungsausschuss zu klären haben, der ja kommt; der ist ja jetzt von allen beantragt, von allen Fraktionen -, warum ist das nicht bisher schon geschehen. Es ist doch ein Unding, dass sie sich trotz Verdachtsmomenten nie darum gekümmert haben, dass hier ausspioniert wird, in Deutschland, aber auch deutsche Kommunikation sonst. Da rennt man offene Türen ein und fragt sich, warum ist das bisher nicht geschehen, und da bin ich gespannt auf die Antwort sowohl der Bundesregierung als auch der Verantwortlichen vom Bundesamt für Verfassungsschutz, warum sie das eigentlich bisher nicht gemacht haben entgegen dem, was im Gesetz steht.
    Engels: Halten wir also fest: Wenn es im Rahmen der Spionageabwehr ist, dann könnten Sie sich durchaus mehr Arbeit der Geheimdienste in Richtung des gewissen Ausspähens oder der gewissen Beobachtung auch von befreundeten Staaten vorstellen?
    Ströbele: Genau so ist es! Wenn man solche Freunde hat, dann muss man auch feststellen, ob die großen Schaden in Deutschland anrichten, vor allen Dingen, wenn man weiß, dass sie ganz offensichtlich, wenn man sie fragt, lügen, weil der Chef der NSA hat ja immer wieder betont, sie würden sich in Deutschland an Gesetz und Recht halten - das steht übrigens auch in den Vereinbarungen mit den USA drin -, und das haben sie ganz offensichtlich nicht getan!
    Engels: Aber wird nicht genau das die Eskalation des gegenseitigen Ausspähens in Gang setzen, vor der Sie zu Anfang unseres Gesprächs gewarnt haben?
    Ströbele: Nein. Es kommt ja darauf an, was man da macht. Wenn man jetzt die Spionage hochschaukelt und versucht, Dinge zu machen, wie sie die NSA veranstaltet haben, dann ist das, glaube ich, auch gegenüber Freunden, aber auch gegenüber anderen nicht gerechtfertigt.
    Engels: Das heißt, die jetzt diskutierten Verschärfungen des Ausspähens tragen Sie mit?
    Ströbele: Wenn das sich darauf beschränkt, auf eine Spionageabwehr hier in Deutschland, aber auch mit anderen Möglichkeiten, und nicht heißt, dass wir nun in einen Spionagewettbewerb mit den USA gegenseitigen Ausspionierens eintreten, dann ist das richtig. Allerdings kann das nicht heißen, dass wir in unseren Bemühungen nachlassen aufzuklären, was gewesen ist, und auch andere Möglichkeiten nutzen, die deutsche Bevölkerung vor Spionage aus den USA zu schützen.
    Engels: Christian Ströbele, für die Grünen im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages. Vielen Dank für das Gespräch.
    Ströbele: Auf Wiedersehen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.