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Rund um die Uhr in die Bibliothek

Ausgestorbene Unis, überfüllte Ski-Pisten. In der ersten Januarwoche wird traditionell wenig studiert. Die vorlesungsfreie Zeit, sie dauert mancherorts noch bis kommende Woche. Dennoch blickt Campus heute in das Uni-Leben von Leipzig.

Von Thomas Kramer |
    Kronleuchter, blütenweiße Stuckornamente, ein palazzoartiger Treppenaufgang mit rotem Teppich. Ortstermin im Dekanat der zweitältesten Uni Deutschlands. Professor Martin Schlegel, Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, im Moment hat er viel zu tun.

    Denn Schlegel ist zugleich als Interims-Rektor, und das schon seit Mitte November. Erst im März wird dieses Amt auch faktisch an seinen Nachfolger übergehen. Genauer gesagt: eine Nachfolgerin. Frau Professor Dr. med. Beate Schücking, derzeit noch Medizin-Professorin in Osnabrück! Das hat es noch nicht gegeben: eine Frau an der Spitze der ehrwürdigen Alma Mater! 600 Jahre Universitätsgeschichte und jetzt das. Dazu Schlegel:

    "Wir stehen in sehr engem Kontakt, wir haben festgestellt, dass wir in vielen Bereichen die gleichen Prioritäten haben. Sie müssen sich ja auch vorstellen, dass dieses Rektorat über ein Jahr länger im Amt war als die Wahlperiode eigentlich vorsah, weil die Gremien noch nicht installiert waren."

    Dass der Hochschulrat angefangen hat zu arbeiten, zählt Schlegel auch prompt zu den zentralen Ereignissen 2010. Der Blick ins neue Jahr dagegen erfordert reichlich Optimismus. Stichwort: Hochschulentwicklungsplan. Wie soll man entwickeln, wenn bis 2020 sachsenweit etwa 750 Hochschulstellen abgebaut werden? Schon der frühere Chef Professor Franz Häuser hat gesagt, seine Amtszeit habe er oftmals als Verwaltung von Mängeln empfunden:

    "Wir haben auch im jetzigen Doppelhaushalt bereits unter Sparmaßnahmen zu leiden und wir müssen sehen, wie wir das Ganze umsetzen. Es wird sich die Universität hier weiterentwickeln müssen und wie das geschehen wird, das wird das neue Rektorat dann umsetzen."

    Natürlich hat sich die neue Rektorin schon geäußert. Der Leipziger Volkszeitung sagte sie, Millionen lockermachen könne sie keine, denn die gebe es nicht. Aber sie wolle doch weniger Kürzung rausholen. Nach Aufbruch und rosigen Zeiten klingt das nicht. Auch Schlegel spricht lieber über die Beantragung von Drittmitteln: 2 Skizzen im Bereich der Exzellenzcluster und die Ausschreibung für ein DFG Forschungszentrum "Integrative Biodiversität", zusammen mit Halle und Jena. Sollte man den Zuschlag bekommen, werden aus den Partnern Konkurrenten. Nur einen physischen Standort wird es geben. Die Fördersumme - 100 Mio. Euro verteilt auf zwölf Jahre - jeder will das größte Stück vom Kuchen.

    Der Campus nahe dem Augustusplatz. Zehntausende skandierten hier: "Wir sind das Volk!" In den letzten fünf Jahren wurde das Uni-Gelände völlig erneuert. Ein paar Gerüste stehen noch immer, doch der alte Plattenbau ist weg, entstanden das Paulinum, die Universitätskirche. Ebenfalls neu: Mensa, Bibliothek und Seminargebäude. Was sagen die Studierenden?

    "Bevor das alles hier neu gemacht wurde und ausgebaut wurde, war es für viele Studiengänge schon ziemlich belastend in Seminaren zu hocken, wo man fast schon auf dem Gang saß, sag ich mal, und da kaum was mitbekommen hat, weil es halt einfach zu klein war. Aber jetzt sind alle soweit ganz schön zufrieden.

    Ansonsten haben sie es ganz schön gemacht, auch das Universitätsgebäude mit den Vorlesungssälen. Viel besser als das, was vorher war. Aber es sind halt immer noch so kleine Mängel, die nicht abgestellt werden: also Heizung, Lüftung.

    Dieser Mensch, der das entwickelt oder konstruiert hat, hat der jemals zwei Stunden in einer Bibliothek gesessen? Also es sieht schick aus, aber Funktionalität ist weniger so.
    Es ist laut, es zieht, manchmal riecht es eventuell auch. Und dann, wenn mal irgendwas Elektronisches ausfällt oder kaputt ist, dann braucht es auch ewig, um repariert zu werden, weil es halt zu teuer ist."

    Allen Kinderkrankheiten zum Trotz - die Bibliothek hat beinahe das ganze Jahr 24 Stunden täglich geöffnet. In der Prüfungsphase ein Segen. Ebenfalls im Zentralgebäude: Angebote für Kinderbetreuung. Doppeltes Glück für Saskia! Die Leipziger Jurastudentin ist Mutter und steht kurz vor dem Staatsexamen:

    "Es gibt einen Kinderladen hier im Haus in der 1. Etage, da werden die Kinder stundenweise betreut. Das kann man ein Semester lang nutzen. Und dann gibt es auch einen Kindergarten von der Fröbel GmbH, der vorwiegend für Studierende ist. Und da hat Meine auch einen Platz bekommen und ist da schon seit einem Jahr. Also, das ist recht angenehm."

    Weniger angenehm war der Streit um die Paulinerkirche. Davon erzählt Markus aus Chemnitz. Seit über fünf Jahren studiert er in Leipzig, ausgerechnet Theologie:

    " Was mir in Bezug auf den Neubau - gut, als Theologe muss man auch sagen - nicht so gut gefallen hat, waren die ganzen Diskussionen, die zum Teil sehr polarisierend geführt worden sind, gerade in Bezug auf die Universitätskirche. Es sind zu viele Entscheidungen eigenmächtig getroffen worden, zu viel auch über die Köpfe der Studenten hinweg ... aber ansonsten kann ich nur sagen: Studieren an der Universität Leipzig macht unheimlich viel Spaß."

    Eine vergleichbare Dichte an Kultur, an Kneipen, Cafés und Szeneläden, an Museen und Bibliotheken - gibt es im Osten nur in Dresden oder Berlin. Nach all dem Wandel der letzten Jahre wünscht man Leipzig ein wenig Ruhe. Und etwas weniger Sparzwang. Der Rest ist eine große Erfolgsgeschichte.