Montag, 13. Mai 2024

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Schauspieler Heinz Rühmann
Lausejunge, Mustergatte und Biedermann

Heinz Rühmann gehört zu den wenigen "Jahrhundertschauspielern". Sein Können war dabei weniger ausschlaggebend als sein unverwechselbarer Ton, seine anhaltende Beliebtheit, seine Präsenz bis ins hohe Alter, als er schließlich im Fernsehen Lesestunden hielt. Heute vor 20 Jahren ist er gestorben.

Von Beatrix Novy | 03.10.2014
    Bei der Bambi-Verleihung 1963 küsste Heinz Rühmann Lieselotte Pulver die Hand.
    Bei der Bambi-Verleihung 1963 küsste Heinz Rühmann Lieselotte Pulver die Hand. (picture alliance / dpa / Harry Flesch)
    "Ich brech die Herzen der stolzesten Frau'n, weil ich so stürmisch und so leidenschaftlich bin..."
    So ironisch kann nur einer sich besingen, der seine Rolle gefunden hat. Heinz Rühmanns Rolle hieß Heinz Rühmann. Ein kleiner Mann, der seinem physiognomischen oder sozialen Schicksal das Glück, oder mindestens einen Moment der Würde abtrotzt. Als er am 3. Oktober 1994 starb, war er über 60 Jahre lang ein Liebling der Deutschen geblieben: als Lausejunge, Mustergatte, Biedermann mit durchaus autoritären Einschlägen, braver Sünder.
    "Ich hatte dieses unbändige Verlangen, Theater zu spielen, wollte allerdings jugendlicher Held werden. Und die Versuche sind ja nun kläglich gescheitert. Außerdem war ich auch zu klein dazu."
    Unverwechselbarer Schauspieler
    Heinz Rühmann, 1902 geboren, Sohn eines an der eigenen Großspurigkeit zugrunde gegangenen Hoteliers und einer vernünftigeren Mutter, hatte die Schule für den Schauspielberuf geschmissen. Aber die schönen Rollen kamen nicht - bis er einmal den Ärger darüber auf der Bühne nicht mehr beherrschen konnte.
    "Und dieses mufflige Spielen von mir und diese merkwürdige Beiseite-Art, die ich da hatte, weil ich schlecht gelaunt war, brachte mir einen derartigen Erfolg an dem Abend, dass ich mir sagte: Was ist nun passiert??"
    Rühmann: Komiker, Naturbursche, halb-naiver Pfiffikus. Unverwechselbar mit seiner modulationsarmen, abgehackten Sprechweise, bestens geeignet für den Tonfilm. 1930 war er einer der "Drei von der Tankstelle".
    "Ein Freund, ein guter Freund..."
    "Nein, gefällt mir nicht sehr, was wir da verbrochen haben."
    Mit so harschen Worten distanzierte sich Rühmann später vielleicht von den vielen Albernheiten der Ufa-Konfektion. Aber mit "Die 3 von der Tankstelle" hatte er seine berühmteren und erotisch überzeugenderen Kollegen Oscar Carlweis und Willi Fritsch überflügelt. Ihn konnten die Nazis nach 1933 nicht ersetzen. Manche hätten das gern getan.
    "Mit der Bitte um weitere Veranlassung berichten uns verschiedene Mitarbeiter, dass im Deutschlandsender oft die Stimme Heinz Rühmanns zu vernehmen sei, und zwar mit einem Schlager, dessen Text endet mit den Worten ‚... ich krieg bestimmt noch mal das Vaterkreuz'".
    Das Lied mit der Anspielung auf das NS-Mutterkreuz durfte schließlich nicht mehr gespielt werden. Ernster war ein anderes "Problem".
    "Die Schriftleitung der Zeitschrift "Der SA-Mann" fragt an, wieso der Filmschauspieler Heinz Rühmann, der mit einer Jüdin verheiratet sein soll, immer noch in Deutschland filmen darf..."
    Dass Rühmann, inzwischen liiert mit der Schauspielerin Hertha Feiler, sich von seiner längst entfremdeten Ehefrau Maria nicht scheiden ließ, gerade weil sie Jüdin war, das bekräftigte nach dem Krieg Carl Zuckmayer in seinem für den amerikanischen Geheimdienst verfassten Report über die NS-Verstrickungen deutscher Künstler. Maria Rühmann konnte schließlich nach Schweden ausreisen: Goebbels hatte geholfen.
    Feuerzangenbowle als Geniestreich der Filmgeschichte
    Goebbels geruhte auch über Hertha Feilers jüdischen Großvater hinwegzusehen. Die Protektion des Propagandaministers und die Mitwirkung an zwei Propagandafilmen wurden Rühmann nach dem Krieg schnell verziehen. Fraglos hatte er sich für etliche verfolgte Kollegen eingesetzt. Sein Anteil am großen Nazi-Verbrechen war die Arbeit für die Ufa-Unterhaltungsmaschine, die explizit das Politische gerade vermied. Noch mitten im Bombenhagel entstand 1944 unter Rühmanns Leitung die Schulkomödie "Die Feuerzangenbowle" - eine einzige Heile-Welt-Lüge, aber ein Geniestreich der Filmgeschichte.
    1956 spielte Rühmann den Schuster Voigt in Zuckmayers Stück "Der Hauptmann von Köpenick". Ein Film, der Rühmanns Fähigkeiten nicht, wie so oft, auf harmlos-schmunzelnden Humor begrenzte. Sondern ihn als den Charakterschauspieler forderte, zu dem er im Alter immer mehr wurde. Zuckmayer beschrieb ihn fast ehrfürchtig:
    "Wenn er, nach gelungener "Köpenickiade", auf der Treppe des Rathauses die Soldaten entlässt "Für jeden Mann ein Bier und eine Bockwurst" - geht eine so fundamentale Traurigkeit von ihm aus, dass man sich der Vergeblichkeit aller Fluchtversuche des Menschen aus seinem Schicksal schaudernd bewusst wird."
    "Hier haben se Geld für die Rückfahrt. Vom Rest kaufen se für jeden Mann in der Bahnhofswirtschaft en Glas Bier und ne Bockwurscht!
    Jawoll Herr Hauptmann!"