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Österreich
Streit um Hitlers Geburtshaus

Der Nationalrat in Österreich hat im vergangenen Jahr die Enteignung von Hitlers Geburtshaus beschlossen. Nun verhandelt darüber der Verfassungsgerichtshof. Die Politik will verhindern, dass das Haus zu einem Wallfahrtsort für Rechtsradikale wird, konnte sich aber mit der Eigentümerin nicht einigen.

Von Clemens Verenkotte |
    Der Gedenkstein aus dem ehemaligen KZ-Mauthausen steht vor dem Hitler-Haus in Braunau, aufgenommen am 05.02.2015.
    Hitlers Geburtshaus in Braunau am Inn. (dpa / picture alliance / Matthias Röder)
    16. Dezember 2016 – im Nationalrat stimmen die Abgeordneten über die Enteignung eines ockergelb gestrichenen Hauses aus dem 17. Jahrhundert ab. Adresse: Salzburger Vorstadt 15, Braunau am Inn, das Hitler-Geburtshaus. Parlamentspräsidentin Doris Bures:
    "Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1250 der Beilagen. Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzesentwurf stimmen um ein Zeichen. Der Gesetzentwurf ist somit auch dritter Lesung mit Mehrheit angenommen."
    Es müsse um die Entmystifizierung des Ortes Braunau am Inn gehen, es müsse verhindert werden, dass das seit 2011 leer stehende Gebäude nicht weiter Anziehungspunkt von Rechtsextremisten bleibe, argumentierten Liberale wie der Abgeordnete Nikolaus Alm von den NEOS in der Debatte. Denn:
    "Wir haben da Erfahrungen. Wir wissen beispielsweise, wie das auf dem Obersalzberg, was da sich abspielt. Wo waschkörbeweise NS-Devotionalien jeweils weggetragen werden müssen, weil die Ewiggestrigen und diejenigen, die heute sich damit identifizieren können und wollen, dort Blumen, Abzeichen und sonstiges niederlegen."
    Seit 2011 steht das Haus leer
    Leicht hat es sich Österreichs Politik mit dem zweistöckigen Gebäude in der Innenstadt Braunaus nicht gemacht: Vor 45 Jahren pachtete der Staat die Immobilie von der Eigentümerin, für derzeit 4.800 Euro im Monat. Genutzt wurde das Haus, in dem Hitler seine ersten drei Lebensjahre verbrachte, von der "Lebenshilfe Österreich" als Heim- und Werkstätte für Menschen mit Behinderung. Als die Behörden die Eigentümerin darum baten, das Gebäude behindertengerecht umbauen zu dürfen, lehnte dies die Besitzerin ab. 2011 musste die Organisation sich deshalb neue Räume suchen.
    Seitdem steht die historisch belastete Immobilie leer. Alle Verhandlungen mit der Eigentümerin seien anschließend gescheitert, sagte Innenminister Wolfgang Sobotka im Juli vergangenen Jahres. Die Entscheidung zur Enteignung sei der Regierung nicht leicht gefallen. Es habe aber keine andere Möglichkeit mehr gegeben:
    "Weil wir alle Kaufangebote, alle Nutzungsmöglichkeiten mit der Eigentümerin versucht haben, zu klären, kamen zu keinem Ergebnis. Ich bedauere diesen Schritt. Das ist fast das letzte Mittel, aber hier ist das öffentliche Interesse ein viel Größeres als eben das Eigene."
    Denn, so die Auffassung von Gerhard Baumgartner, dem wissenschaftlichen Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes, in jedem Falle habe verhindert werden müssen, dass Hitlers Geburtshaus Anziehungspunkt für Rechtsextreme bleibe. Bereits nach der Regierungsentscheidung, die Eigentümerin zu enteignen, stellte Baumgartner fest:
    "Wir sehen ja, dass es europaweit zu so einer Art Tourismus kommt. Voriges Jahr hatten wir eine ganze Busreise aus Ungarn. Heuer gab es verschiedene prominente Rechtsradikale, die auf der Durchfahrt durch Österreich das immer wieder besucht haben."
    In öffentlicher Anhörung wird sich heute das 14-köpfige Richterkollegium des Verfassungsgerichts mit der umstrittensten Immobilie Österreichs befassen. Die Eigentümerin will sich mit der Enteignung des Gebäudes nicht abfinden.