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Regierungskrise in Nordirland
"Wenn Sie ein Krokodil füttern, dann kommt es bloß zurück und will mehr"

Seit einem halben Jahr hat Nordirland keine regionale Regierung. Sinn Féin und DUP, die beiden Parteien der Nationalisten und Unionisten, sind heillos zerstritten. Vor allem die Forderung von Sinn Féin, die irische Sprache zu fördern, stößt bei der DUP auf taube Ohren. Aber die Zeit für eine Einigung wird knapp.

Von Friedbert Meurer | 04.07.2017
    Blick auf Stormont Castle in Belfast, Sitz des nordirischen Parlaments und Kabinetts.
    Blick auf Stormont Castle in Belfast, Sitz des nordirischen Parlaments und Kabinetts. (dpa / picture alliance / PA Paul Faith)
    Eine Demonstration in Belfast für die irische Sprache. Tausende gingen hier vor Wochen auf die Straße, unterstützt von der pro-irischen Partei Sinn Féin . Ein Gesetz zur Förderung der irischen Sprache steht ganz oben auf deren Forderungsliste.
    "Viele sind auch aus der Republik hierhergekommen", freute sich Michelle O'Neill, die künftige Fraktionsvorsitzende von Sinn Féin. "Junge und Ältere stehen für ihr Recht auf die irische Sprache ein. Wir wollen dafür den Schutz durch ein eigenes Gesetz."
    Zwei Sprachen vor Gericht, im Parlament, auf allen Verkehrsschildern? Das lehnt die pro-britische Partei DUP aber strikt ab. Nur ein Bruchteil der Nordiren würde überhaupt irisch reden, selbst die Sinn Féin-Leute könnten es ja gar nicht mehr. Arlene Foster, ihre Chefin, hatte nur Spott dafür übrig.
    "Wenn wir ein Gesetz für die irische Sprache bekämen, warum dann nicht auch eins für polnisch? In Nordirland sprechen mehr Menschen polnisch als irisch. Ich will nicht irgendetwas anbieten, nur damit Sinn Féin zufrieden ist. Wenn Sie ein Krokodil füttern, dann kommt es bloß zurück und will mehr."
    Neue Frist für die zerstrittenen Parteien in Nordirland
    Der britische Nordirland-Minister James Brokenshire verlängerte gestern im Unterhaus in London den Streithähnen noch einmal die Frist, um sich auf eine gemeinsame Regierung in Nordirland zu einigen. Schon im Januar war das Bündnis über einen Öko-Subventionsskandal zerbrochen, bei dem umgerechnet 500 Millionen Euro verschleudert wurden. Sinn Féin verdächtigt die DUP, Teile des Geldes an die eigene Klientel geschleust zu haben.
    "Ich glaube weiterhin, dass eine Einigung erreichbar ist. Wenn es die gibt, werde ich alle gesetzlichen Vorbereitungen dafür treffen. Vielleicht kommt sie noch diese Woche. Aber die Zeit wird knapp."
    Der britische Nordirland-Minister gibt also die Hoffnung nicht auf. Er scheut die Alternativen: Neuwahlen oder dass London die frühere Unruheprovinz wieder direkt regiert. Letzteres wäre wohl fatal: Die Regierung Theresa Mays gilt als parteiisch, weil sie von den Unionisten der DUP mitgetragen wird. London müsste auch die nordirischen Interessen beim Brexit gleich mit verteidigen, die es selbst durch den Brexit gefährdet, nämlich die offenen Grenzen zur Republik Irland.
    "Der Nordirland-Minister könnte die Premierministerin antreiben", spottet Owen Smith von Labour jetzt von der Oppositionsbank, "sich in ein Flugzeug zu setzen und nach Belfast zu fliegen. Arlene Foster wird ihr sicher gerne ihr Flugzeug ausleihen."
    "Die Selbstverwaltung Nordirlands ist tot"
    Das war eine Anspielung darauf, dass Arlene Foster von der DUP zuletzt wegen der Tolerierungsverhandlungen ständig zwischen Belfast und London hin und her jettete. Foster hat dabei immerhin eine Milliarde Pfund für Nordirland zusätzlich herausgeschlagen, manche bezeichneten den Deal als glatte Erpressung. Das Problem ist jetzt, dass es ja keine Regierung in Nordirland gibt, die das Geld ausgeben kann.
    Ian Paisley meldet sich zu Wort. Er ist der Sohn des gleichnamigen Gründers der DUP und hat ihn als Abgeordneten im Unterhaus beerbt.
    "Die Selbstverwaltung Nordirlands ist tot. Könnte der Minister uns nicht ein Datum noch vor der Sommerpause nennen, ab dem die britische Regierung entscheidet, wie die Fördermittel ausgegeben werden?"
    Das würde der DUP gefallen. Sinn Féin dagegen nicht. Vielleicht werden ihre Vertreter deswegen doch noch in letzter Minute einlenken. Ein irischer Fernsehjournalist spielt auf Arlene Fosters Vergleich aus der Tierwelt an, als es um die Förderung der irischen Sprache ging. Jetzt hätten die Krokodile und Alligatoren noch eine Woche Zeit, um sich auf die Verteilung ihres Futters zu einigen.