In Myanmar protestieren seit Wochen Menschen gegen den Militärputsch gegen die Regierung von Aung San Suu Kyi. Das Militär hatte am 1. Februar geputscht, dem Tag, an dem das neu gewählte Parlament zu seiner ersten Sitzung zusammenkommen sollte. Suu Kyis Partei Nationale Liga für Demokratie NLD hatte die Wahl im November gewonnen. Das Militär erkennt dies nicht an und spricht von Wahlbetrug. Inzwischen hat die Militärjunta bereits Hunderte Menschen festgenommen. Unter den Protestierenden seien vor allen Dingen junge Leute, die zum ersten Mal im November vorigen Jahres gewählt haben und sich nun betrogen fühlen, sagte Myanmar-Experte Andreas Lorenz im Deutschlandfunk - die "Generation Z". Aber dem Protest schlössen sich auch die Älteren an: Ärzte und Krankenschwestern streiken, Beamte, Handwerker, Uni-Professoren, Arbeiter und Bauern. "Der Protest gegen die Militärs und ihren Militärputsch zieht sich durch die Generationen."
Dabei herrsche eine große Solidarität unter den Menschen. Ziviler Ungehorsam werde momentan sehr sehr groß geschrieben. Gewaltsame Szenen wie in Hongkong gebe es bisher nicht.
Keine Rückkehr in Diktatur geplant
Oberstes Ziel der Junta sei es, an der Macht zu bleiben, erklärte Lorenz. "Und an der Macht zu bleiben, bedeutet den Zugang zu den Fleischtöpfen, zu lukrativen Geschäften mit Rohstoffen. Denn wir dürfen nicht vergessen, die Soldaten verwalten mächtige Wirtschaftsunternehmen." Ziel der Militärs sei es laut Lorenz dagegen nicht, das Land wieder in eine brutale Diktatur zurückführen, denn damit würden sie die internationalen Kontakte, vor allem die Wirtschaftskontakte gefährden. Durch den Wahlsieg der NLD hätten sie die von ihnen angestrebte "disziplinierte Demokratie" gefährdet gesehen. "Meiner Meinung nach wollen sie eine nicht allzu starke NLD erreichen, am besten ohne die 'Lady', wie Aung San Suu Kyi in Burma genannt wird." Das gelänge, indem man Aung San Suu Kyi unter irgendeinem Vorwand vor Gericht bringe und sie verurteile. Dann dürfte sie bei den nächsten Wahlen nicht mehr antreten. "Aung San Suu Kyi außer Gefecht, ihre Partei geschwächt - Problem gelöst."
Aung San Suu Kyis tragisches Schicksal
Lorenz, der ein Buch über die 75-jährige Aung San Suu Kyi geschrieben hat ("Ein Leben für die Freiheit"), bezeichnete ihr Leben als tragisch: Sie habe enorme persönliche Opfer gebracht, indem sie 15 Jahre im Hausarrest verbrachte. Dann habe sie als de facto Regierungschefin ihren internationalen Ruf verspielt, weil sie die Militärs nach den brutalen Übergriffen auf die muslimischen Rohingyas nicht kritisiert und dazu geschwiegen hat. Und nun putschen sich die Militärs zurück an die Macht.
"Sie hat geschwiegen, weil sie ihr Ziel weiter verfolgen wollte, die Militärs zurückzudrängen und innenpolitisch hatte sie tatsächlich damit Erfolg. Die Menschen in Myanmar verehren sie jetzt umso mehr. Sie ist immer noch die Lichtgestalt. Sie habe international, so heißt es, tapfer das Land verteidigt und vertreten. Und man darf dabei nicht vergessen, das Problem ist ja auch, dass sehr viele Menschen in Myanmar die Rohingyas ablehnen."
Internationale Sanktionen wirkungslos
Auch wenn man die Hoffnung hatte, dass Südostasien sich demokratisieren wird, gehe die Entwicklung in eine andere Richtung. "Nehmen Sie das Nachbarland von Myanmar, Thailand. Dort herrscht ebenfalls das Militär. Kambodscha wird sehr autoritär regiert. Von Laos hören wir gar nichts mehr, da herrscht eine kommunistische Partei ebenso wie in Vietnam. Also die Entwicklung in Myanmar - so traurig es ist - passt momentan in das Gesamtbild."
Sanktionen würden nichts bringen, solange China, das Nachbarland Thailand und auch einige der südostasiatischen Staaten nicht mitmachen und nur die arbeitende Bevölkerung treffen, erklärte Lorenz. China habe starke wirtschaftliche Interessen. "Stichwort Seitenstraße, sie wollen Pipelines durch Myanmar bauen, sie wollen einen Tiefseehafen an der myanmarischen Küste errichten, damit der Warentransport nach China erleichtert und gesichert werden kann, sie haben weitere Geschäfte - vor allem Dingen Rohstoffe, Jade. Das Geschäft beträgt ungefähr zehn Milliarden Dollar im Jahr. Die halten still und werden zumindest nach außen hin die Militärs nicht kritisieren."
"Ich fürchte, dass der Traum, ein demokratisches Myanmar zu bekommen, erst einmal ausgeträumt ist. Es sei denn, dass es junge Offiziere innerhalb der Polizei und das Militär gibt, denen das Tun ihrer Vorgesetzten zuwider ist und die sich mit den Demonstranten solidarisieren. Aber noch gibt es dafür keine Anzeichen."