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Ökonom: Bankenabgabe hat schwere Vertrauenskrise ausgelöst

Die bisher geplante Zwangsabgabe für alle Sparer bezeichnet der Bremer Ökonom Rudolf Hickel als schweren Fehler. Nun müsse man eine Lösung finden, damit es unter den Euro-Sparern keine Unruhe gibt, sagt Hickel.

Rudolf Hickel im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Dirk-Oliver Heckmann: Telefonisch sind wir jetzt verbunden mit Professor Rudolf Hickel, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Bremen. Schönen guten Tag, Herr Hickel!

    Rudolf Hickel: Guten Tag, Herr Heckmann!

    Heckmann: Das zyprische Parlament schiebt die geforderte Zwangsabgabe für Bankeinlagen vor sich her. Wird sie am Ende doch noch kommen?

    Hickel: Also ich bin ganz sicher, dass die Bankenabgabe kommt, aber sie kommt endlich durch eine Korrektur. Das, was ursprünglich vorgeschlagen war, war natürlich eine Katastrophe. Übrigens ist dadurch, dass jetzt erstmals bei einer Rettungsmaßnahme, nämlich am Beispiel Zyperns, alle Spareinlagen mit einer Abgabe belastet werden sollten, bis 100.000 Euro mit 6,75 Prozent – das hat es bisher nicht gegeben. Und da ist jetzt unmittelbar gewisserweise eine Systemkrise fürs Euroland draus geworden, denn auch in Deutschland fragen viele Menschen: Kann das uns auch passieren? Deshalb ist es wichtig, dass dieser schwere Fehler, der eine schwere Vertrauenskrise ausgelöst hat, was die Einlagen betrifft, vor allem der Kleineinleger, dass dieser korrigiert wird, und ich finde es richtig, es darauf zu konzentrieren, die Abgabe auf die Reichen zu konzentrieren, vor allem auf die Gelder, die aus dem Ausland kommen und von denen ja immer noch der Verdacht besteht, dass sie etwas mit Geldwäsche beziehungsweise mit der Nutzung als Steueroase Zyperns zu tun haben.

    Heckmann: Es gibt ja jetzt die Überlegung, eben diese Besteuerung von Einlagen von über 100.000 Euro mit bis zu 25 Prozent eben auf diese ausländischen Investoren oder Sparer – Sie sagten es gerade eben – zu beschränken. Ist das überhaupt rechtlich möglich?

    Hickel: Das ist eine ganz schwierige Frage, ob das rechtlich möglich ist. Ich bin jetzt nicht der Jurist, aber ökonomisch ist es eigentlich sinnvoll, weil man schon ökonomische Argumente herstellen kann, nämlich beispielsweise, dass hier bei einer Rettung, bei der die inländischen Gläubiger beziehungsweise einige beteiligt werden sollen, das Äquivalenzprinzip entsprechend auch genutzt werden soll, das heißt also, die haben bisher sehr massiv profitiert. Wir wissen ja, dass die zypriotischen Banken überdimensioniert auch Zinsen bezahlt haben, wir wissen, dass im Grunde genommen eine Versteuerung nicht zustande gekommen ist, und jetzt wird gewisserweise ökonomisch das rückgeholt. Und deshalb finde ich schon: Man kann diese einmalige Zwangsabgabe – es ist ja nun eine Zwangsabgabe –, kann man durchaus ökonomisch rechtfertigen, zumal sie am Ende ja auch dazu dient, das gesamte Land insgesamt zu retten und dafür Sorge zu tragen, dass auch wieder Ruhe in die Eurorettungs-Diskussion etwa auch in Deutschland kommt.

    Heckmann: Sie haben gerade eben, Herr Hickel, den bisherigen Plan, nämlich alle Sparer heranzuziehen, als Katastrophe bezeichnet, als schweren Fehler. Aber die Eurogruppe, die hat ja nie gesagt, dass auch die Kleinsparer bluten sollen. Hat also die zyprische Regierung die Wut der Bevölkerung erst richtig angefeuert, indem eben auch Kleinsparer herangezogen werden sollten und damit geschickt die Wut auch auf Europa, auf Deutschland, auf Angela Merkel gelenkt?

    Hickel: Also es gibt ja in der Zwischenzeit sehr viele Spekulationen und ich bin eigentlich gerne immer ein Anhänger auch von Verschwörungstheorien. So genau wissen wir es nicht. Aber was ich nicht verstehen kann, dass in der Sitzung der Euro-Finanzminister, dass da nicht klipp und klar das ausgeschlossen worden ist. Es wird ja behauptet, dass der Bundesfinanzminister gegen eine Besteuerung, eine Abgabe auch auf die Kleinsparer gewesen sei. Das wird wenigstens behauptet. Dann gibt es ein Gerücht, dass besagt, dass dann eben auch Schäuble sozusagen das hat laufen lassen, um im Grunde genommen dafür zu sorgen, dass von Nikosia aus das geregelt wird. Es gibt einen Kollegen von mir, der ist Nobelpreisträger für Ökonomie, der Pissarides, der hat sogar eine ganz andere Theorie aufgestellt, der hat gesagt: Deutschland hat es im Grunde genommen angezettelt, um den Russen eins auszuwischen. Also ich finde schon interessant, wie ein Nobelpreisträger der Ökonomie sich da gewisserweise möglicherweise auch verspekuliert, aber ich finde, da müssen die Karten auf den Tisch. Und eines ist doch klipp und klar, das zeigen ja auch die Umfragen in Deutschland: Es hat es noch nie gegeben, dass unterhalb der Garantie der Einlagen von 100.000 Euro – in Deutschland ist es übrigens etwas mehr – als EU-gesichert, dass dann unterhalb dieser Grenze, dieser Vorgabe, dass da dann im Grunde genommen eine solche Zwangsabgabe eingeführt wird. Ich mache mal unseren Hörern und Hörerinnen ein Beispiel: Da gibt es einen Kollegen von mir an der Universität in Nikosia, der hat gerade 10.000 Euro Kredit aufgenommen, um seinem Sohn das Studium in den USA zu bezahlen. Das liegt noch als Einlage auf dem Girokonto. Und das sollte dann mit 6,75 Prozent besteuert werden. Da sieht man auch die Absurdität. Und was mich besonders irritiert: Bisher ist es auch bei Griechenland, bei all diesen schwierigen Operationen immer gelungen, eine gewisse Vertrauensbasis aufrechtzuerhalten, auch bei dem Schuldenschnitt, der stattgefunden hat in Griechenland. Aber hier ist erstmals ein derartiger Tabubruch zustande gekommen, der am Ende auch sehr stark vertrauensvernichtend wirkt, und da müssen wir raus.

