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Ökonom warnt vor nächster Finanzkrise

Die Finanzmärkte profitierten derzeit von der Geldpolitik der US-Notenbank Fed, sagt Klaus-Jürgen Gern vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. Weil das billige Geld aber die Preise von Vermögenswerten wie Immobilien in die Höhe treibe, fürchtet er eine ähnliche Entwicklung wie vor der großen Finanzkrise.

Klaus-Jürgen Gern im Gespräch mit Christine Heuer | 19.09.2013
    Friedbert Meurer: Gestern Abend hat die US-Notenbank zur allgemeinen Überraschung keinen Kurswechsel verkündet. Fast alle Beobachter waren sich vorher sicher gewesen, dass die Fed die Politik der niedrigen Zinsen beenden würde. Sie hat es also nicht getan, die Wende in der US-Geldpolitik ist vorerst ausgeblieben. Christine Heuer hat gestern Abend Klaus-Jürgen Gern vom Kieler Institut für Weltwirtschaft gefragt, ob er jetzt ziemlich überrascht ist.

    Klaus-Jürgen Gern: Ja, ein klein wenig überrascht hat es mich schon, dass gar nichts passiert ist. Die Notenbank hatte ja sehr ausführlich - oder Herr Bernanke hatte das gemacht - in zwei Reden im Mai und Juni die Märkte vorbereitet und sehr ausführlich erläutert, wie sich die Fed den allmählichen Ausstieg aus diesen Anleihekäufen vorstellt. Und er hatte das an Bedingungen geknüpft, die eigentlich nach meiner Auffassung immer noch erfüllt sind, nämlich dass die konjunkturelle Erholung in den USA anhält. Und das ist gegenwärtig der Fall. Insofern hätte eigentlich nichts dagegen gesprochen, jetzt ein kleines Zeichen zu setzen, dass man nicht auf immer und ewig die Märkte mit immer mehr zusätzlichem Geld versorgen will.

    Christine Heuer: Wieso tut die Fed das dann nicht? Können Sie sich das erklären?

    Gern: Ja. Die Fed ist in der überwiegenden Mehrzahl ihres Führungskreises in einer Denke, die konjunkturellem Impuls absoluten Vorrang einräumt. Man will in den USA auf Teufel komm raus die Nachfrage anschieben und dadurch die Arbeitslosigkeit senken. Die Frage, ob die Geldpolitik dafür das richtige Instrument ist, fünf Jahre nach der Finanzkrise – wir sind ja nicht in einer unmittelbaren Konjunkturkrise, sondern wir sind jetzt in einer Phase, in der strukturelle Entwicklungen auch eine große Rolle spielen. Und um strukturelle Probleme zu lösen, ist Geldpolitik nicht das Richtige.

    Heuer: Sie halten also das Verhalten der Fed einfach für falsch?

    Gern: Ich glaube, dass das auf lange Sicht zu nichts führt. Es ist jetzt kurzfristig eine Erleichterung auch für die Märkte. Auch das hat wahrscheinlich eine Rolle gespielt, dass die Fed gesehen hat, dass diese Andeutung, sie würden etwas machen, doch ganz erhebliche Wirkungen an den Finanzmärkten gehabt hat. Es sind die langfristigen Zinsen deutlich gestiegen, es sind auch im internationalen Bereich Wirkungen erkennbar gewesen, dass Kapitalströme nicht mehr in die Schwellenländer gegangen sind. Dort sind Länder und Währungen unter Druck geraten, weil dieser Geldstrom, der in den USA im Moment noch voll aufgedreht ist, gedrosselt zu werden droht. Es ging ja nicht darum, hier auf die Bremse zu treten, sondern es soll nur der Fuß vom Gaspedal ein wenig heruntergenommen werden. Und auch dazu hat man sich jetzt nicht durchringen können.

    Heuer: Aber die Rechnung ist erst einmal aufgegangen. Die US-Aktienmärkte haben ordentlich zugelegt. Rechnen Sie jetzt damit, dass die Party immer weitergeht?

    Gern: Ja das ist eben die große Frage. Wir sehen, dass die Aktienmärkte am Steigen sind. Wir sehen, dass auch verschiedene andere Märkte, die Immobilienmärkte in den Vereinigten Staaten, in vielen Ländern, die von diesem Geld profitieren, die Preise dort steigen. Es gibt andere Vermögenstitel, die in den Preisen stark gestiegen sind und möglicherweise auch überbewertet sind. Und wir befürchten, dass dieses billige Geld, das wir jetzt seit fünf Jahren ununterbrochen haben und in immer größeren Mengen in die Märkte gedrückt bekommen, dass dieses Geld zu Verwerfungen führt. Die Finanzmärkte: Im Moment profitieren sie davon, im Moment machen sie große Gewinne. Aber wenn dann irgendwann der Punkt kommt, dass dieser Geldstrom dann doch gedrosselt werden muss, weil Inflationsentwicklungen doch sichtbar sind auch bei den Verbraucherpreisen, wenn also dann in einem späteren Zeitpunkt gebremst wird, dann könnte es sein, dass diese Finanzinstitutionen wieder auf dem falschen Fuß erwischt werden und wir wieder große Probleme bekommen.

    Heuer: Wo denn genau?

    Gern: Diese liquiden Mittel, dieses Geld, was durch die Käufe der Fed entsteht, das will ja angelegt werden. Und was die Fed sich wünscht ist, dass es in Kredite geht, in reale Investitionen geht, dass dadurch Arbeitsplätze geschaffen werden. Tatsächlich ist das aber nicht der Fall oder nur in sehr geringem Umfang. Das Geld wird entweder einfach nur geparkt und liegt dann bei der Fed herum - das wäre noch nicht so schlimm - oder es geht in Vermögenstitel, also in bestehende Vermögenswerte, in Aktien, in Immobilien, in Rentenpapiere, auch im Ausland, und treibt dort die Preise hoch. Diese Titel werden dann zu diesen hohen Preisen natürlich gehalten von Finanzinstitutionen. Und wenn die Preise dann fallen, in dem Moment, wo dieser Geldhahn zugedreht wird, dann stehen diese Finanzinstitutionen plötzlich mit gesunkenen Vermögenstiteln da. Und das ist im Prinzip eine ähnliche Situation, wie wir sie vor der großen Finanzkrise auch hatten.

    Heuer: Andererseits profitiert ja die deutsche Bundesregierung zum Beispiel auch von billigem Geld. Ein guter Tag für den Bundesfinanzminister?

    Gern: Das ist richtig. Alle Staaten, die sich verschulden – der deutsche Staat ja noch weniger als die meisten anderen -, diese Regierungen profitieren davon. Aber das ist wie gesagt nur die eine Seite der Medaille, denn irgendjemand hält ja diese Staatsschulden und bekommt sehr wenig Zinsen und Erträge dafür.

    Heuer: Und das sind dann die Bürger?

    Gern: Und das sind dann die Bürger.

    Meurer: Klaus-Jürgen Gern zu den Nachteilen der Zinspolitik der US-Notenbank, die gestern Abend entschieden hat, alles beim alten zu belassen. Klaus-Jürgen Gern vom Kieler Institut für Weltwirtschaft und Christine Heuer.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.