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Schauspieler Ken Duken
Eingeholt von der Realität

"Ich wollte den Zuschauern keine Emotion vorgeben", sagte Schauspieler Ken Duken über seinen neuen Film "Berlin Falling" im Dlf. Darin geht es um einen geplanten Terroranschlag. Doch in seiner ersten Regiearbeit verarbeitet Duken vor allem menschliche Ängste und Sorgen – und erwartet auch heftige Reaktionen beim Publikum.

Ken Duken im Corsogespräch mit Sören Brinkmann |
    Der Schauspieler Ken Duken auf einer Gala für seinen Film "Berlin Falling", die im Rahmen des Filmfests München im Gasteig stattfand.
    Der Schauspieler Ken Duken auf einer Gala für seinen Film "Berlin Falling" (picture alliance / dpa / Felix Hörhager)
    Sören Brinkmann: Welche Reaktionen erwarten Sie am Ende von den Zuschauern?
    Ken Duken: Das spannende natürlich an dem Film ist, dass ich den Zuschauer nicht entmündige, wie es viele andere Filme machen, die dann bestimmte Emotionen vorgeben, weil sie bestimmte Musiken und andere filmische Mittel verwenden, um dem Zuschauer eigentlich schon die Emotion vorzukauen - und das will ich nicht. In meinem Film geht es ja - das wurde mittlerweile oft beschrieben - um das Thema Terror, aber es geht bei mir nicht um einen Anschlag, sondern es geht bei mir um das darüber hinaus. Diese Ängste, die Terror auslöst und wie sie uns manipulierbar und instrumentalisierbar machen und das war mir in erster Linie wichtig. Ich wollte dem Zuschauer nicht eine Emotion vorgeben, sondern ich wollte mit dem Film polarisieren - ich glaube, das ist uns gelungen - und ich wollte mit dem Film schaffen, dass der Film keine Antworten gibt - oder die richtigen Antworten versucht zu geben -, sondern die richtigen Fragen stellt und zur Diskussion anregt.
    Brinkmann: Es geht um einen Ex-Soldaten, der gezwungen werden soll, einen Anschlag auf den Berliner Hauptbahnhof zu verüben. Über die Hintergründe und das Wie und Warum gibt es dann etliche Wendungen im Film. Wenn Sie sagen, es geht auch um Angst, glauben Sie, dass es ein Film ist, der gerade auch in diesen aktuell von Terror geprägten Zeiten Angst machen kann?
    Duken: Ja oder darauf hinweisen. Viele denken natürlich, weil sie die Zeiten falsch einschätzen, dass wir den Film nach dieser Thematik her entwickelt haben. Aber wir haben den Film vor über drei Jahren als Grundidee entwickelt. Nach der Idee passierte dann irgendwann Charlie Hebdo, wir hatten das Drehbuch weitergebracht und kurz vor Dreh passierte Paris, da stand das Drehbuch eigentlich genau so, wie es jetzt verfilmt wurde schon auf Papier. Und dann ist immer mehr passiert und wir wurden eigentlich kontinuierlich von der Realität immer mehr eingeholt, was ja absurd ist, weil ein Genre-Film nimmt eine Thematik und setzt sie aus der Realität in einen anderen Kontext, um einen anderen Blick auf die Sache zu vermitteln. Dass wir dann immer mehr eingeholt wurden von der Realität, war ja im Vorfeld nicht abzusehen.
    "Angst macht Leben tot"
    Brinkmann: Hat Ihnen das dann Angst gemacht, dass Sie von der Realität überholt wurden fast?
    Duken: Sagen wir's mal so: Wenn man einen Film macht, um dieses Thema Terror, Angst, alles Mögliche und es wirkt dann trotzdem für uns alle ein bisschen abstrakt und irgendwann trifft der Terror dann genau da an, wo man sich bewegt. Das Absurde - das ist für mich doppelt absurd - wir haben den Film das erste Mal dem Team gezeigt, nach zwei drei Jahren intensiver Arbeit und das war ein sehr emotionaler Moment, da waren wir gefühlt ein paar hundert Meter entfernt vom Breitscheidplatz. Das war am 19. Dezember und dann kamen wir aus dem Kino raus, alle noch sehr emotionalisiert, und plötzlich passierte das und wir hielten das alles einen Moment für einen schlechten Scherz und als man dann ans Handy ging und die Bilder gesehen hat ... ich war da im Schockzustand.
    Man denkt da nur an die Leute auf diesem Platz, man denkt, wer ist da, wen ich kenne, man ist ein paar hundert Meter davon entfernt und der Film rutscht dann auf so absurde Weise in den Hintergrund. Es hat mich dann die nächsten Tage immer wieder erwischt und auch diese Bilder. Weil ich war mit meinem Sohn allein vor diesem Anschlag in diesem Monat, in diesem Jahr vierzehnmal auf diesem Breitscheidplatz und genau da, wo dieser Truck rein ist, ist diese Kinderecke. Man sieht plötzlich in Albträumen seinen Sohn vor sich Bälle werfen und ein Truck kommt. Da bin ich öfter einmal aufgewacht, aber das Verrückte ist, das weist einen ja selber plötzlich auf Ängste hin und denen darf man nicht nachgeben. Meine Großmama hat immer gesagt: Angst macht Leben tot. Und natürlich hat man ein anderes Bewusstsein, aber ich will einfach trotzdem durch solche Sachen nicht für ein Extrem einem anderen weichen und das soll dieser Film, glaub ich, ein bisschen besprechen.