    Heckmann: Also wie die Zwangsabgabe aussehen wird, das werden wir in den nächsten Stunden, in den nächsten Tagen sehen, und auch, wie der Solidaritätsfonds aussehen wird, der ja gestern vom Parlament beschlossen worden ist. Noch scheint ja unklar zu sein, ob da die Rentenrücklagen wie geplant mit drin sind oder nicht. Aber das ist aus Sicht der deutschen Bundeskanzlerin inakzeptabel. Aus Ihrer Sicht auch?

    Hickel: Ja, ich finde den Solidaritätsfonds finde ich eine sehr fiktionelle Veranstaltung. Immerhin, da wird jetzt versucht, im Grunde genommen einen Fonds zu gründen, der auf Vermögensbasis ... Da sollen, wie gesagt, die Rentenansprüche rein, da soll ... die orthodoxe Kirche will etwas reingeben, Gold der Notenbank soll reingelegt werden und am Ende gibt es eine sehr spekulative Einnahmequelle, die da genutzt wird, nämlich aus künftigen möglichen Einnahmen aus Erdgasförderung. Und das soll die Basis sein zur Ausgabe von Anleihen, mit denen dann sich Griechenland finanziert. Und ich frage jetzt mal ganz ernsthaft: Nach dieser Debatte und nach diesen riesigen ... – wer kauft eigentlich diese Anleihen? Ich vermute mal, dass dieser Solidaritätsfonds, der ganz gut gedacht ist, dass der am Ende deshalb nicht aufgeht, weil es ja keinen vernünftigen Käufer gibt. Beispielsweise in Europa, aber auch in Zypern, selbst in Russland gibt es wohl keinen Käufer, die dann sagen: Wir wollen die Anleihen kaufen, …

    Heckmann: Also dürfte diese ganze Sache eher auf Sand gebaut sein?

    Hickel: Die ist auf Sand gebaut. Es ist ein fiktionelles Gebäude, ist gut gemeint, aber es bringt eigentlich nicht die Rettung.

    Heckmann: Michael Hüther vom Institut der Deutschen Wirtschaft hat heute früh hier im Deutschlandfunk gesagt, eine Pleite Zyperns sei an der Börse bereits eingepreist. Und in der Tat ist an den Börsen ja keine Panikstimmung festzustellen, da Zypern schließlich nicht systemrelevant ist. Weshalb also Zypern eigentlich retten?

    Hickel: Ja, ich finde die Aussage meines Kollegen Hüthers doch etwas gewagt, zu sagen, es gäbe kein Systemrisiko, weil die Finanzmärkte gewisserweise nicht reagiert haben. Also man muss einfach sagen: Die Finanzmärkte haben Ruhe bewahrt und sehen wohl, dass da eine Lösung zustande kommt. So kann man es auch interpretieren. Aber das Zweite ist doch ganz wichtig: Man kann doch nicht sagen, dass die Krise eingepreist ist, also das finde ich schon sehr verwegen, so eine These von meinem sonst geschätzten Kollegen Hüther, zu sagen, das sei schon eingepreist, die Börse hätte im Grunde genommen bereits schon den Absturz zur Kenntnis genommen beziehungsweise in den Daten verarbeitet. Ich denke eher – und jetzt kommen wir drauf, eigentlich hat der recht gehabt, Hüther, nämlich, dass es kein großes Systemrisiko ist, es sind ja 0,2 Prozent nur des Bruttoinlandsprodukts, aber ...,

    Heckmann: Weshalb dann Zypern retten?

    Hickel: ... aber jetzt ist entscheidend: Aus Zypern ist durch das Krisenmanagement ist eine Systemkrise entstanden, und deshalb ist es eigentlich geradezu eine zwangsläufige Verpflichtung, jetzt dies wieder zu korrigieren, nämlich im Management der Krise. Also etwa dadurch, dass die Vorstellung entstanden ist, dass auch deutsche Kleinsparer so was erleben können, ist eine richtige Systemkrise draus geworden, und deshalb bin ich der Meinung, man sollte nicht spekulieren, brauchen wir Zypern, brauchen wir nicht Zypern, sondern man sollte jetzt zu einer vernünftigen Rettungsaktion kommen.

    Heckmann: Der Wirtschaftswissenschaftler Professor Rudolf Hickel hier live im Deutschlandfunk. Danke Ihnen für das Gespräch!

    Hickel: Ich danke Ihnen auch, Herr Heckmann!

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