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Patentanmeldung vor 135 Jahren
Die unerträgliche Leichtigkeit des Aluminiums

Aluminium revolutionierte den Metallbau. Allerdings ist das Material zwar extrem leicht, aber äußerst schwer herzustellen. Erst das Verfahren, das sich Charles Martin Hall am 9. Juli 1886 patentieren ließ, machte die Produktion kostengünstig. Mit zwiespältigen Folgen.

Von Monika Seynsche | 09.07.2021
    Nordrhein-Westfahlen, Essen: Ein Mitarbeiter der Trimet Aluminium SE steht vor einem Schmelzofen mit heißen flüssigen Aluminium für die Herstellung von speziellen Legierungen.
    Schmelzofen mit heißem flüssigen Aluminium in Essen - noch heute wird das Metall mit dem von Charles Martin Hall und Paul Héroult entwickelten Verfahren gewonnen (Guido Kirchner/dpa)
    Mitte des 19. Jahrhunderts rauchten die Fabrikschlote, die industrielle Revolution nahm an Fahrt auf, und die Welt gierte nach Stahl, Eisen und anderen Metallen. In dieser Zeit faszinierten einige kleine silbrige Tropfen die Fachwelt. Dänischen und deutschen Forschern war es gelungen, aus Tonerde reines Aluminium zu gewinnen. Das leichte Element eröffnete ungeahnte, neue Möglichkeiten für Metallkonstruktionen.

    Anfangs teurer als Gold

    Aber es gab ein Problem, erzählt Birgit Skrotzki von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung. Das Element Aluminium ist in der Natur zwar sehr weit verbreitet, aber es kommt so gut wie nie in reiner, metallischer Form vor. Stattdessen bindet es extrem gern und fest an Sauerstoff und diese Verbindung zu lösen, gelingt erst bei einer Temperatur von über 2.000 Grad:
    "Am Anfang war es so wertvoll, teurer als Gold war es, und so hatte man zum Beispiel am französischen Königshof Aluminiumbesteck hergestellt, und nur besondere Gäste durften dieses Besteck verwenden."

    Die zwei Väter des Aluminiums

    Aber dann kam ein junger Erfinder in Amerika auf eine geniale Idee: Charles Martin Hall setzte dem Prozess ein Salz hinzu: Kryolith. Und plötzlich löste sich das Aluminium schon bei einer Schmelztemperatur von nur noch 950 Grad vom Sauerstoff, wenn er gleichzeitig ganz viel Strom anlegte. Das reine Aluminium ließ sich aus dieser Salzschmelze einfach abtrennen. Am 9. Juli 1886 reichte Charles Martin Hall sein Patent für die Herstellung von Aluminium nach diesem Verfahren der Schmelzflusselektrolyse ein. Zeitgleich mit Hall, aber unabhängig von ihm, hatte der Franzose Paul Héroult dasselbe Verfahren entwickelt und in Frankreich patentieren lassen. Damit begann in Europa und Amerika die großtechnische Herstellung von Aluminium, und Charles Martin Hall wurde zum reichen Mann. Innerhalb von nur zehn Jahren sank der Preis für das Metall um 90 Prozent. Darüber hinaus kam der günstige, leichte Werkstoff genau zur rechten Zeit, um eine andere Erfindung zu beflügeln, so Birgit Skrotzki:
    "Man hat im Flugzeugbau erstmal damit begonnen, die ersten Flugzeuge aus Holz zu bauen, aber das war auf lange Sicht nicht so praktisch, so dass man dann auch haltbarere und festere Werkstoffe gesucht hat. Und dann wurde Aluminium sehr interessant, weil es halt sehr leicht ist. Einerseits, und Anfang des 20. Jahrhunderts wurde dann auch entdeckt, wie man die Festigkeit von Aluminiumlegierungen steigern kann."

    Fahrzeugbau giert nach Aluminium - das Aluminium nach Strom

    Die Leichtigkeit und Festigkeit macht Aluminium bis heute auch für den Fahrzeugbau attraktiv. Denn je leichter ein Auto ist, desto weniger Treibstoff verbraucht es. Deshalb werde die Nachfrage nach Aluminium auch in Zukunft groß sein, vermutet Birgit Skrotzki. Ein Problem allerdings bleibt: Die Herstellung von Aluminium ist trotz aller Verbesserungen immer noch sehr energieaufwendig, die Elektrolyse funktioniert nur mit viel Strom. Deshalb sei es wichtig, soviel Aluminium wie möglich zu recyceln, sagt der Chemiker Manfred Santen von Greenpeace:
    "Wir sind ja Aluminiumprodukte gewohnt, die gebürstet sind, die eine sehr schöne Oberfläche haben. Das in so einer Reinheit und in so einem schönen Grau kriegen Sie vielleicht nicht hin, vielleicht ist es ein bisschen dunkler. Aber Sie können eigentlich das qualitativ sehr hochwertig zurückgewinnen."
    Ein Butterbrot in Aluminiumfolie verpackt.
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    Das Rotschlamm-Problem

    Das Recycling nützt nicht nur der Energiebilanz, sondern auch direkt der Umwelt. Denn Aluminium wird aus Bauxit gewonnen, das unter großem Flächenverbrauch abgebaut wird. Außerdem entsteht bei der Herstellung des Aluminiums als Abfallprodukt Rotschlamm, so Manfred Santen:
    "Dieser Rotschlamm enthält sehr, sehr viele Metalle, darunter auch Schwermetalle, die giftig sind. Also, da ist immer ein gewisser Anteil von Cadmium dabei, auch Quecksilber, Arsen und so weiter. Das sind halt einfach die Elemente, die das Aluminium in seinem natürlichen Vorkommen begleiten und bei dem Produktionsprozess, bei der Raffinerie sozusagen, fürs Aluminium werden diese Metalle angereichert und sind deswegen in diesen Rotschlämmen in relativ hoher Konzentration vorhanden. Und das macht diese Rotschlämme durchaus gefährlich für die Umwelt."
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    Früher wurden diese Rotschlämme in Flüsse und Seen geleitet oder im Meer verklappt. Und auch heute noch kommt es gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern immer wieder zu spektakulären Dammbrüchen in Rotschlammbecken, zuletzt 2010 in Ungarn. Dabei lässt sich der Rotschlamm gut wiederverwerten - aber eben nur, wenn hohe Sicherheitsstandards eingehalten werden.