    Wir haben noch länger mit Ken Duken gesprochen - Hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
    Brinkmann: Und das Besprechen dieser ganzen Thematik, das verpacken Sie im Grunde in einen Zweikampf. Da geht es zum einen um eben den Ex-Soldaten und um Andreas, den er mitnimmt, den er trifft an einer Tankstelle. Und die beiden fahren zusammen im Auto und genau da entspinnt sich dieser Zweikampf zwischen den beiden. Was kann man da ausdrücken, indem man eben dieses Anschlagsszenario nur als Hintergrund hat und dann die beiden Figuren wirklich miteinander ringen und kämpfen?
    Duken: Wie gesagt, das ist ein Genre-Element und das ist ein sehr konsequenter Film, die zwei Leute im Auto, das klingt so nach Kammerspiele, aber der Film wird immer größer dadurch, -
    Brinkmann: Das liest man ja oft in den Kritiken: Dass es ein Kammerspiel sei, aber das ist es für Sie nicht?
    Duken: Es wird ja oft in den Kritiken gesagt: als Kammerspiel, aber Sie beschreiben ja wie groß und wie wertig der wird, in vielen Kritiken, so was ich bis jetzt mitbekommen habe, was ich ganz schön finde. Wer den Film sieht, merkt, der Film sieht nicht nach klein, dreckiger Handkamera aus. Der fängt klein an und wird immer größer, trotz des Kammerspiels und diese beiden Pole, die da aufeinander treffen, haben einiges zu verhandeln.
    "Der Film ist wahnsinnig schmerzhaft"
    Brinkmann: Und was?
    Duken: Genau die Thematik, die wir gerade besprechen und wir sehen, dass der Antagonist, der auch ja im Grunde genommen nicht diese typische fernsehdramaturgische Begründung für sein Handeln bekommt. Was dann oft so einer Rechtfertigung gleicht, aber was bitte - beantworten Sie mir das - rechtfertigt so ein Verhalten und solches Gedankengut? Und deswegen wollte ich das so stehen lassen. Und dadurch wird der Film so wahnsinnig schmerzhaft. Ich habe auch viele Leute gehabt, die sich ertappt gefühlt haben. Was ich auch mehrfach erzählt habe, diese Rede, die er da am Kuhdamm von sich gibt, das ist zusammengebastelt aus Facebook-Kommentaren. Und das sind zweieinhalb Jahre alte Facebook-Kommentare und wenn man sieht, was da gesagt wird, weiß man, wie so die Stimmung in diesem Land ist.
    Brinkmann: Das heißt, auch ein politischer Appell an dieser Stelle.
    Duken: Ich glaube, das bleibt nicht aus bei so einer Thematik.
    Brinkmann: Und wenn Kritiker sagen, dieses ernste Thema passt doch nicht so ganz zu so einem harten Thriller. Was sagen Sie denen?
    Duken: Das Thema ist ja praktisch immer härter geworden, nachdem wir den Film entwickelt haben. Und ich finde, au contraire, es war auch mehrfach der Fall, dass wir gesagt haben, bringt es jetzt, den Film zu machen, nachdem dann Paris passiert ist und wir sind kurz vor Dreh und alle waren unisono der Meinung, jetzt erst recht. Weil es, wie gesagt, in diesem Film nicht um diesen Anschlag geht, sondern darüber hinaus und man sieht ja sehr deutlich, durch diese Switches, wie absurd diese Extreme sind und wie sich diese Extreme bedingen. Ein Extrem lebt ja von dem anderen und darum geht es ja auch nicht, weil dann irgendwann diskutiert wird, was ist glaubwürdig oder was nicht. Also Dortmund ist für mich nicht glaubwürdig, trotzdem ist es passiert, dass irgendwelche Bundeswehrsoldaten in Flüchtlingsheimen unter falschem Pass Asyl beantragen, das ist für mich auch nicht glaubwürdig. Es sind so viele Dinge, die gerade passieren, die diesen Film, der eigentlich einen Genrekontext hat - es ist ähnlich wie House of Cards, wie soll House of Cards schlagen, was im Moment in der Realität passiert? Das sind diese Faktoren, die man da natürlich nicht vergessen darf, auf der anderen Seite geht es wie gesagt darum, dass man sich da auseinandersetzt. Der Film scheint ja jetzt schon Diskussionen anzuregen und das ist doch toll.
    Brinkmann: Der Film "Berlin Falling" kommt jetzt für drei Tage als Event in die Kinos. Ken Duken hat die Regie gemacht und spielt die Hauptrolle. Vielen Dank für das Gespräch hier bei Corso.
    Duken: Vielen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.